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Geschäfte werden zwischen Menschen getätigt. SAP Chief Futurist Martin Wezowski schlägt einen Technologieansatz vor, der Menschen priorisiert und eine „harmonische Symbiose“ ermöglicht.

Technologie ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, und oft wären wir ohne sie verloren. Oder wann haben Sie zuletzt auf einer Straßenkarte nach der besten Route gesucht, anstatt das Navigationsgerät einzuschalten?

Doch mitunter kann uns Technologie auch in den Wahnsinn treiben – insbesondere, wenn das fragliche Gerät nicht versteht, was wir von ihm wollen.

„Wir brauchen keine neue Sichtweise auf Technologie, sondern vielmehr einen Paradigmenwechsel hin zu gegenseitigem Verständnis: eine harmonische Symbiose zwischen menschlicher Erfindungsgabe und maschineller Intelligenz“, erklärt SAP Chief Futurist Martin Wezowski.

Im Umgang mit Technologie macht sich Ernüchterung breit

Trotz der immensen technischen Entwicklung – von der Entdeckung des Feuers über die Erfindung des Rads bis hin zu Lesebrillen und Medikamenten – haben wir erkannt, dass Technologie ein zweischneidiges Schwert ist.

Zwar ist Technologie in unserem Arbeitsleben und in unserer Freizeit allgegenwärtig, doch macht sich eine gewisse Ernüchterung breit, was den technologischen Fortschritt betrifft. Unsere generell zuversichtliche Einstellung gegenüber den Vorteilen dieses Fortschritts wird durch das Wissen infrage gestellt, dass Technologie manchmal neue Probleme mit sich bringen kann, etwa Datenschutzprobleme, die Verbreitung von Falschinformationen und Cyberkriminalität.

Und tatsächlich befürchten manche, dass der Mensch mit der rasanten technischen Entwicklung nicht Schritt halten kann. Sie machen sich Sorgen, dass sie infolge von Automatisierung arbeitslos werden oder aufgrund bestimmter Informationen in all den Daten, die über uns gesammelt werden, von Versicherungsunternehmen abgelehnt werden könnten. Und es gibt die latente Angst, dass Maschinen irgendwann intelligenter sein werden als die Menschen, die sie entwickeln und nutzen.

„Es liegen allerdings noch viele Jahre vor uns, in denen der Erfindungsgeist und die kreativen Ideen des Menschen die wichtigste Intelligenz bleiben werden“, versichert Martin Wezowski. „Doch welche Folgen hat es, wenn viele Menschen mit der Art und Weise, wie Dinge heute funktionieren, nicht zufrieden sind? Systeme, die mir das Leben eigentlich leichter machen sollen, fordern mich noch immer auf, Formulare auszufüllen und meine Anmeldedaten von Hand einzugeben.“

Gezielte Unterstützung, damit mehr Zeit für strategische Aufgaben bleibt

„Im Großen und Ganzen sind wir in der Arbeitswelt noch immer Jäger und Sammler“, führt Martin Wezowski aus. „Wir müssen tagtäglich so viele Dinge aktiv suchen: Telefonnummern, Dateien oder Kundennummern.“

Durch Human Augmentation, also die Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten um maschinelles Wissen, lassen sich diese profanen Details jederzeit umgehend abrufen. Maschinen können mit großen Datenmengen schlicht besser umgehen. Es gibt jedoch auch Dinge, die Maschinen nicht begreifen können, für Menschen jedoch selbsterklärend sind.

„Einer Maschine verständlich zu machen, warum man jeden Morgen aufsteht und zur Arbeit geht, ist nicht einfach“, erklärt Martin Wezowski. „Wie kann ich einer Maschine erklären, was ich damit bezwecke? Wie lassen sich die Vision meines Unternehmens und unsere Ziele und Überzeugungen in das Verständnis einer Maschine übersetzen?“

Es genügt daher nicht, Technologien zu optimieren, indem wir Maschinen schneller und zuverlässiger machen, sie mit immer mehr Daten füttern und bessere Algorithmen entwickeln. Vielmehr muss Technologie das Leben der Menschen optimieren: ihren Arbeitsalltag, ihre Gewohnheiten und ihre Interessen. Also die Dinge, die uns Menschen wirklich wichtig sind. Den Menschen zu verstehen, für den die Software entwickelt wird, ist dabei nur der erste Schritt.

