Ersatzteile, Maschinenspezifikationen, technische Trends – über Jahrzehnte fanden AZO-Kunden wichtige Infos zu ihren Fertigungsanlagen in dicken Papierordnern vor. Heute ist das Online-Kundenportal des Anlagenbauers der zentrale Hub für alle Services und Informationen – inklusive Bestellfunktion.
Das deutsche Brotinstitut verzeichnet derzeit mehr als 3.000 Brotsorten, die täglich in Deutschland gebacken und verkauft werden. Dabei besteht ein Brot im Wesentlichen nur aus Wasser, Mehl, Hefe und Salz. Aber schon kleine Unterschiede in der Dosierung der Zutaten, der Dauer der Gärung oder der Temperatur des verwendeten Wassers können Aussehen und Geschmack eines Brotes grundlegend verändern. Kurz: Beim Brot kommt es aufs Gramm, auf jedes Grad Celsius und jede Minute an. Die Entstehung eines Brotes ist daher in handwerklichen Bäckereien ebenso wie in industriellen Großbäckereien ein komplexer logistischer Prozess, der zugleich jede Menge Bäckerfachwissen erfordert. Die Zutaten müssen nicht nur richtig eingelagert, sondern auch schnell und exakt nach Rezept gefördert, gewogen und dosiert werden.
Mithilfe von Automatisierungstechnik lassen sich sensible Herstellungsprozesse wie dieser heute zuverlässig und vor allem in reproduzierbarer Qualität steuern. Die AZO Gruppe mit Sitz im baden-württembergischen Osterburken ist weltweit einer der erfahrensten Akteure auf dem Gebiet des automatischen Rohstoff-Handlings. Gestartet als Hersteller von Siebmaschinen für Bäckereien in den 1950er Jahren, baut AZO heute Maschinen und ganze Fertigungsanlagen für Produzenten aller Größen aus den Bereichen Food, Pharma, Kosmetik, Chemie und Kunststoffe. „Unsere Rohstoffexpertise, die wir in mehr als 70 Jahren sammeln konnten, hebt uns von anderen Anlagenbauern ab“, sagt Rainer Zimmermann, CEO der AZO-Gruppe. „Dadurch können wir einen Input liefern, der über den reinen Anlagenbau hinausgeht.“
Zugang zu allen Services und Informationen über ein zentrales Kundenportal
AZO-Anlagen sind durchschnittlich zwischen 30 und 40 Jahre in Betrieb. In dieser Zeit fallen Wartungs- und Reparaturarbeiten an, die Anforderungsprofile ändern sich, etwa wenn neue Rohstoffe hinzukommen. Um ihre Maschinen am Laufen zu halten oder aufzurüsten, müssen sich die Betreiber von AZO-Anlagen über Ersatzteile, Maschinen-Spezifikationen und Möglichkeiten der Modernisierung informieren. Jahrzehntelang standen dafür Kataloge, Produktdatenblätter und das Know-how der Vertriebsmitarbeiter zur Verfügung. „Einkaufen und Informieren sind aber heute Tätigkeiten, die sich immer mehr ins Internet verlagern“, sagt Thomas Steinbach, IT-Leiter bei der AZO-Gruppe. „Aus diesem Grund haben wir ein Kundenportal mit Self-Service-Charakter ins Leben rufen, das ‚myAZOPlus‘. Unser Ziel war es, eine digitale Anlaufstelle zu schaffen, über die die Kunden alle benötigten Services und Informationen erhalten. Die Sichtweise des Kunden auf seine Anlage sollte dabei das Maß der Dinge sein.“
Einstieg ins E-Commerce mit SAP Commerce Cloud
Der Ausgangspunkt für das Portal war die Fortentwicklung des AZO-Ersatzteilprogramms, das zwar schon digital, aber auf einer veralteten Plattform lief. Dort konnte der Kunde zwar Ersatzteile recherchieren. Für die Bestellung musste er dann aber telefonisch ein Angebot einholen. „Im Zeitalter der Online-Shopping-Portale war dieses Vorgehen nicht mehr State-of-the-Art“, so Steinbach. „Wir haben uns daher für einen Plattform-Wechsel entschieden und SAP Commerce Cloud eingeführt.“ Auf dieser Basis wurden bereits vier Self-Service-Komponenten entwickelt:
- Der Equipment Viewer (Add-on von B4B Solutions) bildet ganze Anlagen und Maschinen als 2D- oder 3D-Darstellungen ab und verknüpft die Grafiken mit den dazugehörigen Equipment Stücklisten. „Der Kunde kann sich grafisch in seiner Anlage orientieren. Hat er dann das benötigte Ersatzteil identifiziert, kann er es direkt in den Warenkorb legen und online bestellen“, sagt Steinbach. „Über das neue Portal ist dies nun ein nahtlos integrierter Prozess.“
