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Ein Team bei SAP stellt die Weichen für die Einführung digitaler Zwillinge, die Anlagenbetreibern, Geräteherstellern und Designern Mehrwert bieten. Als Grundlage dafür dient Technologie, die in Norwegen entwickelt wurde.

Digitale Zwillinge sind virtuelle Abbildungen ihrer realen Gegenstücke und werden in nahezu allen Branchen genutzt, in denen hochwertige Anlagen betrieben werden und Ausfallzeiten äußerst kostspielig sind. Sie werden unter anderem für Windparks, Brücken, Kräne und Strukturen unter Wasser eingesetzt. Prognosen zufolge werden die Anwendungsbereiche für diese Technologie in Folge der Digitalisierung weiter zunehmen. Einige Experten gehen davon aus, dass digitale Zwillinge das Rückgrat des Industrie-4.0-Zeitalters bilden werden.

Einige der komplexesten und leistungsfähigsten digitalen Zwillinge basieren auf technischen Simulationsmodellen. Systeme dieser Art erfassen wichtige Betriebsdaten und liefern so Statusberichte und Prognosen im Hinblick auf den Verschleiß und möglichen Ausfall physischer Anlagen.

Martin Hasle, Head of Customer Success bei SAP Enterprise Product Development, Connected Products, leitet ein Team aus rund 30 Softwareentwicklern und Maschinenbauingenieuren in Trondheim, Norwegen. Er und seine Mitarbeitenden sind Vorreiter auf dem Gebiet der simulationsbasierten Technologie für digitale Zwillinge im Bereich Industrieanlagen. Durch die Akquisition des norwegischen Unternehmens Fedem Technology AS im Jahr 2016 gelang es der SAP, sich umfassendes Know-how bei der Anwendung technischer Simulationsmodelle für die Erstellung digitaler Zwillinge anzueignen und auf diese Weise ihr Portfolio für Industrie 4.0 und Anlagenmanagement zu erweitern.

Seitdem hat das Team in Trondheim erfolgreich cloudbasierte digitale Zwillinge für einen abgelegenen Windpark (Arctic Wind), eine in die Jahre gekommene Brücke (im Auftrag der norwegischen Straßenbaubehörde Statens vegvesen), eine Lachsfarm vor der Küste Norwegens (Nordlaks) und eine Photovoltaikanlage in der Wüste Chiles (ENGIE Chile) entwickelt.

SAP-Kunde Nordlaks beispielsweise nutzt die Technologie im Rahmen seines Kontroll- und Überwachungssystems für Havfarm 1, eine der weltweit größten Hochsee-Fischzuchtanlagen. „Die Bewegungen und Belastungen, denen das Schiff ausgesetzt ist, werden in Echtzeit überwacht. Die Besatzung kann dadurch sichere Ballastmanöver für den Rumpf durchführen, um den Schiffsbetrieb an die Seeverhältnisse vor der Küste Norwegens anzupassen“, erklärt Hasle.

„Unsere Lösung bietet uns die einzigartige Möglichkeit, aktuelle Sensordaten zu nutzen, um in einer Cloudlösung technische Simulationsmodelle in Echtzeit zu erstellen.“ Laut Hasle ist Echtzeitüberwachung und -kontrolle besonders wichtig für Anlagen, bei denen schnelles Handeln gefragt ist – etwa wenn die Produktion durch Maschinenausfälle oder strukturelle Schäden beeinträchtigt werden könnte.

Norwegen hat sich als idealer Teststandort für die dort entwickelte Technologie für digitale Zwillinge erwiesen: „Da dies ein kleineres Land mit starker Affinität zu neuer Technologie ist, ist es relativ leicht, Projekte im Frühstadium aufzusetzen, um neue Lösungen zu testen“, betont Hasle. „Dank des hohen Vertrauens der verschiedenen Interessengruppen lassen sich Pilotprojekte relativ einfach und problemlos durchführen.“

„Mit unserem Angebot sind wir anderen voraus“

Das Interesse an digitalen Zwillingen wächst stetig – insbesondere in Bezug auf Technologien, die auf physischen Simulationsmodellen basieren und operative Daten in Echtzeit liefern. Hasle betont jedoch, dass Unternehmen einige Vorbereitungen treffen müssten, um sämtliche Vorteile dieser Projekte nutzen zu können. „Auch wenn viele Kunden mehr über die Technologie erfahren möchten, können wir sehen, dass wir mit unserem Angebot anderen voraus sind. Wir haben beobachtet, dass Kunden die Vorteile der Echtzeit-Datenerfassung maximieren können, indem sie ihre internen Prozesse auf diese neuen Möglichkeiten abstimmen“, so Hasle.