„Das Arbeitsleben fordert uns heute schon sehr stark. Wir benötigen vielfältige Unterstützung, um den Tag über zu funktionieren und zu reflektieren, wo wir stehen“, erklärt Martin Wezowski. „Die Flut von Informationen, die wir erzeugen und die wir verinnerlichen und verstehen müssen, um Entscheidungen zu treffen, bringt uns an unsere kognitiven Grenzen, selbst wenn wir acht Stunden schlafen und täglich meditieren.“

Wenn Maschinen diese kognitive Belastung mit uns teilen oder sie uns gar abnehmen, können wir uns gezielt strategischen und visionären Überlegungen widmen und es dem System überlassen, sich um profane Details zu kümmern, etwa die für die nächste Besprechung benötigten Dateien oder Kundennummern zu suchen.

Zusammengesetzte Anwendungen, die sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Nutzer orientieren

Anwendungen müssen den Kontext besser verstehen, damit sie Prozesse nicht zusätzlich kompliziert machen.

„Wir sind diejenigen, die das Kontextbewusstsein von Anwendungen verbessern können, indem wir Informationen über uns bereitstellen – sicher und nicht öffentlich zugänglich“, betont Martin Wezowski. „Genau darum geht es im Projekt DigitalMe: die Bereitstellung kontextbezogener Informationen über den einzelnen Nutzer statt einer Generalisierung individueller Probleme mithilfe von Personas.“

Ein Ansatz, bei dem der Mensch im Vordergrund steht, bedeutet die Entwicklung von Technologie, die situationsbezogen reagiert und auf unsere Bedürfnisse und Wünsche eingeht. Sie kann von unserem Verhalten lernen und uns je nach Kontext maßgeschneiderte Anwendungen bereitstellen. Denn wir alle haben mehrere Rollen: Sie können Wissenschaftlerin, Betreuerin, Mutter, Tennisspielerin usw. zugleich sein. Damit eine zusammengesetzte Software Sie beim Abholen Ihrer Tochter aus der Schule und anschließend bei den Budgetverhandlungen für Ihr nächstes Projekt unterstützen kann, müssen Anwendungen an den Anforderungen des einzelnen Nutzers ausgerichtet sein.

Abhängig von Ihrer Rolle in einer bestimmten Situation muss sich die Software, die Sie in genau diesem Moment benötigen, jedes Mal individuell zusammensetzen. Martin Wezowski ist überzeugt: Wenn die Software den Nutzer nach und nach besser kennt und er so hilft, die Software zu gestalten, spiegelt sie irgendwann den Nutzer wider. „Wir werden einander verstehen, ohne uns dafür anstrengen zu müssen. Je besser die Anwendung uns kennt, desto besser kann sie auf unsere Probleme, Anforderungen und Vorlieben eingehen. Sie kann uns – wenn wir das wollen – sogar auf unsere eigenen Gewohnheiten und Vorlieben aufmerksam machen.“

„Die Erweiterung funktioniert in beide Richtungen. Es wird mehr als eine reine Arbeitsteilung sein, bei der zwischen Aufgaben für Maschinen und Aufgaben für Menschen unterschieden wird“, führt Martin Wezowski aus. Damit diese zusätzliche Hilfe auf positive Resonanz stößt, muss sie unaufdringlich angeboten werden und die Möglichkeit zur Reflexion bieten.

„Man kann es sich vielleicht eher wie einen Gedankenfluss oder eine Diskussion vorstellen, an der man teilnimmt“, erklärt er.

Der Schreibtisch der Zukunft

„Nur das, was man braucht, und auch nur dann, wenn man es tatsächlich braucht“, fasst Martin Wezowski zusammen. „Wissen, das bereitsteht und im situativen Kontext angezeigt wird.“

Nicht der Mensch fragt: „Wie funktioniert diese Software, wo muss ich meine Benutzer-ID eingeben und worauf muss ich klicken?“, sondern die Software reagiert auf die Frage: „Wie verhält sich dieser Mensch?“ Und zwar nicht Menschen im Allgemeinen, nicht eine bestimmte Zielgruppe, sondern Kate, Ling, Samira oder João – die einzelne Person in einem bestimmten Kontext und in Echtzeit.

„Wir gehen davon aus, dass diese Art von einfühlsamer Software nicht weniger als einen kulturellen Wandel mit sich bringt“, zeigt sich Martin Wezowski überzeugt.