Kange Kaneene ist Leiterin von SAP.iO Foundries North America und kennt die Herausforderungen, vor denen Start-up-Unternehmen stehen.
„Die innovativsten Start-ups haben in puncto Finanzierung die schlechtesten Chancen“, weiß Kange Kaneene über die Welt der Start-ups zu berichten. „Die Menschen haben nicht nur Angst vor dem Unbekannten, sondern auch vor dem, was sie nicht verstehen.“
2016 fing Kange im Business Development für SAP Ariba an. Ihr Manager bat sie damals, auf dem Markt nach einem Unternehmen zu suchen, das SAP akquirieren könnte.
„Die Arbeit mit diesen kleineren, flexiblen und innovativen Unternehmen war so anders als meine gewohnte Tätigkeit“, meint sie. „Auf einmal dachte ich: ‚Ich möchte jeden Tag mit solchen Unternehmen zu tun haben. Ich möchte im Bereich der Vergabe von Risikokapital tätig sein.‘“
Um zu verstehen, wie Investoren mit Start-ups interagieren und wie sie entscheiden, in welche Unternehmen sie investieren, wurde Kange in der Gründer- und Unternehmerszene New Yorks aktiv. Sie besuchte Demotage, Wettbewerbe für Konzeptpräsentationen und andere Veranstaltungen für Start-ups.
Risikokapitalgebende müssen bei Investitionsentscheidungen die Spreu vom Weizen trennen. Dabei scheuen sie zum Beispiel mitunter vor Unternehmen zurück, die von lediglich einer Person gegründet wurden, denn wenn diese krankheitsbedingt ausfallen sollte, könnte das Start-up in Schwierigkeiten geraten. Laut Kange entscheiden sich Kapitalgebende auch oft gegen junge Unternehmen, die nicht Teil ihrer eigenen Branche sind. „Doch viele Unternehmen wurden gegründet, weil andere die Probleme nachvollziehen konnten, welche die Firmen lösen wollten. Sich in die Problematik hineinversetzen zu können, ist ein großer Vorteil.“
Der Versuch, ein Problem zu lösen, mit dem die Investoren nichts anfangen können, kann sich auch als Hindernis erweisen – wie in der berühmten Geschichte einer Unternehmensgründerin, die einem Raum voller männlicher Kapitalgeber den Zweck einer Milchpumpe zu erklären versuchte. „Dies ist ein klassisches Beispiel für Investoren, die das Problem nicht verstehen“ betont Kange. „Und eine Erklärung dafür, wieso der innovativste Mensch im Raum die schlechtesten Karten hat, um finanziell gefördert zu werden.“
Mit der Zeit wurde Kange für ihr Expertenwissen bekannt. Also erhielt sie das Angebot, Start-ups zu betreuen, mit denen die SAP zusammenarbeitet.
Förderung unbeachteter Talente
„Schon bald habe ich gemerkt, dass bei all diesen Veranstaltungen vor allem eine bestimmte Gruppe von Menschen anwesend war – hauptsächlich hellhäutige Männer mit europäischen Wurzeln“, erzählt Kange. Sie stellte fest, dass es für bestimmte Bevölkerungsgruppen schwieriger ist, Zugang zu Kapital zu erhalten. Kange fragte sich, wie sie Menschen mit Unternehmergeist die Realisierung neuer Möglichkeiten erleichtern könnte und wurde deshalb Start-up-Investorin.
Im Juli 2021 übernahm sie die Leitung von SAP.iO Foundries North America.
Die SAP rief SAP.iO Foundries 2017 als strategische Geschäftseinheit ins Leben, um ein Programm zu schaffen, von dem alle Beteiligten gleichermaßen profitieren: Kunden, Start-ups und SAP. Von Start-ups ausgehende Innovationen sind seitdem zu einem immer wichtigeren Faktor in der Gesamtstrategie von SAP geworden. Sie tragen dazu bei Lücken im Portfolio von SAP zu schließen und unterstützen Kunden bei der digitalen Transformation. Heute gibt es SAP.iO Foundries an zehn Standorten weltweit.
Start-ups, die sich für eines der Teams, bei den SAP.iO Foundries – die sogenannten Kohorten – bewerben, durchlaufen einen Auswahlprozess. Dabei wird geprüft, inwiefern sich ihre Lösungen reibungslos mit SAP-Lösungen integrieren lassen. Neben der Aussicht auf eine langfristig tragfähige Partnerschaft mit der SAP, erhalten die Start-ups auch Zugang zu deren Kundenstamm.
Doch auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Aus Erfahrung kann Kange sagen, dass Risikokapitalgesellschaften oft nicht an der richtigen Stelle suchen, wenn es um unterstützungswürdige Start-ups geht. „Beim Versuch, vielversprechende Start-ups anzuwerben, ist man eventuell versucht, sich auf das eigene Netzwerk zu konzentrieren“, so Kange. Allerdings stößt man so nicht auf die innovativsten Köpfe. Vielmehr lohnt es sich, in neuen Bereichen zu suchen, mit neuen Unternehmen Kontakt aufzunehmen und an neuen Standorten Ausschau zu halten.
