>

Zweite Generation der SAP Utilities-Lösung: Freiräume für Innovationen schaffen

Feature

Der Utilities-Markt unterliegt tiefgreifenden Änderungen. Die beiden SAP-Experten Klaus Lohnert und Stefan Engelhard erläutern im Interview, warum Cloud-Services für die Zukunftsfähigkeit der Energieversorger eine entscheidende Rolle spielen.

Strom und Gas über Jahre vom selben kommunalen Anbieter, das war gestern. Heute ist ein niedrigerer Strompreis nur einen Klick entfernt. Viele Versorger geraten so unter Druck und sehen sich gezwungen neue Umsatzquellen zu generieren. SAP will seine Kunden bei diesem Wandel optimal unterstützen und hat seine Utility-Lösungswelt deshalb grundlegend umgestaltet: Auf SAP for Utilities (IS-U) folgen SAP S/4HANA Utilities und SAP Cloud for Utilities. Klaus Lohnert, Programm Direktor SAP Cloud for Utilities, und Stefan Engelhard, Vice President Industry Unit Utilities über gute Gründe, als Energieversorger jetzt den Schritt in die Cloud zu wagen.

SAP for Utilities (IS-U) hat über Jahre als marktführende Lösung die Anforderungen der Energieversorger abgedeckt. Jetzt hat SAP erklärt, die Standardwartung für die Branchenlösung ab 2027 einzustellen und verweist auf die Nachfolgeprodukte SAP S/4HANA Utilities und SAP Cloud for Utilities. Warum der Wechsel auf eine neue Produktgeneration?

Stefan Engelhardt: SAP geht davon aus, dass bis 2025 eine große Zahl der Versorgungsunternehmen Einnahmen aus Dienstleistungen und Energiedaten erzielt. Hier ist ein Evolutionsprozess im Gange, durch den die Energieversorger vom klassischen Strom- und Gasanbieter zum Multi-Service-Provider werden. SAP S/4HANA Utilities und SAP Cloud for Utilities wurden entwickelt, um diesen Wandel der Versorger zu unterstützen.

SAP-Branchenexperte Stefan Engelhard rät Energieversorgern zum Umstieg in die Cloud.
Stefan Engelhard, SAP Vice President Industry Unit Utilities, nennt Gründe, warum Energieversorger den Schritt in die Cloud wagen sollten.

Bei vielen IS-U-Anwender hat die Bekanntgabe des Wartungsendes Irritationen ausgelöst – sie wurde als Ankündigung für einen Rückzug von SAP aus dem Utility-Sektor gewertet. Was ist dran an den Gerüchten?

Stefan Engelhardt: Wir bei SAP haben nie daran gedacht, uns aus dem Versorgermarkt zurückzuziehen. Ich kann zwar durchaus nachvollziehen, dass es im Zuge der Ankündigung, die Branchensoftware IS-U auf die In-Memory-basierte Hana-Technologie umzustellen, zu Missverständnissen gekommen ist. Fakt ist aber, dass das klassische IS-U für die Versorgerwelt von gestern steht, während SAP S/4HANA Utilities und die SAP-Cloud-Applikationen die Lösungen für den Energiemarkt von morgen repräsentieren. Für IS-U hat die SAP kürzlich die Standardwartung bis 2027 verlängert und im gleichen Zuge für SAP S/4HANA Utilities bis 2040 zugesagt. Damit hat SAP der Energiewirtschaft Investitionssicherheit für die Zukunft gegeben.

Viele Versorger wollen sicher gerne die SAP-HANA-Datenbank nutzen, dafür aber nicht unbedingt in ein neues Produkt investieren …

Klaus Lohnert: Wir haben uns nicht darauf beschränkt nur den „Motorraum“ durch neuste SAP HANA-Technologie zu erneuern. Wir haben vielmehr auch massiv in die Steigerung der Prozesseffizienz investiert. Die neue Software-Generation stellt deshalb gewissermaßen ein runderneuertes „IS-U PLUS“ dar, bei dem die Kunden von zahlreichen Innovationen profitieren. Von daher muss ich klar sagen: Wer die Signale, die wir jetzt in den Markt senden, nicht erkennt, will sie vielleicht auch gar nicht wahrhaben.

Digitalisierung unterstützt den Wandel im Energiemarkt

Sie sprechen von einem runderneuerten Produkt für den Energiemarkt von morgen. Welche Veränderungen sehen Sie am Utility-Markt?

Stefan Engelhardt: Die Energieversorgerbranche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Der Commodity-Markt ist schon lange nicht mehr der Garant großzügiger Margen, sondern ein hart umkämpftes Terrain, das neue und vor allem auch sehr potente Player zu besetzen versuchen. Der Mineralölkonzern Shell ist ein Beispiel dafür. Ein anderes Unternehmen, das sich anschickt, den traditionellen Stromvertrieb aufzumischen, ist Tesla. Vor wenigen Wochen erst hat der Elektroautobauer seine Kunden nach ihrer Meinung zu Bündelangeboten mit Stromtarif, Photovoltaik-Anlage und Heimspeicher gefragt.

Viele Energieversorger sehen sich durch die Entwicklung gezwungen, über den Tellerrand hinauszublicken und neue Umsatzquellen zu generieren. Sie rüsten sich daher ihrerseits, mit der E-Mobilität, mit Datendiensten, mit dem Vertrieb von PV-Anlagen und Speichern und sonstigen Angeboten den unkonventionellen Wettbewerbern Paroli zu bieten. Diesen Wandel der Versorger wollen wir unterstützen.

