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Digitalisierung in Deutschland: Wo es klemmt – und warum Anlass zur Hoffnung besteht

Digitalisierung in Deutschland

In puncto Digitalisierung hinkt Deutschland zwar hinterher, aber es ist nicht alles schlecht. Das war das Ergebnis eines Panels auf der Business Transformation Tour – Rise with SAP. Was sich am dringendsten ändern muss – und was wir von der neuen Regierung erwarten können.

Dass das Ampelbündnis in Berlin beim Thema Digitalisierung neue Hoffnungen weckt, liegt nicht nur an seinem Selbstverständnis als „Fortschrittskoalition“. Auch der Koalitionsvertrag enthält „zahlreiche Details, die man gerne unterschreiben will“, so Markus Beckedahl, Gründer des Blogs Netzpolitik.org.

Tatsächlich liest sich das Kapitel „Digitale Innovation und digitale Infrastruktur“ teilweise wie die Wunschliste von Netzaktivisten. Da ist von Open Source die Rede, von Breitbandausbau, von Förderung für Start-ups, die das Thema beackern – und von vielem mehr.
Natürlich ist der Weg von der Absichtserklärungen zur Umsetzung weit, und man sei „noch nicht da, wo wir hinwollten. Aber in der Politik ist jetzt jeder wach“, so Mario Brandenburg, Technologiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Business Transformation Tour – Rise with SAP im Oktober in Heidelberg.

Digitalisierung: Wir sollten uns Skandinavien zum Vorbild nehmen

Wünschenswert wäre das – zumal bei so ziemlich allen Beteiligten Einigkeit darüber herrscht, dass in den zurückliegenden Jahren viele wichtige, ja notwendige Entwicklungen verschlafen worden sind. Daniel Holz – Vice President EMEA North bei Google –, der ebenfalls an der Diskussion teilnahm, findet zwar nicht, „dass Deutschland als Ganzes hinterherhinkt“. Allerdings dürfe bei der Öffentlichen Hand „vieles noch nicht eingesetzt werden, was den Bürgern nützen würde. Da könnten wir uns die skandinavischen Länder zum Vorbild nehmen.“
Und Glenn Gonzales, CTO bei SAP Deutschland, wünschte sich einen Masterplan Digitalisierung – und smarte Regularien, die die Anwendung digitaler Lösungen erleichtern: „Wenn wir in Deutschland eine Bratwurst essen, fühlen wir uns sicher dabei, weil bestimmte Regularien und Kontrollinstanzen uns diese Sicherheit geben. Dieselbe Sicherheit brauchen wir beim Umgang mit Daten,“ so Gonzales.

Die Diskussion um mehr Digitalisierung in Deutschland ist gefühlt so alt wie die Digitalisierung selbst. Und der Streit darüber, wer an der Malaise vorrangig die Schuld trägt oder wie sie am besten zu überwinden sei ist nicht viel jünger – und noch immer aktuell.
Auch bei der Diskussion in Heidelberg sahen die Beteiligten natürlich Versäumnisse auf Seiten der Politik, darüber hinaus habe aber auch die Wirtschaft „vieles nicht laut genug eingefordert,“ so Mario Brandenburg – der einzige Politiker in der Runde.

Fast zwei Drittel finden ihren Wohnort digital rückständig

Das gilt vermutlich auch für jene digitalen Services, die wir alle im täglichen Leben gerne nutzen würden. Im Rahmen einer aktuellen repräsentativen Umfrage unter mehr als 1000 Personen ab 18 Jahren in Deutschland stuften 62 Prozent der Teilnehmer ihren Wohnort als digital rückständig ein. In Auftrag gegeben hatte die Befragung der Digitalverband Bitkom. Nach Ansicht von dessen Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder müsse der Bund „mehr Verantwortung bei der Digitalisierung übernehmen und handlungsfähiger werden, er muss Standards setzen und unterstützen dürfen. Kommunen brauchen Geld, Know-how und einen engen Austausch mit Bürgerschaft und Wirtschaft.“
Eine Möglichkeit, bei der Digitalisierung in Städten und Gemeinden voranzukommen, läge in der Kompetenzerweiterung auf der Bundesebene. So sagten 81 Prozent der Befragten, der Bund solle bei der Digitalisierung mehr Zuständigkeiten erhalten, um bundesweite Standards schaffen zu können.

Breitband- und Telefoninfrastruktur sind so wichtig wie Wasser und Strom

Stellt sich die Frage, wie das praktisch umgesetzt werden könnte. Noch immer beliebt ist hier die Forderung nach einem eigenständigen Digitalisierungsministerium. Die Ampel-Koalitionspartner entschieden sich – zur Überraschung vieler – dagegen, schlugen die Aufgabe stattdessen dem Verkehrsressort zu. Und spätestens auf den zweiten Blick gibt es auch bedenkenswerte Argumente gegen ein eigenständiges Ministerium. Erstens würde seine Installierung viel Zeit in Anspruch nehmen. Zweitens ist Digitalisierung eine Querschnittsaufgabe, die alle Ressorts betrifft. Auch deshalb verzichten – drittens – jene Staaten, die Vorreiter in Sachen Digitalisierung sind, fast ausnahmslos auf ein solches Ministerium.

Die neuen Koalitionäre teilen diese Auffassung – und haben sich dennoch ehrgeizige Ziele gesetzt. „Für öffentliche IT-Projekte schreiben wir offene Standards fest“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und weiter: „Wir führen einen Rechtsanspruch auf Open Data ein und verbessern die Datenexpertise öffentlicher Stellen.“
So lobenswert das ist – vielen Menschen in Deutschland wäre kurz- und mittelfristig mit einem flächendeckenden Ausbau leistungsfähiger Netze mehr gedient. Oder wie SAP-Deutschland-CTO auf der bereits erwähnten Veranstaltung in Heidelberg formulierte: „Die Breitband- und Telefoninfrastruktur gehört genauso auf die Agenda wie Strom und Wasser, und da hinken wir hinterher. Geschwindigkeit ist essentiell.“
Dieser Satz gilt auch für die Digitalisierungspolitik der Ampelkoaliton insgesamt: Sie wird sich daran messen lassen müssen, wir viel von den guten Absichten nach vier Jahren in der Praxis angekommen ist.

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