Eine junge Frau gründet auf eigene Faust eine Organisation, um Flüchtlingen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Und inspiriert damit auch andere junge Menschen, ihre Ressourcen zu mobilisieren.
Zurzeit leben 1,2 Milliarden junge Menschen auf der Erde. Eine davon ist Avina Ajith, eine junge 24-jährige Führungskraft mit dem Ziel Flüchtlingen, deren Not von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt blieb, ein besseres Leben zu ermöglichen. Dafür reist sie um den halben Erdball. Mit ihrer Organisation (RIO) entwickelt sie Lösungen, um den Flüchtlingen auf die Beine zu helfen und zu unterstützen.
Ajith hat sich der Unterstützung von Flüchtlingen gewidmet, die aus Liberia, Sierra Leone, Togo, Elfenbeinküste, der Demokratischen Republik Kongo, Libyen und Sudan nach Ghana kommen. Allein in Ghana leben mehr als 16.000 Flüchtlinge in Lagern in abgelegenen Gegenden und ohne Zugang zu Finanzmitteln – und natürlich auch ohne soziale Kontakte.
In vielerlei Hinsicht ist Ajith wie die meisten 24-Jährigen auf der ganzen Welt. Sie isst und kocht gerne und entdeckt neue Hobbys, um durch die Pandemie zu kommen. Dazu zählen auch Backexperimente. Ihre Liebe für Katzen und Pflanzen spiegelt sich in ihrem Zuhause wider. Die Pandemie hat alle getroffen – natürlich auch eine junge Chefin eines sozialen Start-ups.
Wie viele junge „Possibilisten“ arbeitet Ajith sieben Tage die Woche und oft zwölf Stunden am Tag. Sie weiß, dass sie jede Minute, die sie in ihre Organisation investiert jenen Menschen Hoffnung bringt, die von der Öffentlichkeit am meisten vernachlässigt werden. Das war ihre Motivation als sie die Refugee Integration Organization (RIO) gründete.
Der Weg zum Change-Maker
Ajiths Reise begann, als sie sich einen heiß begehrten Job als Journalistin bei Reuters sicherte. Zwei Jahre lang konzentrierte sie sich darauf, über die soziale Ausgrenzung von Flüchtlingen – insbesondere derer in Afrika – zu berichten. Nachdem sie Geld gespart hatte, kündigte sie ihre Stelle und reiste nach Ghana, um mehr über die Gegebenheiten in diesem Land zu erfahren, über die sie während ihrer Zeit als Journalistin berichtet hatte. Wie sie selbst zugibt, hätte sie nichts auf die einschneidenden Erlebnisse vorbereiten können, die ihrem Leben eine Richtung und ein Ziel gegeben haben.
Während ihres Aufenthalts im Flüchtlingslager Krisan in Ghana wurde sie von Abraham Davies begleitet, der im Alter von 16 Jahren ins Flüchtlingslager geflohen war, nachdem er miterlebt hatte, welch schreckliche Qualen seine Familie erleiden musste. Heute ist er Vater dreier Mädchen und erzählt seine Geschichte, um zu zeigen, dass das Leben für ihn – und Tausende andere wie er – ein Kampf bleibt. Sie alle haben ihre Heimat verlassen und Schutz in Flüchtlingslagern gesucht. Er erklärt, dass es Menschen gebe, die ihr ganzes Leben in solchen Lagern verbracht hätten oder noch verbringen würden.
Ajith hat miterlebt, wie alleinerziehende Väter ihre Kinder in die Obhut benachbarter Familien gegeben haben, um loszuziehen und sich Arbeit zu suchen. Doch oft sind die Väter dann nicht mehr zurückgekehrt. Sie hat Frauen kennengelernt, die tage- und monatelang durch die Wüste gelaufen sind, wo schreckliche Gräueltaten gegen sie verübt wurden, nur um einen Ort der Sicherheit, ein richtiges Zuhause, zu finden.
An Geschichten wie diesen werden zwei Dinge deutlich. Erstens suchen Menschen wie Davies Sicherheit und zweitens möchten sie eigenständig ihren Lebensunterhalt verdienen, damit sich ihre Situation ändert. Manche beginnen mit kleinen Schritten. Sie verkaufen selbst gekochtes Essen oder errichten eine Geflügelzucht. Aber in Lagern wie Krisan sind für Flüchtlinge die Möglichkeiten sich weiterzubilden und am Arbeitsleben teilzuhaben begrenzt.