Und welche Rolle spielen die SAP Utility Nachfolgeprodukte dabei?

Stefan Engelhardt: Mit dem Wandel gehen ganz neue Anforderungen an die betriebliche IT einher. Diese muss eine einfache Produktdefinition sowie eine integrierte Abwicklung des Commodity-Geschäfts und der Dienstleistungen ermöglichen und sie muss alle Marktrollen im Blick haben – nicht nur den Vertrieb, sondern etwa auch den Messstellenbetreiber. Entsprechend groß ist das Bedürfnis in der Branche, den Aufwand für nicht-differenzierende Aufgaben massiv zu reduzieren. Nur so lassen sich Ressourcen freischaufeln, die in die Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsmodelle und Produkte gesteckt werden können.

Klaus Lohnert: SAP Cloud for Utilities ist der Werkzeugkasten, mit dem SAP einerseits die weitgehende Automatisierung nicht-differenzierender Prozesse und andererseits die Einführung wettbewerbsfähiger Produkte unterstützen will. Die IT-Lösung steht für eine neue Welt, in der Anglizismen genauso alltäglich sind, wie Multi-Utility Provider, die neben Strom und Gas auch Speicher verkaufen, Smartphone-Tarife anbieten oder intelligenten Verkehrskonzepten in Smart Cities Leben einhauchen.

Wo stößt die SAP Industrielösung hier an ihre Grenzen?

Stefan Engelhardt: In der traditionellen IS-U-Welt lässt sich fast alles abbilden. Es dauert dort jedoch deutlich länger, die Voraussetzungen zu schaffen, um ein neues Produkt am Markt zu etablieren. Diese Zeit werden immer weniger Energieversorger haben. Dennoch muss sich kein Kunde Hals über Kopf in die Cloud stürzen – er kann einen Schritt nach dem anderen gehen.

SAP-Experte für Utilities, Klaus Lohnert, erläutert die Vorteile der Cloud für Energievesorger.
Klaus Lohnert, Programm-Direktor SAP Cloud for Utilities, erläutert die Vorteile der Cloud-Lösungen.

Wie sieht das Zusammenspiel zwischen SAP S/4HANA Utilities und SAP Cloud for Utilities aus? Wann ist der Schritt in die Cloud sinnvoll?

Klaus Lohnert: Wir rechnen damit, dass die Mehrheit der Kunden in den nächsten Jahren auf eine hybride IT-Landschaft setzen wird. Einige grundlegende Prozesse werden sie weiterhin auf eigenen Servern mit SAP S/4HANA Utilities fahren und nach und nach neue Geschäftsfelder über die Cloud erschließen. Wir wollen den Kunden maximale Flexibilität geben, ihrer eigenen Strategie zu folgen und sich mit ihrer eigenen Geschwindigkeit zu bewegen.

Was bedeutet das konkret? Nicht jeder kleinere kommunale Anbieter sieht für sich Vorteile in der Cloud.

Klaus Lohnert: Die Cloud bringt allen Unternehmen der Branche enorme Vorteile. Denken Sie nur an die vielen Versorger, die von einer ausufernden Tarifvielfalt auf einige wenige, auf wichtige Zielgruppen zugeschnittene Angebote zurückgehen; oder an die Unternehmen, die den Vertrieb in digitale Kanäle verlagern und über soziale Medien und Messenger Dienste mit ihren Kunden kommunizieren. Diese Anbieter müssen Informationen schnell weiterverarbeiten und aufbereiten können. Wer den Schritt in das Hardware-Geschäft wagt und Wallboxen, Speicher oder Photovoltaik-Anlagen verkauft, ist auf eine reibungslose Logistik angewiesen. Und schließlich müssen Bündelprodukte ja auch abgerechnet werden.

Vorteile der Cloud für Energieversorger

Stefan Engelhardt: Wir werden mit SAP Cloud for Utilities den vollständigen Lead-to-Cash-Prozess abbilden können. Wer bereit ist, alte Zöpfe abzuschneiden, kann von der Cloud enorm profitieren – das bedeutet allerdings, dass die Kunden mitunter auch neue Prozesse definieren und althergebrachte aufbrechen müssen, um eine gewisse Standardisierung erreichen und alle Vorteile der Cloud auch tatsächlich nutzen zu können.

Welches ist der aktuelle Entwicklungsstand der SAP-Cloud-for-Utilities-Lösung? Und was können Anwender erwarten?

Klaus Lohnert: SAP arbeitet bereits seit Mitte 2018 an der Cloud. Mittlerweile gibt es zwölf Cloud-Module, die sich zu einer Einheit orchestrieren lassen und verschiedene Funktionen abdecken, etwa das Marketing, die Abrechnung oder die Marktkommunikation. Mit der SAP MaKo-Cloud adressieren wir beispielsweise das regulatorische Umfeld der Versorger, das sich immer wieder ändert. Der daraus resultierende Anpassungsaufwand ist für die Unternehmen erheblich, trägt aber nichts zur Wertschöpfung bei. Deshalb ist es wichtig, so viel Automatisierung wie möglich in die Prozesse zu bringen. Damit schaffen wir das digitale Rückgrat des Unternehmens – es wird noch in diesem Jahr stehen, alle branchenspezifischen Module werden bis Jahresende verfügbar sein.

Aber die Entwicklung geht natürlich weiter – die Energiewirtschaft ist ja weiter im Wandel und mit ihr die damit verbundenen Anforderungen. Entsprechend wird die Cloud neue Funktionen integrieren und von einem digitalen zu einem intelligenten und zu einem lernenden System werden. In drei Jahren soll diese Stufe erreicht sein.