„Dort findet man die wahren Schätze“, verrät Kange. „Und deshalb sind wir bei SAP.iO Foundries North America so stolz darauf, dass Menschen aus allen Volksschichten in unseren Kohorten arbeiten. Wir vereinen bei uns all diese großartigen Start-ups, weil wir uns bemühen, über den gewohnten Tellerrand hinauszublicken.“
Themen, die die ganze Welt angehen
Im Januar 2022 schlossen zwei Start-up-Kohorten von SAP.iO Foundries in New York und San Francisco ihre Projekte ab. Der Fokus lag dabei auf Nachhaltigkeit, einmal im Bereich Einzelhandel und einmal im Bereich Energie und natürliche Ressourcen. Damit lagen die beiden voll im Trend, da Unternehmen zunehmend unter Druck stehen, nachhaltige Praktiken in ihre Geschäftsabläufe zu integrieren – nicht nur um das eigene Image zu stärken, sondern auch, um den zunehmend strengeren Vorschriften zu Nachhaltigkeit in ihrer Lieferkette oder bei ihrem CO2-Fußabdruck nachzukommen.
„Wer für die SAP.iO Foundries arbeitet, muss stets mit dem Unerwarteten rechnen“, erklärt Kange. „Unsere Arbeit mit den jüngst abgeschlossenen Kohorten in New York und San Francisco ist ein perfektes Beispiel.“
Die beiden Kohorten zum Thema Nachhaltigkeit lieferten vor allem eine wichtige Erkenntnis: Es gab keine regionalen Unterschiede bei ihrer Herangehensweise an das Thema und beide maßen ihm auch die gleiche Bedeutung zu. Bei SAP.iO Foundries finden sich Start-ups aus der ganzen Welt. Diese Tatsache gewann noch an Bedeutung, als pandemiebedingt auf virtuelle Zusammenarbeit umgestellt werden musste.
„Nachhaltigkeit ist überall auf der Welt ein ganz großes Thema“, betont Kange. „Es gelten keine Einschränkungen für die Wertversprechen unserer Start-ups. Selbst angesichts der unterschiedlichen regionalen Vorschriften gibt es für verschiedene Standorte keine spezifische Markteinführungsstrategie auf Basis des zu lösenden Problems.“
Eines der Hauptziele der Accelerator-Programme von SAP.iO Foundries besteht darin, dass Start-ups ihre eigene Programmierschnittstelle in mindestens eine SAP-Lösung integrieren. „Bei der Auswahl von Themen für unsere Kohorten bemühen wir uns stets, wichtige globale Trends und strategische Entscheidungen zum SAP-Portfolio aufzugreifen“, versichert Kange.
Da SAP neue Nachhaltigkeitsprodukte einführte, waren Kange und ihr Team überzeugt, dass die Start-ups eines dieser Produkte zur Integration wählen würden. „Doch dem war nicht so“, sagt Kange. „Nur eine der Start-up-Lösungen wurde in eine Nachhaltigkeitslösung integriert. Alle anderen wurden in andere Lösungen aus dem Portfolio der SAP wie SAP HANA, SAP Utilities Cloud oder SAP Ariba integriert. Das führte uns wieder einmal vor Augen, dass Nachhaltigkeit kein Nischenthema ist, sondern in alles eingebettet, was wir tun, in alle Geschäftsprozesse.“
Kange, die lange im Diversity-Bereich aktiv war, weist auf die Parallele hin: „Anstatt nur eine beauftragte Person für Vielfalt und Inklusion zu haben, wurde uns klar, dass Vielfalt mehr als ein HR-Thema ist. Es ist ein wichtiger Bestandteil von allem, was wir tun.“ In den SAP.iO Foundries gab es in der Vergangenheit auch Kohorten mit von Frauen geführten und vielfältig zusammengesetzten Start-up-Teams.
Die Start-ups, die zu den Kohorten von SAP.iO Foundries kommen, stehen für gewöhnlich nicht ganz am Anfang, sondern haben möglicherweise bereits zwei oder drei Großkunden.
„Ihre Produkte sind in der Regel perfekt auf den Markt zugeschnitten und skalierbar“, berichtet Kange. „Und hier kommt SAP ins Spiel. Wir unterstützen sie bei der technischen Integration in unser Portfolio und bieten ihnen Zugang zu unserem Kundenstamm – ohne Eigenkapitalbeteiligung als Gegenleistung. Das ist im Vergleich zu anderen Accelerator-Programmen ziemlich einzigartig. Wir helfen Start-ups dabei, sich auf das Unternehmertum vorzubereiten. Eine Rolle spielt dabei auch die Signalwirkung, dass die SAP in dieses Unternehmen investiert – nicht mit unserem Geld, sondern mit unserer Zeit und unserem Markennamen.“