Menschen sind soziale Wesen: Wir brauchen Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Seit Anbeginn der Menschheit haben wir in Gemeinschaft mit anderen gejagt, gelebt und sind von einem Ort zum anderen gezogen. Warum also sollte dieser Wunsch nach sinnvollen Beziehungen zwischen Unternehmen anders aussehen?

Von Start-ups bis zu multinationalen Konzernen ist der Aufbau und die Nutzung von Geschäftsnetzwerken, um Kunden schnell und zuverlässig bedienen zu können, eine Schlüsselstrategie für Wachstum und Erfolg. Viele Lieferketten sind jedoch komplett abgeschottet und sehen keine offene Zusammenarbeit zwischen Partnern vor, sodass die Prozesse und der Datenaustausch kaum transparent sind.

Da es verstärkt zu Unterbrechungen in global vernetzten Lieferketten kommt, suchen wir nach Möglichkeiten, Barrieren abzubauen und das Potenzial wirklich kooperativer und agiler Unternehmen nutzen zu können.

Seit Jahrzehnten bildet die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen das Rückgrat des Handels und verbindet verschiedene Unternehmen, Lieferanten und Kunden in einem Beziehungsnetz, das Ressourcen- und Finanzströme ermöglicht. Diese Netzwerke wurden im Laufe der Zeit aufgebaut und sind in Bezug auf Kosten, Geschwindigkeit und Risikominimierung hochoptimiert.

In den letzten Jahren hat sich jedoch herausgestellt, dass diese Netze sehr fragil sind und bei externen Schocks schnell zusammenbrechen können. Angesichts zunehmender geopolitischer Instabilität und irreversibler Auswirkungen des Klimawandels dürfte dieses Szenario in Zukunft noch vorherrschender werden.

Antifragilität in Unternehmen: Von der Resilienz zur Anpassung

Um dem entgegenzuwirken, müssen Unternehmen ihre Arbeitsweise ändern und anpassungsfähiger werden. Laut Autor Nassim Nicholas Taleb ist es wichtig für Unternehmen, statt nach Resilienz nach „Antifragilität” zu streben. Hierunter versteht man, dass Unternehmen nicht einfach in den Zustand vor dem Schock zurückfallen, sondern aus Schocks lernen und sich weiterentwickeln sollten, um dadurch noch stärker zu werden. Deshalb sind wir der Ansicht, dass Geschäftsnetzwerke beziehungsweise B2B-Kooperationsplattformen in Zukunft offen, flexibel und interoperabel werden müssen.

Genauer gesagt, wird jedes Unternehmen in der Lage sein müssen, Geschäftsnetzwerke dynamisch neu zu bilden und bei Bedarf abhängig von externen oder internen Faktoren neu zusammenzustellen und auszurichten.

Wir bei SAP unterstützen unsere Kunden bereits hierbei. Wir haben langjährige Erfahrung mit Geschäftsprozessen und Technologien wie Blockchain und künstliche Intelligenz (KI) und sind bei den neuesten Trends stets auf dem Laufenden. Dadurch können wir Kunden bei der Bewertung und Implementierung von Innovationen unterstützen. Mit diesem Know-how möchten wir eine agile Zusammenarbeit und Transparenz auf mehreren Ebenen ermöglichen und gleichzeitig das Geschäftsrisiko minimieren. Dies kann zur Öffnung traditioneller Geschäftsprozesse und Finanzströme, unter anderem zu grenzüberschreitenden Zahlungen, führen.

Unser Ziel ist es letztendlich, starke Geschäftsbeziehungen zu fördern, indem wir eine neue Ebene der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit und der Orchestrierung von Geschäftsprozessen ermöglichen. Diese kann hybrid sein oder vollständig auf einer offenen, dezentralen Netzwerkinfrastruktur basieren, die alle Unternehmen auf einer gemeinsamen Plattform zusammenführt – unabhängig von Branche, Region oder Größe.

