Künstliche Intelligenz war DAS dominierende Thema der diesjährigen Hamburger IT-Strategietage. Wie viel praktischen Nutzen die Technologie schon heute stiften kann, zeigten SAP und Bosch auf einem der CIO-Foren.
Wohl keine andere Technologie hat in den zurückliegenden Jahren so viele Erwartungen geweckt, wie Künstliche Intelligenz. Deren Möglichkeiten haben viele Menschen in den vergangenen Monaten vor allem anhand von greifbaren Alltagsanwendungen wie ChatGPT kennengelernt. Oder besser gesagt das, was sie dafürhalten. Denn in Wahrheit demonstriert der Chatbot nur einen winzigen Teil dessen, was die Technologie zu leisten imstande ist, vergleichbar mit einem Eisberg, der von oben riesig aussieht, obwohl nur 10 Prozent von ihm aus dem Wasser ragen.
Für Unternehmen ist jener Teil viel wichtiger, der darunter liegt. Nach einer Untersuchung von McKinsey wird in den kommenden Jahren durch KI ein Mehrwert von vier Billionen Dollar entstehen, so Sven Mulder, Managing Director von SAP Deutschland auf einem der CIO-Foren der Strategietage. 74 Prozent der deutschen CIOs setzten große Hoffnungen in die Technologie, vierzig Prozent unserer Unternehmen wollten in den kommenden zwei Jahren in diesen Bereich investieren, um produktiver, kosteneffizienter und wettbewerbsfähiger zu werden.
Es mangelt an Use-Cases, um die KI-Strategie zu erproben
Der Weg dorthin wird nicht zwingend ein leichter sein. Was am schnellen Einsatz von KI hindern kann, ist der allgegenwärtige Fachkräftemangel, Datenschutzbestimmungen, Sicherheitsbedenken oder Budgetrestriktionen. Und vor allem: Der Mangel an nützlichen Use-Cases, an denen sich die KI-Strategie orientieren und erproben lässt.
SAP will vor allem dazu beitragen, dass Künstliche Intelligenz im Unternehmensalltag ankommt – und ist auf diesem Weg schon weit vorangekommen. Mehr als 34.000 Unternehmen setzen SAP Business AI bereits ein.
Damit dies mit Erfolg geschieht, brauche es vor allem eine hohe Datenqualität, die wir in der Business Data Cloud zur Verfügung stellen. Zum Teil werde bis zu fünfzig Prozent des IT-Budgets eines Unternehmens für die Analyse von Daten und ihre Harmonisierung aufgewendet.
Joule bildet bereits mehr als 130 Use-Cases ab
Zentrale Assistenten können für die notwendige Harmonie zwischen Datenprodukten und KI sorgen. SAPs „Joule“, ein KI-Copilot der von Agenten unterstützt wird, die das Unternehmen vor anderthalb Jahren vorgestellt hatte, ist eine solche Lösung. Sie verwandelt KI-gestützte Prozesse und die hinter ihnen liegenden Daten in praxisnahe Use Cases. Wie das funktioniert, erläuterte in Hamburg Sven Schütt, Expert Solution Advisor AI bei SAP, anhand eines Demo Use Cases.
In diesem meldet Joule über über eine Smart Watch, dass das Projekt „Data Pulse“ den geplanten Budgetrahmen verlassen hat– daher ist es notwendig, daß die Verantwortlichen gegensteuern. Sven Schütt als zuständiger (fiktiver) Abteilungsleiter fragt Joule via Spracheingabe: „Wie ist der aktuelle Status beim Projekt Data Pulse?“ Daraufhin erläutert der Agent am Rechner – unterstützt von der KI-Lösung SAP Analytics Cloud – detailliert jene Budgetprobleme, die das Projekt seit Oktober hat. Der Abteilungsleiter fragt das System, welche unternehmensinternen Kandidaten helfen könnten, das Problem zu lösen. Joule schlägt Marcos Rodriguez vor, einen Mitarbeiter in Spanien, und baut die Kommunikation zu ihm auf. Rodriguez stellt über seinen Joule-Account Fragen zum Projekt, die Übersetzung von Spanisch nach Deutsch – und umgekehrt – übernimmt das System. Nachdem man sich ausführlich über Anforderungen und Qualifikationen ausgetauscht hat, fällt die Entscheidung: Marcos Rodriguez ist genau der richtige Mann – und er nimmt den Request an.
