Wer seine Prozesse digitalisieren will, kauft sich eine Software-Lösung. So ist das heute. Doch ERP-Anwendungen von der Stange sind ein Auslaufmodell. In Zukunft könnten Geschäftsprozesse als Services aus der Cloud kommen. Eine Vision.
Ob neue Lieferketten, Fachkräftemangel oder steigende Risken durch Cyber-Kriminalität: Unternehmen stehen heute in allen Geschäftsbereichen vor neuen Anforderungen, die sie nur bewältigen können, wenn sie sich kontinuierlich weiterentwickeln. Einer der entscheidenden Schritte auf diesem Weg ist die digitale Transformation als wichtiger Hebel für mehr Effizienz. Das Beratungsunternehmen McKinsey stellt dazu allerdings klar: Die alleinige technische Transformation greift zu kurz. Ohne Business Transformation werden Unternehmen nicht in der Lage sein, die Ziele zu erreichen, die sie in ihren Business Cases identifizieren.
„In einer Welt, die sich ständig verändert, müssen Unternehmen schnell auf sich verändernde Anforderungen reagieren“, sagt Alexander Michnov, Head of Strategic Sales RISE. Das richtige Cloud-ERP ist dabei für jedes Unternehmen entscheidend, um diese Herausforderung zu meistern.“
ERP im Wandel: SAP S/4HANA schafft echte Modularität
Was bedeutet das für das ERP der Zukunft? Dazu zunächst ein Blick zurück: Für Anwender bedeutete der Sprung vom Monolithen SAP R/3 auf SAP ECC, dass sie erstmals fachbereichs- und branchenbezogene Funktionen modular zu ihrem ERP hinzukaufen konnten. Diese Module waren zwar technisch sehr eng miteinander verzahnt, so dass jede Änderung eines Fachbereichsmoduls oder einer Industrie-Lösung (IS) Auswirkungen auf die anderen, wie auch auf den ERP-Kern, hatte. Doch der SAP R/3 Monolith war aufgebrochen.
Die Nachfolgegeneration, das aktuelle SAP S/4HANA, konnte demgegenüber einen Entwicklungssprung vollziehen: Dieses ERP-System beruht auf einer Architektur, die den Kern mit den ERP-Standardfunktionen streng von kundenspezifischen Funktionserweiterungen trennt. Fachbereichs- wie auch Industriefunktionen lassen sich modular ergänzen – mit Modulen, die unabhängig voneinander implementiert, eingesetzt und bei Bedarf auch wieder entfernt werden können. „Das macht die Lösung in volatilen Zeiten und in einem dynamischen ökonomischen Umfeld für Anwender hoch flexibel“, erläutert Michnov. Sie ist damit im Vergleich zum Monolithen von einst schlank, schnell und agil. Doch lässt sich dieses System weiter aufbrechen und wird es dadurch noch schlanker, schneller und agiler?
SAP S/4HANA verdankt seine modulare Architektur drei technischen Innovationen, die der aktuellen ERP-Software als Sprungbrett in die nächste Generation dienten:
- die Datenbank SAP S/4HANA für Echtzeit-Datenanalysen
- die Ausrichtung von SAP S/4HANA auf die Cloud als Basis für Geschwindigkeit und Innovation, und drittens
- die SAP Business Technology Platform (SAP BTP)
Modularität findet in der SAP S/4HANA-Welt auf der BTP statt – sie liefert alle Schnittstellen außerhalb des S/4-Kerns und ist somit die Plattform, die alles zusammenhält. So werden Fachbereichs- und Industriemodule nach Bedarf über die BTP an den SAP S/4HANA Kern mit den Standardfunktionen angedockt. Auch kundenindividuelle Erweiterungen (Apps) in Form von Software-as-a-Service – entwickelt von SAP, ihren Partnern oder den SAP-Kunden – finden auf der BTP statt.
ERP-Vision: Business Process as a Service wird die Lösungsmodule von heute ersetzen
In Zukunft könnte sich diese Struktur nun insofern wandeln, als dass der SAP S/4HANA Kern mit den Standard-ERP-Funktionen und den Fachbereichs- und Industriefunktionen zu einer modularen und für das Ökosystem auf der Business Process Platform (BTP) offenen Schicht wird. Hier wird es – in Gestalt der genannten SaaS – nun derart granulare Module geben, dass sie hinunter bis zu den kleinsten Teilprozessen reichen. „Unsere Vision ist, dass sich diese Teilprozesse auf der BTP wie bei einem Auto-Konfigurator per Klick zum gewünschten Geschäftsprozess zusammenstellen lassen“, erklärt Carl-Philipp Müller, Director SAP Cloud Services beim SAP-Partner Nagarro. Ein neuer Service wäre geboren: Business-Process-as-a-Service (BPaaS).
