Behörden, Krankenhäuser, Händler: Viele Branchen können von digitalen Sprachassistenten profitieren. Denn Chatbots erleichtern die Kommunikation. Doch es bedarf einiger Vorarbeit.
Noch ist es ein „Best Run Shop“, den Karsten Illing demonstriert. Der Global Product Owner für den SAP Enterprise Chatbot hat Anfang des Jahres den Chatbot für den Handel auf den Markt gebracht. Wer heute beispielsweise einen Fahrradladen betreibt, dem kann dieser digitale Sprachassistent einige Arbeit abnehmen. In einem so genannten Guided Flow versucht der Chatbot herauszufinden, welches Produkt für einen Kunden am besten passt. Wo willst du fahren, wie oft bist du unterwegs und wie groß bist du: das sind einige der Fragen, die eine Vorselektion aus der Produktpalette ermöglichen. Denn durch die Integration des Moduls für Sprachintelligenz (Conversational AI) und den Online-Shop über die SAP Cloud Platform flüstert das System dem Chatbot einige Produkte ins Ohr, die den individuellen Attributen entsprechen. Alles, was der Kunde für diese Information benötigt, ist eine Messenger-App, etwa den Facebook Messenger. Schon kann die Unterhaltung mit dem maschinellen Berater starten. Der sucht ein Rad mit der geeigneten Rahmenhöhe heraus, das etwa für tägliche Fahrten in der Stadt geeignet ist.
Qualität von Chatbots: Dax-Konzerne mit Luft nach oben
Nach einer aktuellen Umfrage wird sich sich der Anteil von Kunden in den kommenden drei Jahren versechsfachen, die per Sprachassistent einkaufen. Besonders die Bereiche E-Commerce (90 Prozent), Versicherungen (75 Prozent) und das Gesundheitswesen (73 Prozent) werden von Chatbots profitieren, so eine weitere Studie. Allerdings ist die Qualität der eingesetzten Sprachautomaten derzeit noch verbesserungswürdig, wie eine Untersuchung der HTW Berlin von Dax-Unternehmen ergab. Demnach ist im Gesprächsverhalten (63 Prozent von Maximalpunktzahl), der Bedienbarkeit (50 Prozent) und die Darstellungsform (63 Prozent) noch Luft nach oben.
Chatbots: Potenziale eines integrierten Systems
Nach Ansicht von SAP-Experte Illing ist es unter anderem wichtig, dass Unternehmen „alles aus einer Hand bekommen“, ein „Integrationstemplate“ also die nötigen Informationen wie etwa Produktkataloge oder Informationen aus dem Backend über Integration zur Verfügung stellt. Die Vorteile:
Services lassen sich über Chatbots bündeln: Wer Produkte kaufen will, wissen will, wann eine Bestellung eintrifft oder sich beschweren möchte, kann das potenziell über Chatbots tun. Dabei ist der Einsatz nicht auf den B2C-Bereich beschränkt. So testet SAP gerade einen Chatbot bei einer Fluggesellschaft, der in der Lage ist, Urlaubsanträge entgegenzunehmen und Auskunft über den aktuellen Status geben, eine Uniform für den bevorstehenden Flug vorzubestellen oder Hotelzimmer zu reservieren.
Komplexe Prozesse lassen sich vereinfachen: Nicht selten sind auf Bestellungen in Krankenhäusern über 1.000 Einzelposten enthalten. Fehlt auf einer Station ein Medikament und will der diensthabende Arzt wissen, bis wann es wieder verfügbar ist, ist das bis jetzt ein umständlicher Prozess. „Die Bestellungen sind komplex und der Status über einzelne Medikament schwer herauszufinden“, sagt Illing, der hier auf maschinelle Unterstützung setzt: „Da wir mit integrierten Systemen arbeiten, besteht künftig die Chance, dass der Arzt lediglich den Messenger-Dienst aufruft und den Status der Bestellung nachfragt.“ Und der Sprachassistent gibt ihm Auskunft darüber, ob das Medikament vorgemerkt, schon unterwegs oder bereits im Krankenhaus eingetroffen ist.
Behördliche Abläufe lassen sich beschleunigen: Für Meldebescheinigungen, Wohnungswechsel oder Anträge für Reisepässe sind Formulare mit bestimmten „Muss-Feldern“ auszufüllen. Per „Guided Flow“ ist es hier möglich, ähnlich wie bei dem Fahrradladen, diese Fragen bereits per Chatbot zu erledigen. Das spart Wartezeiten auf dem Amt und entlastet die Arbeit auf den Behörden.
Herausforderungen für Chatbots
Adhoc sind die Systeme allerdings nicht in der Lage, diese Vorteile ausspielen zu können. Auf dem Weg zu einem tauglichen Chatbot lauern einige Herausforderungen.
- Chatbots anlernen: Ganz oben auf der Liste der Herausforderungen steht das Training des digitalen Sprachassistenten: „Der Chatbot ist ein Mitarbeiter, den man anlernen muss“, erläutert Illing, „es gibt leider keinen mit Universitätsabschluss“. Fragen wie auch Antworten müssen einzeln formuliert und dem Chatbot die passende Reaktion beigebracht werden. Dafür muss Zeit eingeplant werden. Das Gute: Sofern der Nutzer einverstanden ist, vergisst der Chatbot nichts und kann bei späteren Kundenkontakten auf die gesamte Historie zurückgreifen. Hinzu kommt: Ein digitaler Sprachassistent kann Bilder nicht in Sprache fassen. Entsprechend müssen Metainformationen in Datenbanken etwa für Produkte formuliert werden, die die Informationen des Bildes in Text übertragen.
- Prozesse definieren: Das Unternehmen, das einen Chatbot einsetzen möchte, muss eine klare Vorstellung dafür haben, welche Prozesse durch diesen unterstützt werden sollen. „Das gehört auch, Grenzen festzulegen und Fragen an geeignete Stellen weiterzuleiten, weil sie zu komplex sind“, sagt Illing, „oder aber, entsprechende Prozesse erst einmal aufzusetzen.“ Will etwa ein Unternehmen die Warenrückgabe durch einen Chatbot unterstützen, macht dies aber bis dato manuell, muss erst im ERP ein entsprechende Prozess geschaffen werden.
- Datenschutz: Je mehr Informationen ein Chatbot über einen Kunden und Anwender zur Verfügung hat, umso präziser und treffender kann er Informationen beschaffen. Dafür muss der Nutzer erlauben, dass die Konversation mitprotokolliert werden kann. Geschieht dies nicht, wird der Cache gelöscht und das System kann nicht dazu lernen. Muss das System bei einer Antwort passen, spricht Illing von „unmatched intents“, was potenziell eine Chance ist, eine Lücke im Sprachdienst zu schließen. Doch wird das System umso intelligenter, je mehr Daten es zur Verfügung hat.
Wie einfach und komfortabel ein Chatbot sein kann, erfährt SAP-Experte Illing immer dann, wenn er in seinen Wagen steigt und ein unbekanntes Ziel ansteuert. Denn dann fragt er den Chatbot des Navigationsgeräts, wo die Reise hin gehen soll. Ohne einen Knopf zu drücken und Straßennamen einzutippen, reicht eine kurze Unterhaltung aus und das Ziel wird berechnet. Das ist im Arbeitsalltag oft noch nicht so und an der manuellen Eingabe geht meist noch kein Weg vorbei. Doch ist für Illing klar: „Das Reden wird immer mehr kommen“.
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