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Die Integration von Tochterunternehmen stellt die Mutterunternehmen oft vor einige Herausforderungen. Der KHS-Gruppe ist diese diffizile Aufgabe IT-seitig gut gelungen: zwei Buchungskreise konnten in SAP S/4HANA verschmolzen werden.

Die KHS Gruppe ist einer der führenden Hersteller von Abfüll- und Verpackungsanlagen in den Bereichen Getränke und flüssige Lebensmittel mit Hauptsitz in Dortmund. Das Traditionsunternehmen ist weltweit tätig und verfügt über eine hohe Exportquote. Der Maschinenbauer betreibt Werke in Deutschland, in den USA, Mexiko, Brasilien, Indien und China. Um auch künftig international wettbewerbsfähig zu bleiben, ist KHS frühzeitig via Systemkonvertierung (Brownfield-Ansatz) auf SAP S/4HANA umgestiegen.

Zuletzt wurde entschieden, das Tochterunternehmen KHS Corpoplast aus Hamburg, verantwortlich für die Herstellung und Beschichtung von Kunststoffbehältern, vollständig in die KHS-Gruppe zu integrieren, und zwar mit rückwärtiger wirtschaftlicher Wirkung. Daher galt es, die Buchungskreise beider Gesellschaften in SAP S/4HANA miteinander zu verschmelzen. Ein Projekt mit Pioniercharakter. Zusammen mit cbs Corporate Business Solutions hat KHS den technisch anspruchsvollen Merger sorgfältig vorbereitet, ein Change-Management-Prozess eingeleitet und die Verschmelzung in kürzester Zeit erfolgreich realisiert.

Buchungskreis in einem ERP-System zusammenführen, IT-Prozesse anpassen

Um die Abwicklung von Aufträgen noch effizienter zu gestalten, setzte das Unternehmen vor zwei Jahren ein umfassendes Roadmap-Programm auf. Ziel war es, die bestehenden elf unterschiedlichen SAP-Systeme zu konsolidieren. Eine Vorgabe war, die Töchter der KHS weltweit in das neue SAP-S/4HANA-System zu migrieren. Alle Gesellschaften sollten künftig mit einem ERP-System arbeiten.

„Wir haben schon eine sehr enge Intercompany-Verflechtung gehabt. Zahlreiche Aufträge kamen von der Muttergesellschaft und die Verflechtungen wurden immer enger. Daher war es ein Unternehmensziel der Gruppe, diese Prozesse zu harmonisieren“, erklärt Mathias Offermann, Vice President IT bei KHS. Die Tochter Corpoplast sollte dabei vollständig im Konzern aufgehen, weshalb die IT-Prozesse entsprechend anzupassen waren.

Bei der Konsolidierung im Bereich Finance & Controlling lautete das Ziel, die Aufwände bei Aufträgen durch die Muttergesellschaft und sich anschließenden Rechnungen zu reduzieren. Damit sollten die internen Prozesse effizienter gestaltet und die Wirtschaftlichkeit erhöht werden.

„Aufgrund der Unternehmensgröße und Komplexität war dieser Buchungskreis-Merger anspruchsvoll, denn in Hamburg sind immerhin 400 Mitarbeiter beschäftigt. Dort wird die komplette Wertschöpfungskette abgedeckt, inklusive Konstruktion, Produktion oder Versand. Da sind alle SAP-Module im Einsatz und es wurde richtig Volumen gemacht“, so Mark Dinnups, Head of Global SAP Services.

Erfolgreiche ERP-Umstellung: Buchungskreis-Merger in nur sechs Monaten

Die größte Herausforderung im Projekt war die aufwendige Konsolidierung und Datenmigration im Bereich Finance & Controlling unter den neuen SAP-S/4HANA-Strukturen, und das innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne von weniger als sechs Monaten. Hinzu kam, dass eine passende Auslaufstrategie für alte Projekte erarbeitet werden musste. Es gab Unterschiede zwischen dem alten und neuen System in punkto Faktura-Art, also zwischen HGB und Percentage-of-Completion (PoC-Methode). In der Übergangsphase galt es, mit zwei Systemen gleichzeitig zu arbeiten. Anwender mussten also in dieser Phase im Einzelfall prüfen, mit welcher Art von Projekt gearbeitet wird und dementsprechend agieren. Das erhöhte die Komplexität des Projekts nochmals.