- Media Management (Add-on von B4B Solutions), ein Digital Asset Management System, das auf SAP Commerce Cloud aufsetzt: „Dieses System ermöglicht uns, Produktdatenblätter und Dokumentationen inklusive Grafiken und Bildern bereitzustellen, so dass der Kunde Informationen zu seinen Produkten ganz einfach online abrufen kann“, sagt der IT-Leiter. „Und wer möchte, kann sich die unter diesen Informationen liegenden Dokument auch über das Media Download Portal – die dritte Komponente des AZO-Self-Service-Portals – herunterladen.“
- Als Komponente Nummer vier entstand schließlich das „Projekttagebuch“ – so die interne Bezeichnung für ein Kommunikations- und Kollaborations-Tool, eine Integration zwischen Share Point, Teams und der SAP Commerce Cloud. Das Projekttagebuch bietet vor allem in der Entstehungsphase einer Anlage ganz neue Möglichkeiten: „Mittels Virtual Reality können Kunden sich virtuell in ihrer Anlage bewegen“, erläutert Steinbach. „Sie können sich mit ihrem AZO-Berater treffen und mit ihm gemeinsam die Anlage entwickeln und planen. Das kann bis zur virtuellen Abnahme der Anlage durch den Kunden gehen.“
Kunden finden im Self-Service-Portal genau die Dokumente, Bilder und Zeichnungen, die für ihre Anlage relevant sind. Möglich wurde das durch die tiefe Integration von SAP Commerce Cloud in das ERP-System der AZO, SAP ECC 6.0, auf Basis der SAP Business Technology Platform. „Die Vorarbeit in unserem ERP-System war überhaupt die Grundlage dafür, dass wir die Komponenten des Self-Service-Portals so umsetzen konnten“, führt Steinbach aus. Materialstammdaten, Kundenstammdebitoren, Preise, Warenverfügbarkeit und so weiter – alle Daten seien im ERP hinterlegt, so dass der Kunde über das Portal jetzt auf die für ihn wichtigen Daten zugreifen könne.
Optimale Ausgangslage durch hohen digitalen Reifegrad
Auch an den gesamten internen Prozessen hat sich durch das Portal bei AZO nichts geändert, weil diese Prozesse, wie die Datenbereitstellung, bereits im ERP entsprechend bearbeitet worden waren. „Aus unserer Sicht war die Ausgangslage bei AZO ideal“, ergänzt Achim Bergmann vom Implementierungspartner B4B Solutions. „AZO ist im Bereich der Digitalisierung ein klarer Vorreiter. Die Maschinen und die Stammdaten waren bereits optimal für das Projekt vorbereitet und wir mussten nur noch das eine System in das andere integrieren.“ Aktuell testet AZO das Portal mit fünf Pilotkunden. „Wir haben über einen sogenannten Bebauungsplan im Vorfeld die verschiedenen Szenarien – vom Wartungstechniker bis zum Werksleiter getestet. Die Kunden nehmen das System sehr gut an, sie nehmen die enormen Vorteile für sich wahr“, betont Steinbach.
Kundenmehrwert durch Prozessautomatisierung weiter steigern
Mit ‚myAZOPlus‘ konnte der Anlagenbauer AZO den Kundenfokus maßgeblich verbessern. Doch Dieter Herzig wirft als CDO der Unternehmensgruppe einen kritischen Blick auf das Erreichte: „Was wir mit den Systemen liefern ist bereits eine erste Anwendung zu unserem digitalen Zwilling, unserer Drehscheibe für sämtliche Daten. Aber hier haben wir noch weit mehr vor“, so Herzig. Viele Prozesse müssen noch automatisiert werden. Dem Kunden sollen gemäß unserer Digitalisierungsstrategie, dem AZO-4P-Modell, immer weitere Möglichkeiten und Nutzen geschaffen werden, bis hin zur Plattformökonomie und künstlicher Intelligenz. Und hier schließt Herzig den Kreis zum Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens: Rohstoffe. „Wir wollen dem Kunden nicht nur Rohstoffe zum Prozess, sondern bis ins Haus bringen; Themen wie Rohstofflogistik und Rohstoff-Online-Marktplatz – darin sehen wir unsere Zukunft“.