Die SAP ist dabei, ihr Angebot für digitale Zwillinge mit Standard-Cloudsoftwarepaketen für Industrieanlagen im mittleren Preissegment zu erweitern – zum Beispiel für Kräne, Ventile und Pumpen. Die meisten großen Hersteller solcher Industrieanlagen nutzen technische 3D-Simulationsmodelle für ihre Anlagen. In der Vergangenheit kamen diese Modelle nur während der Produktentwicklung zum Einsatz und wurden anschließend nicht mehr benötigt. Wenn während des Betriebs Sensordaten eingesetzt werden, können sie jedoch auch im Anlagenmanagement äußerst nützlich sein.

„Indem wir diese technischen Modelle mithilfe unserer Technologie für digitale Zwillinge anpassen, vergrößern wir unseren Zielmarkt und fördern die Akzeptanz in allen Branchen“, erläutert Ismail Serin, Leiter für Produktmanagement im Bereich PLM bei der SAP. „So können Kunden digitale Zwillinge in ihre Systeme für das Product Lifecycle Management (PLM) integrieren“, führt er weiter aus. Die SAP arbeitet außerdem mit Siemens und Ansys zusammen, um erweiterte Funktionen für die vorausschauende Instandhaltung und den Betrieb von Industrieanlagen zu entwickeln.

Digitale Zwillinge helfen, neue Möglichkeiten für Serviceerlöse zu erschließen

Nicht nur Anlagenbetreiber sind von den Möglichkeiten digitaler Zwillinge begeistert. Auch Designer und Hersteller profitieren von den Daten, die während der gesamten Lebensdauer einer Anlage gesammelt und dazu verwendet werden können, die Anlage über alle Phasen des Produktlebenszyklus hinweg zu optimieren. Dieser Prozess wird als „Closed Loop Engineering“ bezeichnet.

Bei der Havfarm 1 etwa, der ersten Hochsee-Lachszuchtanlage ihrer Art, helfen Sensordaten dabei, potenzielle Problempunkte in der Struktur zu identifizieren. Anhand dieser Erkenntnisse können Designer ermitteln, wie sie die strukturelle Integrität anderer Schiffe verbessern können.

Bis vor kurzem gab es für Gerätehersteller nur wenige Gründe, ihre technischen Modelle Anlagenbetreibern zugänglich zu machen. Heute sieht die Sache jedoch ganz anders aus: Die SAP fördert die Einführung digitaler Zwillinge, indem sie den Weg für ein neues Geschäftsmodell ebnet, mit dem Erstausrüster neue Möglichkeiten für Serviceerlöse erschließen können, wenn sie ihre Produktdaten mit anderen teilen.

Mit SAP Subscription Billing können sie beispielsweise Anlagebetreibern ihre aktuellen Simulationsmodelle auf Abonnementbasis zur Verfügung stellen. Die Anlagenbetreiber können die Modelle dann in ihre Programme für die vorausschauende Instandhaltung integrieren und Kosten sparen. „So können beide Seiten Nutzen aus der Technologie ziehen. Außerdem steigern wir auf diese Weise die Akzeptanz im Markt“, erklärt Serin.

„2016 erfolgte die Akquisition des Unternehmens Fedem Technology, einem führenden Anbieter für digitale Zwillinge. Damit konnte die SAP eine Brücke zwischen der Produktentwicklung und dem Anlagenbetrieb schlagen und so einen lückenlosen Informationsfluss für technische Simulationsmodelle ermöglichen“, so Serin. „Durch den Einsatz dieser Modelle im operativen Betrieb können unsere Kunden Wartungsprognosen erstellen und Abläufe optimieren.“

SAP Enterprise Product Development für vernetzte Produkte ist eine Product-Lifecycle-Management-Suite in der Cloud, mit der SAP-Kunden nachhaltige Produkte planen, entwickeln und bereitstellen können.