„Sehr geholfen hat uns dabei die Unterstützung durch ein professionelles Change Management“, betont Jens Jensen, Leiter Werkscontrolling Team Nord von KHS. Alle Corpoplast-Mitarbeiter wurden auf dem Weg zur Eingliederung mitgenommen. „Das war ein herausfordernder Prozess. Denn der gute Zusammenhalt in der Belegschaft und die Identität des Standorts waren zu erhalten. Für uns war es wichtig, die Motivation der Anwender hochzuhalten, sich an den Tests zu beteiligen“, erläutert Jensen.

Erfolgreiche Migration mit ERP-Standardsoftware cbs ET

Für die Datenmigration kam die bewährte Standardsoftware cbs ET Enterprise Transformer zum Einsatz. Dabei hat das Projektteam frühzeitig alle technischen Möglichkeiten des Tools, Vorgehensweisen und Migrationspfade erörtert und abgeklopft.

Dabei ist ein Buchungskreis-Merger für den Partner cbs Corporate Business Solutions nichts Neues. Lars Neitzert, Manager im Bereich Landscape Transformation bei cbs:

„Jedoch wurde eine solche Verschmelzung in SAP S/4HANA zum ersten Mal durchgeführt. Im SAP-S/4HANA-Umfeld ist dies vermutlich auch eine der ersten Verschmelzungen weltweit, die mit SLT-Technologie realisiert wurde.“

Durch dieses Projekt habe man wertvolle Erkenntnisse gewonnen und sei noch sensibler geworden im Hinblick auf kritische Themen. „In SAP S/4HANA gibt es im Vergleich zum ECC 6.0 unterschiedliche Datenstrukturen, unterschiedliche Tabellen und unterschiedliche Zugriffsfolgen. Diese verhalten sich ganz anders. Das ist sehr komplex, und daher gilt es bei einer solchen Migration mit einem kompetenten Team und den richtigen Werkzeugen zu arbeiten“, erklärt Neitzert.

Arbeit in nur einem Buchungskreis einfach fortgeführt

Dinnups lobt: „Wir haben innerhalb von nur vier Monaten einen beachtlichen Merger hingelegt. Wir haben im bestehenden System migriert, und zwar mit einer ganz kurzen Cutover-Phase, noch dazu mit ganz geringen operativen Nachwehen und ohne jegliche Inkonsistenzen. Alles ist rund gelaufen. Das ist ein Case, den es so heute noch nicht am Markt gibt.“

Dinnups erklärt weiter: „Bei einer solchen Migration schauen wir auf die Kernprozesse. Wir wollen natürlich, dass der Betrieb so ruhig wie möglich weiterläuft. Das hat sehr gut funktioniert − auch wenn die komplette Buchhaltung die Zahlen nachher ganz anders aggregiert.“ Die User konnten nach dem Go-Live genau dort an Bestellungen, Lieferungen, Fakturen oder Projekten weiterarbeiten, wo sie vorher aufgehört hatten.

Da KHS global unterwegs ist, gibt es immer wieder Optimierungsbedarf im Bereich ERP. Daher wird es weitere Prozessharmonisierungen geben, egal ob es um Vertriebsgesellschaften geht oder Produktionsstandorte, egal ob es SAP-Systeme sind oder Non-SAP-Firmen. Vielleicht wird es dann wieder ein gemischtes Team aus KHS-Kollegen und cbs-Experten geben, das sich an die Aufgabe macht. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist hoch.

Über KHS und Corpoplast

Die Entwicklung und Produktion von kompletten Abfüll- und Verpackungsanlagen sowie Einzelmaschinen für die Bereiche Getränke und flüssige Lebensmittel bilden die Kernkompetenz der KHS GmbH. Der Konzern erzielte im Jahr 2020 mit 5.085 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,13 Mrd. Euro. Im Jahr 1993 aus dem Zusammenschluss der 1868 in Dortmund gegründeten Holstein & Kappert AG sowie der 1887 in Bad Kreuznach errichteten Seitz-Werke entstanden, zählt die KHS zu den führenden Anbietern am Markt. Die Unternehmensgruppe ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der zum Salzgitter-Konzern gehörenden Salzgitter Klöckner-Werke GmbH.


Dalibor Kukic ist Experte im Bereich Landscape Transformation und Managing Director der österreichischen cbs-Landesgesellschaft.