Veränderungen für Flüchtlinge herbeiführen
Der Besuch des Krisan-Flüchtlingslagers und die Begegnungen mit den dort lebenden Menschen motivierte Ajith – gemeinsam mit Rya G. Kuewor – eine Organisation zu gründen, die Geflüchtete bei der Integration unterstützt. RIO, mit Sitz in Ghanas Hauptstadt Accra, verfolgt das Ziel den Blick der Menschen zu verändern. Oftmals sehen sie die Flüchtlingscamps als Belastung für das Land. Doch RIO möchte, dass sie darin einen Mikrokosmos voller Potenziale sehen. Viele dort lebende Flüchtlinge sind qualifizierte Arbeitskräfte. Sie sind bereit, sich in jedes System zu integrieren, das es ihnen ermöglicht ein ausreichendes Einkommen zu verdienen und eine Zukunft für sich und ihre Familien aufzubauen. „Sie brauchen nur ein wenig Unterstützung“, betont Ajith. „Eine Chance etwas zu verdienen, um sich ein besseres Leben leisten zu können.“
RIO wird von der Idee beeinflusst, dass je mehr Geld in der Gemeinschaft des Flüchtlingslagers zirkuliert, desto besser. Je mehr die Geflüchteten der Gemeinschaft vor Ort bieten können, umso größer sind die Chancen einer Integration in die Gesellschaft. Dies wird sich letztendlich positiv auf die Gesamtwirtschaft des Landes auswirken.
2019 unterstützte RIO 23 Frauen durch Mikrokredite mit sehr niedrigen Zinsen. Mit dem Geld bauten sich die Frauen ein kleines Geschäft auf. Sie konnten frei über das Geld verfügen und gaben es für grundlegende Dinge, wie Transport, aus. So hatten sie die Möglichkeit, Dinge des täglichen Bedarfs auf dem öffentlichen Markt einzukaufen und in den Flüchtlingslagern zu verkaufen. Die Organisation bot den Frauen während des gesamten Prozesses Unterstützung. Sie half ihnen nachhaltige Geschäftsprozesse aufzubauen, Angebot und Nachfrage besser zu verstehen sowie ihr Geschäft finanziell erfolgreich zu managen.
Durch diese zunächst kleine Initiative – mit nur 23 Frauen – kam Leben ins Lager. Zum ersten Mal in 25 Jahren begannen die Menschen im Lager damit verschiedenen Formen des wirtschaftlichen Handelns nachzugehen. Auch wenn sie nur kleine Dinge verkauften, wie selbst gekochte Speisen, so wurde für Flüchtlinge eine Möglichkeit geboten, etwas zu ihrer Gemeinschaft beizutragen. Und das trotz der wenig förderlichen Umgebung in der finanzielle Mittel sehr knapp waren.
Junge Menschen als Quelle der Inspiration
Bei einer Befragung von Possibilist gaben 66 Prozent der jungen Change-Maker an, dass sie ihren finanziellen Bedarf nicht allein durch ihre Arbeit für die Initiative decken können. Daher müssen sie woanders nach finanzieller Vergütung und Sicherheit suchen. Dennoch tun sie weiterhin alles, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Ajith verfolgt das Ziel das Leben der Menschen zu verbessern, trotz der Hindernisse mit denen sie – und die Frauen, denen sie zu helfen versucht – zu kämpfen haben. Während sie mit ihrer Arbeit versucht die Welt zu verbessern, definiert sie, was viele denken: Junge Menschen sind in der Lage, künftige und gegenwärtige junge Führungskräfte wie sie zu inspirieren.
Sie hat auch eine Botschaft für die Jugendlichen von heute, die mehr Möglichkeiten, wie zum Beispiel den Zugang zu Hochschulbildung, haben: „Das Abitur führt euch vielleicht nicht dorthin, wo ihr sein sollt, aber es lehrt euch Dinge, die ihr in verschiedenen Bereichen anwenden könnt. Seid euch allen möglichen Situationen und Kämpfen bewusst und stellt euch in irgendeiner Weise darauf ein. Mit der Bildung und den Ressourcen, die junge Leute heute haben, sind wir in der Lage tolle Veränderungen herbeizuführen.“