Regionen wie die Europäische Union (EU) und Lateinamerika setzen auf ihrem Weg zu Klimaneutralität zunehmend grünen, d. h. mit erneuerbaren Energien erzeugten Wasserstoff als strategischen Rohstoff ein. Dabei soll grüner Wasserstoff nicht nur grauen Wasserstoff als Rohstoff für die verarbeitende Industrie ablösen, sondern vor allem als Energieträger mit einem geringen Ausstoß von CO2-Äquivalenten (CO2e) genutzt werden. Er ist eine der Schlüsseltechnologien für die Dekarbonisierung von Industriezweigen wie der Stahl-, Glas- und Chemieindustrie sowie des Transportwesens.

2020 legte die EU-Kommission ihre Wasserstoffstrategie vor, nach der grüner Wasserstoff bis 2050 eine tragende Säule eines klimaneutralen Energiesystems werden soll. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Anteil von Wasserstoff am europäischen Energieverbrauch weniger als zwei Prozent. Wasserstoff wurde vorwiegend in der chemischen Industrie für die Herstellung von Kunststoffen und Düngemitteln eingesetzt. 96 Prozent dieses Wasserstoffs wurden mit Erdgas erzeugt, was hohe CO2-Emissionen zur Folge hatte.

Ein weiteres Ziel dieser Strategie besteht darin, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Durch Diversifizierung und den Zugang zu neuen Formen von erneuerbarer Energie wie Wasserstoff möchte Europa seine Energieversorgungssysteme resilienter machen.

Die Europäische Kommission hat deshalb beschlossen, bis zum Jahr 2030 zehn Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoff selbst zu erzeugen und weitere zehn Millionen Tonnen zu importieren. Zwar kann grüne Energie überall erzeugt werden, doch sind die Bedingungen für eine effiziente und kostengünstige Produktion in Ländern wie Brasilien günstiger, da dort Sonne und Wind sehr viel stärker für die Energieerzeugung genutzt werden können. Mit seinen Wasserkraftanlagen und politischen Anreizen zur Ablösung von fossilen Brennstoffen durch erneuerbare Energien ist Brasilien ein vielversprechender Kandidat für strategische Partnerschaften mit Europa, was den Handel mit grünen Kraftstoffen betrifft.

Brasilianische Unternehmen, die grünen Wasserstoff verkaufen und in Regionen wie die Europäische Union exportieren, müssen jedoch transparent nachweisen, woher dieser Wasserstoff stammt. Hierbei kommen Zertifizierungssysteme zum Einsatz.

Die öffentlich-private Partnerschaft zwischen der SAP und der GIZ

Im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen der SAP und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sollen die allgemeinen Anforderungen ermittelt und Konzepte für eine Software entwickelt werden, die eine Zertifizierung des von Brasilien an Deutschland gelieferten grünen Wasserstoffs ermöglicht. Um brasilianische Energielieferanten beim Nachweis zu unterstützen, dass ihr Wasserstoff wirklich grün ist, werden Zertifizierungsregeln evaluiert und festgelegt sowie verschiedene digitale Lösungen getestet.

© GIZ

„Mit dieser Zusammenarbeit möchten wir nachhaltige Wasserstoffprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern fördern“, erklärte Sabine Bendiek, Chief People and Operating Officer und Vorstandsmitglied der SAP SE nach der Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Übereinkunft zwischen den beteiligten Parteien. Die Erklärung wurde später bei einem Empfang für die Delegation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), an dem auch Bundesminister Robert Habeck teilnahm, von der GIZ Brasilien unterzeichnet.

„Eines der ersten Ziele der SAP im Rahmen der Partnerschaft mit der GIZ ist die Entwicklung eines Pilotprojekts, das brasilianische Unternehmen dabei unterstützen soll, die Prozesse für die Zertifizierung von Wasserstoff zu digitalisieren. Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit der GIZ bei diesem Projekt. Wir möchten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Zertifizierungsdaten in der gesamten Wertschöpfungskette manipulationssicher, kosteneffizient und nachvollziehbar ausgetauscht und evaluiert werden können“, führte Sabine Bendiek aus.

Die Lösung GreenToken by SAP sorgt beispielsweise für Transparenz in der Lieferkette mit Rückverfolgbarkeit bis zur Herkunft eines Materials. Dabei kommt eine Blockchain-basierte Kontrollkette zum Einsatz, der anerkannte Standards wie ISCC PLUS, ISCC EU und REDcert2 zugrunde liegen. Dieser einzigartige Ansatz nutzt einen digitalen Zwilling auf Basis einer Blockchain und gewährt so länderübergreifenden Einblick in ESG-Informationen (Umwelt, Gesellschaft und Governance) etwa zur Herkunft eines Rohstoffs, zu Kinderarbeit sowie zum Recycling- und/oder Nachhaltigkeitsstatus.

Eine grüne Wasserstoffwirtschaft aufbauen

„Brasilien hat die idealen Voraussetzungen, zum Global Player in diesem Bereich zu werden. Unter anderem hat das Land die nötige Infrastruktur, um einen bedeutenden Inlandsmarkt zu schaffen und sich als wichtiger Exporteur von grünem Wasserstoff zu etablieren. Damit ist Brasilien ein attraktiver Partner für Länder wie Deutschland, die grünen Wasserstoff importieren möchten“, erklärte Dr. Markus Francke, stellvertretender Landesdirektor der GIZ in Brasilien. „Das Projekt hilft brasilianischen Wasserstoffunternehmen, die ihre Produkte auf dem heimischen Markt, in Europa und auf anderen Märkten verkaufen möchten, sich für die Anforderungen regionsspezifischer Zertifizierungsprozesse zu rüsten.“

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Projekt, und Experten gehen davon aus, dass brasilianische Unternehmen jeder Größe von den Ergebnissen der Partnerschaft profitieren werden.

Die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft ermöglicht nicht nur die Dekarbonisierung der Industrie, sondern kann parallel dazu auch das Wirtschaftswachstum und die Widerstandsfähigkeit fördern, indem Arbeitsplätze in Ländern wie Brasilien geschaffen werden, die grünen Wasserstoff erzeugen. Die neue Partnerschaft zwischen der SAP und der GIZ leistet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in Brasilien, indem sie eine zuverlässige Zertifizierung für Brasilien, Deutschland und – durch die Einhaltung von EU-Richtlinien – die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ermöglicht. So können alle Akteure den erforderlichen Nachweis erbringen, dass für die Erzeugung des Wasserstoffs Energie aus erneuerbaren Quellen genutzt wurde.