Auf der diesjährigen Industriemesse in Hannover vom 30. Mai bis 02. Juni verknüpfte SAP Kernthemen wie Resilienz, Nachhaltigkeit und Business Transformation mit Industrie-4.0-Szenarien.
„Endlich wieder „echte“ Messe!“ Der Stoßseufzer der Veranstalter der Hannover Messe 2022, mit dem die Verantwortlichen im Vorfeld via Internet auf das Live-Ereignis hingewiesen haben, klingt nach Aufbruch – und drückt gleichzeitig den Wunsch der Branche nach Normalität aus. Schließlich musste der Event in den beiden vergangenen Jahren abgesagt werden.
Logistikprobleme als Bremser
Deshalb sind dieses Jahr viele Aussteller mit gemischten Gefühlen in die niedersächsische Landeshauptstadt gereist. Wird das Fachpublikum in Scharen strömen? Und wie werden sich die Geschäfte entwickeln?
Zwar könne beispielsweise der deutsche Maschinenbau laut seiner Branchenorganisation VDMA auf ein „sehr hohes Auftragspolster“ blicken; doch gleichzeitig warnt Gunther Kegel, Präsident des Verbandes der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI, vor den Auswirkungen des Corona-bedingten Stillstands in China. Die mehrwöchige Auszeit werde „einen Schock durch die Lieferketten der Welt jagen, dessen Folgen wir erst in sechs bis acht Wochen sehen werden. Da kommt noch etwas auf uns zu“, so Kegel in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Derzeit können Experten kaum prognostizieren, wie lange die weltweiten Logistikprobleme noch anhalten werden. Umso wichtiger ist es, die Lieferketten so robust wie möglich zu machen und auch längerfristig gegen Risiken zu wappnen. Resilienz – also Widerstandsfähigkeit – sowie Nachhaltigkeit waren mit die prominentesten Themen auf der Hannover Messe und wurden vor allem von den dort vertretenen Technologieunternehmen in den Mittelpunkt ihres Messeauftritts gestellt.
Vertikale und horizontale Integration
Die SAP konzentrierte sich in Hannover auf Showcases und Produktvorstellungen für die Fertigungs- und die Prozessindustrie – und darauf zu zeigen, wie Industrie-4.0-Prozesse den Weg für kundenorientierte, widerstandsfähige und nachhaltige Unternehmen bereiten.
„Industrie 4.0 ermöglicht nachhaltige Geschäftsprozesse und widerstandsfähige Lieferketten, indem sie Verknüpfungen schafft“, sagt SAP-Produktvorstand Thomas Saueressig im Video-Interview. So würden auf der vertikalen Ebene Maschinendaten mit Geschäftsprozessen verbunden. Die horizontale Integration entlang von „Design to operate“ schaffe Verbesserungen bei der Produktion von Gütern und trage beispielsweise dazu bei, Müll zu vermeiden, meint Saueressig.
Wie das im konkreten Anwendungsfall aussehen kann, zeigte die SAP in ihrem „Live Forum“ anhand eines Beispiels zur Produktion von Milchshakes in Flaschen. In der Präsentation wurde vorgestellt, wie das SAP-System verschiedene Produktkomponenten inklusive Verpackung hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit überprüft und auf Basis der aktuellen Produktausstattung auf daraus resultierende, mögliche Konsequenzen hinweist.
So kann eine Verschlusskappe aus Plastik in vielen Ländern zusätzliche Gebühren bei der Distribution des Produktes nach sich ziehen. Solche „Insights“ sind hilfreich, wenn ein Unternehmen seine Herstellungsprozesse nachhaltiger gestalten will und künftig auf ein verantwortungsvolles Produktdesign setzt.
Das „Live Forum“ war ebenfalls Bühne für unterschiedliche Kundenpräsentationen aus der industriellen Praxis – um beispielsweise zu veranschaulichen, wie Digitalisierung und Business Transformation in Zeiten von Industrie 4.0 Hand in Hand gehen.
So stellte Sascha Rowohl (IT-Leiter Schwarz Produktion) vor, wie die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) ihre digitale Kaffeerösterei mit SAP-Hilfe in nur 18 Monaten umgesetzt hat. Die vollautomatisierte Fabrik wurde als Greenfield-Projekt konzipiert und soll ihre Produktionskapazität bis Ende diese Jahres auf rund 50.000 Tonnen Kaffee ausweiten. Das entspricht rund 10 Prozent der in Deutschland hergestellten Gesamtmenge an Kaffee – die komplett in den eigenen Märkten vertrieben wird.
Implementiert wurden dabei unter anderem die Lösungen SAP Digital Manufacturing Cloud, SAP Extended Warehouse Management, SAP Intelligent Asset Management und SAP Analytics Cloud. Die Anbindung an das hauseigene SAP-ERP-System erfolgt über Konnektoren. Laut Rowohl will die Schwarz-Gruppe nach und nach weitere Fabriken anderer Produktgruppen digitalisieren. Interessant ist dabei, dass der Konzern mit dem Entsorger Prezero einen neuen Geschäftsbereich aufgebaut hat. Damit ist die Unternehmensgruppe in der Lage, ihre Wertschöpfungskette von der Produktion bis zur Abfallverwertung zu erweitern.
Kunst und großes Kino
Greifbare Beispiele wie der Vortrag zur digitalen Kaffeerösterei stießen beim Messepublikum auf reges Interesse. Nach zögerlichem Start zu Beginn des ersten Veranstaltungstages füllten sich langsam die Hallen. Am Zugang zum SAP-Stand in Halle 4 sorgte der Meta Cube als „Eye Catcher“ für Aufmerksamkeit: Ein von Farben und künstlichem Licht durchfluteter Kubus, in dem ein Roboterarm von Kuka IT-Begriffe – etwa „Business Transformation“ – auf einen transparenten Spiegel schrieb. Die Installation war sicherlich das am meisten fotografierte Motiv in Halle 4.
Ebenfalls gut besucht war ein Theaterbereich („Gate to Walldorf“), wo Interessenten das Zusammenspiel zwischen maschinellen Prozessen und technologischer Steuerung per Livestream verfolgen konnten. Die Szenarien sind in der SAP-Firmenzentrale in Gebäude 21 aufgebaut und wurden für die Messe nach Hannover auf den SAP-Stand übertragen. SAP-Mitarbeitende in Walldorf erklärten die gezeigten Sequenzen Schritt für Schritt, während am SAP-Stand Moderatoren und Moderatorinnen nach der Vorführung Fragen aus dem Publikum entgegennahmen.
Passende Partner ergänzten mit ihrer Präsenz auf dem Stand in Halle 4 den Auftritt der SAP in Hannover. Dazu gehörte Catena-X. In dem offenen Eco-System sollen sich künftig Geschäftspartner aus allen Bereichen der Automobilbranche – inklusive kleiner Zulieferer – einbringen können. Ziel ist es, die Chancen der digitalen Transformation mit Hilfe einer einheitlichen und vernetzten Dateninfrastruktur entlang künftiger Wertschöpfungsketten zu nutzen. Laut Dr. Florian Patzer vom Fraunhofer – wie die SAP eine treibende Kraft im Netzwerk – wurden inzwischen elf Anwendungsfelder definiert, darunter die Bereiche Instandhaltung, Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit.