Vier Jahrzehnte lang hat der SAP-Software-Ingenieur Uwe Wahlig intuitiv das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung auf sich und seine Flugzeuge angewandt. Jetzt ist er auf dem höchsten Niveau des Leistungssegelflugs angekommen.

Das ungeschulte Auge sieht es nicht, aber das Segelflugzeug, mit dem Uwe Wahlig am Wettbewerb teilnimmt, hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Mehr als 40 Jahre sowie drei Generationen von Flügelprofilen und andere Design-Änderungen trennen sein Modell von den modernen Segelflugzeugen. Doch der amtierende Weltmeister im Segelfliegen in der Clubklasse bleibt seiner bewährten LS-3 aus dem Jahr 1977 treu.

Wahlig, der als Senior Developer bei der SAP arbeitet, hat eigentlich überhaupt nichts gegen technologischen Fortschritt. Wenn er aber einen Wert in etwas erkennt, hält er daran fest und verbessert es. Das trifft auf viele Bereiche in seinem Leben zu. Ganz besonders deutlich wird es allerdings an seinem Segelflugzeug-Oldtimer. Der Pilot mit den langen Haaren schafft es mit seiner LS-3 „November Sierra“ regelmäßig an die Spitze, wenn er gegen die besten Piloten und Flugzeuge der Welt antritt.

Feeling Free – The Story of World Gliding Champion Uwe Wahlig | SAP

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Das Ganze könnte fast ein bisschen an Björn Borg und seinen Comeback-Versuch im Tennis erinnern, als er 1991 mit einem Holzschläger gegen die modernen Schläger aus Carbon konkurrieren wollte. Doch Wahligs Leistungen sprechen für sich: Im Juni belegte er bei der Deutschen Meisterschaft in Zwickau einen hervorragenden vierten Platz in der 15-Meter-Klasse – an seinem schnellsten Tag erreichte er sogar Platz 1 der Tageswertung.

Er geht es allerdings nicht in erster Linie um den Sieg, sondern vielmehr um die Freude am Fliegen. Bei der Deutschen Meisterschaft applaudierten ihm die anderen Piloten. Wahlig ist nämlich nicht nur für sein fliegerisches Können bekannt, sondern wird in der Community auch für seine ruhige Art, seinen Sportsgeist und seine Gelassenheit geschätzt.

Immer wieder optimieren

Hinter Uwe Wahligs ruhigem Auftreten steckt eine glühende Leidenschaft für Segelflug-Wettbewerbe. Dazu gehört auch, dass er alles daran setzt, sich selbst und sein Flugzeug zu optimieren. Wenn er sich auf einen Wettbewerb vorbereitet, überlässt er nichts dem Zufall. Er prüft immer ganz genau die geographischen und klimatischen Gegebenheiten des jeweiligen Ortes. Beim Fliegen gibt es unzählige Variablen, die ein Pilot berücksichtigen muss. Und er kennt sie alle. „Man hat immer die Wolken und den Boden im Blick, damit man eine Vorstellung von der Thermik bekommt. Während des Wettbewerbs muss man alles optimal hinbekommen“, erklärt Wahlig.

Die Leidenschaft, Dinge zu optimieren, zeigte sich bereits in seiner Kindheit, als er Modellflugzeuge baute und in die Lüfte schickte. Zunächst ließ er bei seiner Großmutter Papierflieger aus dem Fenster im zweiten Stock auf das Nachbargrundstück fliegen. Irgendwann fing er an, seine ersten Modellflugzeuge aus Balsaholz zu bauen. „Mein Vater war am Anfang nicht gerade beeindruckt von meinen Modellen. Aber mit der Zeit wurden sie immer besser“, erinnert sich Wahlig.

Bald begann er seine Modellflugzeuge mit seinen Freunden bei der nahe gelegenen Segelfluggruppe Bensheim zu testen und zu verbessern. Mit 17 erwarb er seine Segelfliegerlizenz und gewann bereits im Alter von 19 Jahren seinen ersten Jugendwettbewerb im Segelfliegen. Mit den Flugzeugen des Vereins, die damals meist aus Holz gefertigt waren, überlegte er sich schon damals immer wieder neue Möglichkeiten, seine Flugfähigkeiten zu verbessern. Auf seinem Weg zum Weltmeister wandte er intuitiv die „kontinuierliche Verbesserung“ an, eine weithin anerkannte Methode der Softwareentwicklung, bei der schrittweise Änderungen vorgenommen werden, die den Endbenutzern einen unmittelbaren Mehrwert bringen.

Als Softwareentwickler bei SAP ist Wahlig detailorientiert und daran gewöhnt, die neueste Technologie anzuwenden, um den Betrieb von Unternehmenssoftware für Hunderttausende von Geschäftskunden weltweit zu testen und zu optimieren. „Ich setze die gleiche Konzentration, die ich bei Segelflugwettbewerben an den Tag lege, bei der Verbesserung von Softwarelösungen ein“, sagt er. Dank der flexiblen Arbeitsbedingungen bei SAP konnte der Segelflieger seine Fähigkeiten verfeinern und an Wettbewerben in ganz Europa und darüber hinaus teilnehmen.

Grenzen austesten

Wahlig zeichnet sich dadurch aus, dass er sich und seine LS-3 immer wieder neu herausfordert. Indem er die Flugeigenschaften und die Ausstattung überarbeitet hat, kann er mit dem alten Flugzeug die bestmögliche Leistung erzielen. So hat er unter anderem Winglets und Mückenputzer angebracht, um den Luftwiderstand zu verringern und die Gleitzahl zu erhöhen. Außerdem hat er Instrumente eingebaut, die ihn bei der Navigation und der Bestimmung des maximalen Aufwinds unterstützen. Wahlig ist überzeugt: „Ein gutes Flugzeug und ein guter Pilot sind wichtig. Aber für die letzten beiden Prozent Leistung braucht man gute Instrumente.“

Bei der Deutschen Meisterschaft in Zwickau war Wahlig klar: An Tagen mit sehr starker Thermik würde er nicht gegen die modernen Segenflugzeuge ankommen. Doch Wettbewerbe werden bei unterschiedlichen Wetterbedingungen ausgetragen, und an Tagen mit schwacher Thermik oder wechselhaftem Wetter könnten leichtere Flugzeuge wie seine LS-3 im Vorteil sein.

Seine Strategie ging auf: Es gab einige herausfordernde Flugtage, doch er bewahrte stets einen kühlen Kopf und konnte durchgängig gute Ergebnisse erzielen. Beim Fliegen verbringt man manchmal bis zu fünf Stunden in derselben Position – halb sitzend, halb liegend. Zur Entspannung zwischen den Flügen praktiziert Wahlig daher Yoga. „Das holt einen zurück auf den Boden, wenn man so lange in der Luft war“, findet er. Außerdem ist er dadurch flexibler im Schulter-Nacken-Bereich und hat so einen besseren Blick aus dem Cockpit.

Wahlig ist der Meinung: „Gut vorbereitet zu sein, konsistent zu handeln und unnötige Fehler zu vermeiden, ist oft wichtiger als das Flugzeug, das man fliegt.“ Er ist überzeugt, dass er durch die letzten Wettbewerbe noch besser die Einschränkungen und Stärken seines 45 Jahre alten Segelflugzeugs kennenlernen konnte. „Ich habe viele neue Ideen und habe meine Art zu fliegen in letzter Zeit sehr verbessert“, erzählt Uwe, ohne jedoch seine Geheimnisse preiszugeben.

Gerade bereitet sich Uwe Wahlig auf die nächsten Wettbewerbe vor, um seine Spitzenposition bei der Segelflug-Westmeisterschaft 2023 in Australien zu verteidigen. Eines ist sicher: Auch dort wird er seine treue LS-3 so schnell wie möglich zwischen den Wolken hindurchsteuern.