Ein konkreter Anwendungsfall etwa aus dem Bereich Professional Services könnte demnach wie folgt aussehen:
Der Sales Representativ Schulz des IT-Dienstleisters X ermittelt eine Opportunity. Er setzt sich mit seinem Kontakt in Firma Y in Verbindung. Es kommt zum Geschäftsabschluss (SAP CRM). Schulz erfasst den Auftrag im ERP seiner Firma. Sein Kollege Maier übernimmt die Projektleitung und stellt ein Team für die Projektumsetzung zusammen (SAP Success Factors). Zum Projektstart reist Maier zu dem neuen Kunden (SAP Concur) und hält dort einen Workshop ab. Er erfasst seine Arbeitszeit sowie die Ergebnisse des Workshops (SAP CATS), macht eine Reisekostenabrechnung und meldet alle Aufwände dem ERP zurück, damit diese dem Kunden in Rechnung gestellt werden können. Nach Projektabschluss will das Controlling die Rentabilität des Projektes prüfen und ermittelt dafür KPIs (SAP Analytics Cloud).
Warten auf den nächsten Technologieschub
Wer mitgezählt hat, wird feststellen: Aktuell wären sechs Systeme notwendig, um diesen Prozess in SAP S/4HANA abzubilden. In der Zukunft werden Anwender nur mehr die einzelnen Komponenten dieses Geschäftsprozesses auf der BTP per Klick auswählen und erhalten von SAP die dazugehörige Oberfläche zur Verfügung.
Doch damit die Vision Business Process as a Service zur Realität wird, müssen erst die Grundlagen geschaffen werden:
- Die auf der BTP entwickelten Apps müssen in Echtzeit auf alle Funktionen des ERP-Kern und der ERP-Module zugreifen können. Dafür muss diese Schicht vollständig hinter die BTP zurücktreten – kurz: die Integration und die Kommunikation der einzelnen Bausteine untereinander muss zur Commodity werden. Es wird dann nicht mehr auf einzelne Lösungen (SAP Success Factors oder SAP Concur), sondern nur noch auf die dahinterliegenden Funktionen ankommen.
- Das wiederum wird nicht ohne einen weiteren Technologieschub möglich sein, von dem wir weder wissen, wie er aussieht, noch wann er kommen wird. Was wir wissen, ist nur: Innovationszyklen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verkürzt. Auch, wenn es sich um eine Vision handelt, könnten die technischen Voraussetzung dafür schneller vorliegen als wir heute vermuten.
Rollenwechsel: Die SAP-Partner werden zum Prozessberater
Die SAP-Partner, aber auch die SAP selbst, werden eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung von BPaaS spielen. „Das wird sie in eine neue Rolle gegenüber ihren Kunden bringen“, führt Müller aus. Sie werden vom reinen Implementierungspartner zum Prozessberater transformieren. „Das ist ein tiefgreifender Wandel, der erfordert, dass sie sich personell, organisatorisch und prozessual neu ausrichten“, sagt Müller und ergänzt: „Das wird zu einer neuen Form der Zusammenarbeit zwischen der SAP und ihren Partnern führen, in der der Austausch über Kundenprozesse viel mehr ins Gewicht fallen wird.“
Individuelle Geschäftsprozesse, die durch das lösungsübergreifende Verknüpfen von Funktionen aus der SAP-Applikationswelt entstehen, lassen sich übrigens bereits heute realisieren. Allerdings geschieht dies manuell und bedarf neben profunden Kenntnissen der SAP-Lösungen auch Entwickler-Knowhow, was derzeit nur die SAP oder ihre Partner liefern können. Damit Geschäftsprozesse zum einfachen Cloud-Service werden, fehlt aktuell noch der entscheidende technologische Kick oder – um es in „Silicon-Deutsch“ zu sagen – die Killer-Technologie.
Tipps für Anwender: So bereiten Sie BPaaS schon heute den Weg
Wer diese spannende und zukunftsweisende Entwicklung mitgehen möchte, kann schon heute das technische und prozessuale Fundament dafür legen. Alexander Michnov rät Anwendern:
Erstens: Lassen Sie bei der Business Transformation Disziplin walten: Bleiben Sie bei der Implementierung Ihres ERP so nahe wie möglich am Standard. Halten Sie den ERP-Kern sauber und verlagern Sie alle Erweiterungen und Anpassungen in die Business Technology Platform, die dafür alle Tools und Technologien bereithält.
Zweitens: Nutzen Sie diese Technologien für die Business Transformation Ihrer Organisation und widerstehen Sie der Versuchung, das Naheliegende oder Offensichtliche zu tun. Richten Sie sich vielmehr an Best Practices aus, auch wenn dies zu Disruptionen auf der prozessualen Ebene führt. Nur so wird Ihnen eine vollständige Transformation gelingen, die nicht auf der technischen Ebene verharrt.
Drittens: Wenn Sie sich fragen, wie der Blick über den Tellerrand gelingen kann und wie Sie die Business Transformation mit der nötigen Weitsicht vorantreiben können – dann setzten Sie auf das Knowhow der Experten und transformieren Sie mit dem SAP RISE Modell.