In der Zwischenzeit hat ein anderer Agent, der den Abteilungsleiter ebenfalls über Joule erreicht, gemeldet, dass bei Data Pulse ein Kunde einen Teil der bestellten Vorprodukte nicht geliefert hat – obwohl auch diese fehlende Menge berechnet wurde. Der Agent kommuniziert anschließend selbsttätig via Mail mit dem Kunden und klärt den Fall.
Bisher ist Joule in der Lage, mehr als 130 solcher Use-Cases abzubilden. Mittelfristig sollen die KI-Agenten von Joule so bis zu 80 Prozent der wiederkehrenden SAP-Tasks zur Verfügung stellen.
Manuelle Eingaben sind nicht mehr notwendig
Zum Abschluss des CIO-Forums zum Thema KI konnten die Zuhörer noch einen realen Anwender erleben, der in jüngster Zeit schon praktische – und sehr positive – Erfahrungen mit SAPs AI-Werkzeugen sammeln konnte. Gemeint ist die Robert Bosch GmbH, in Hamburg vertreten durch Bastian Kloiber, Head of ERP Excellence. Er berichtete über zwei KI-gestützte Werkzeuge, die bereits hohen Mehrwert stiften. Bei der ersten handelt es sich um die „Mobility Retrobillig App“, eine Anwendung zum Erfassen und Einpflegen von Debit- und Credit-Notes für Bosch. „Zuvor hatten wir so etwas immer manuell bearbeitet, Excel-Tabellen in SAP eingepflegt oder umgekehrt.“ Jetzt gibt die Software den Inhalt von Rechnungen automatisch via Texterkennung ins System ein, manuelle Eingaben und manuelle Checks sind nicht mehr notwendig. „Das ist ein echter Erfolgs-Usecase“, so Kloiber.
Power Tools wickelt circa 20.000 Fälle pro Jahr ab
Zweites Beispiel, das er nach Hamburg mitbrachte, ist „Power Tools“: Das System erkennt Werkzeuge, die einen Fehler haben, ordnet jedem Case automatisch den richtigen Defect Code zu und ermöglicht so eine schnelle Reaktion. Auch hier war vorher eine Menge Handarbeit notwendig. „Jetzt nutzen wir Machine Learning mit historischen Daten, um die notwendigen Defect Codes im System zu haben und sie als Vorschlag dem zuständigen Mitarbeiter zu präsentieren. Der muss dann nur noch ja oder nein sagen.“ Circa 20.000 Fälle pro Jahr wickelt das System jetzt auf diese Weise ab. Und dieser Prozess, so Kloiber, lässt sich auf andere Bereiche übertragen.
Auch SAP Joule wird bei Bosch bereits getestet – und auch dazu genutzt „die Anforderungen an unsere S/4HANA-Transformation besser zu verstehen“, so Bastian Kloiber.
Es braucht eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Business und IT
Unterm Strich ist der Head of ERP Excellence mit den KI-gestützten Anwendungen von SAP sehr zufrieden, räumt aber auch ein, dass „es immer herausfordernd ist, eine neue Lösung in einer vorhandenen Umgebung zum Laufen zu bringen.“
Im nächsten Schritt möchte er vor allem jene Use Cases, die live sind und sich bewährt haben, auf weitere Geschäftsbereiche übertragen. Damit dies gelingt brauche es vor allem „eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Business und IT.“