Beispiel: Netzübergreifendes Management digitaler Identitäten

Eine unserer vielversprechendsten Initiativen in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung eines Services für das Management digitaler Identitäten.

Identität ist ein wichtiger Aspekt bei jedem Geschäftsprozess. Das Management digitaler Identitäten ist seit langem eine Herausforderung – sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Herkömmliche Nutzer- und Passwortsysteme sind unsicher und können leicht gehackt werden, während bei Social Logins die Kontrolle über alle personenbezogenen Daten bei einem Unternehmen liegt. Dadurch, dass es keine universellen Standards gibt, ist es schwer, die Vertrauenswürdigkeit von Informationen zu gewährleisten und digitale Identitäten über verschiedene Systeme und Prozesse hinweg zu integrieren.

Hier setzt Self-Sovereign Identity (SSI) an. SSI ist der erste offene Standard für die digitale Identität im Internet, der eine Lösung für diese Probleme bietet. Mit SSI profitieren Benutzer vom gleichen Komfort wie bei Social Logins, haben aber auch die vollständige Kontrolle über ihre Daten. Dieser neue Identitätsstandard gilt nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen und Geräte wie das Internet der Dinge (IoT) und bietet weltweit eindeutige und interoperable Identitäten. Jedes Identity Wallet wird durch kryptographisch überprüfbare Anmeldeinformationen erstellt, die in einem öffentlichen berechtigungslosen Blockchain-Netzwerk verankert sind. Mit dieser Technologie können wir eine anbieterneutrale Netzwerkinfrastruktur schaffen, über die man sich leicht dem Netzwerk anschließen und vertrauenswürdige Daten austauschen kann.

Die Auswirkungen von SSI werden in vielen Softwaresystemen zu sehen sein, unter anderem in Enterprise Suites wie SAP S/4HANA und insbesondere bei Stammdaten, wo der Standard eine einheitliche Datenbasis für Stammdaten bieten und somit Onboarding-Prozesse zwischen Unternehmen deutlich beschleunigen kann. Im Blockchain-Bereich hat SSI das Potenzial, anonymen Adressen die erforderliche Glaubwürdigkeit zu verleihen und aus der Branche einen Raum für seriöse Geschäfte zu machen. Bei SAP ermöglichen wir es Kunden, Partnern und Anwendungsentwicklern, Anwendungen mit SSIs auf der SAP Business Technology Platform (SAP BTP) zu erstellen.

Die Schaffung eines universellen Identitätsstandards ist jedoch nur ein Anwendungsfall. Darüber hinaus arbeiten wir an verschiedenen anderen innovativen Anwendungsfällen, beispielsweise branchenspezifischen Geschäftsnetzwerken, einem dezentralen Finanzwesen und unternehmens- und systemübergreifenden Workflows. Unser Fokus auf Innovationen sowohl für künftige Geschäftsprozesse als auch für künftige Geschäftsentscheidungen spielt eine wichtige Rolle, um das Konzept der künftigen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen voranzubringen.

Die SAP wickelt bereits ein beträchtliches Volumen über das SAP Business Network ab – mit einem jährlichen Handel im Wert von über 4,9 Billionen US-Dollar in 190 Ländern und über 730 Millionen B2B-Transaktionen innerhalb von 12 Monaten.

Um unseren Kunden bei der Lösung der Probleme der Zukunft zu helfen, kombinieren wir diesen Vorteil mit den umfassenden Erfahrungen, die SAP-Teams in Technologiebereichen wie Blockchain, KI, Interoperabilität, Sicherheit und Geschäftsprozessen haben. Unsere Teams arbeiten eng mit der Produktentwicklung zusammen, um unsere Ergebnisse in die Roadmaps für unsere Standardprodukte einzubringen. Beispiele hierfür sind die Lösungen SAP Recommerce und Encore by SAP, die sich von internen Projekten zu festen Funktionen weiterentwickelt haben und nun den Ressourcenfluss in der Kreislaufwirtschaft verändern.


Martin Heinig ist Leiter des Bereichs New Ventures and Technologies bei SAP.
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