In der Reihe SAP Design Talks sprach Chuck Ames, UX Manager bei Amazon Business, über die Produktentwicklungskultur bei Amazon.
Laut Ames ist die dauernde Unzufriedenheit der Kunden die treibende Kraft des Fortschritts bei Amazon: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Kunden morgen nicht mehr mit dem zufrieden sein werden, was wir heute anzubieten haben.“ Um die Anforderung der Kunden zu erfüllen, erklärte er, müsse man sich in der Zukunft aufstellen und die Probleme der Kunden heute lösen.
Rückwärts arbeiten, um Kunden zufriedenzustellen
Es ist keine Überraschung, dass der Ansatz, den Amazon bei der Produktentwicklung verfolgt, auch als „Working Backwards“ oder „Rückwärtsarbeiten“ bezeichnet wird. Ausgangspunkt ist ein Kundenproblem. Von dort aus wird rückwärts gearbeitet, um die Technologie zu finden, mit der das Problem gelöst wird. Auf diese Weise können die Produktentwicklungsteams bei Amazon die Zukunft erschaffen, die ihre Kunden brauchen … wenigstens vorläufig.
Man denke nur an Amazon Go, den futuristischen Supermarkt, in dem die Kunden sich Waren nehmen und wieder gehen können, ohne auch nur einmal die Geldbörse zu zücken. Die Idee dazu war das direkte Ergebnis des Ansatzes „Working Backwards“, und alles begann damit, dass das Problem erkannt wurde: Kunden stehen überhaupt nicht gerne an. Danach kam die Technologie (maschinelles Sehen, Sensorfusion und Deep Learning).
Am Anfang des Rückwärtsarbeitens steht das Verfassen einer PRFAQ (Abkürzung für „Press Release, Frequently Asked Questions“), eines Dokuments, das eine Pressemitteilung mit häufig gestellten Fragen und visuellen Mock-ups verbindet. Dieses Dokument soll zeigen, wie das Produkt das Problem des Kunden löst. Jeder, der an dem Produkt arbeitet, muss mit der PRFAQ vertraut sein und sie bei jedem Schritt des Design- und Entwicklungsprozesses berücksichtigen.
Die PRFAQ ist viel mehr als ein Mission Statement – sie ist eine Selbstverpflichtung zur Umsetzung. Am Anfang der Pressemitteilung werden ein Ort und ein Veröffentlichungsdatum genannt. Damit wird das Team gezwungen, sich auf eine Idee zu konzentrieren und sich auf ein fiktionales Auslieferungsdatum festzulegen. Während der Arbeit können sich Details und Termine ändern, aber im Grunde übernimmt das Team mit der PRFAQ die Verantwortung dafür, seine Vision zu verwirklichen.
In vielerlei Hinsicht lässt die PRFAQ uns an unsere Schulzeit zurückdenken. Sie muss einfach und klar formuliert sein und strenge Formatierungsregeln einhalten. Der Ansatz ist nicht mühelos anzuwenden und soll es auch nicht sein. Laut Ames gibt sogar Amazon-Chef Jeff Bezos zu, dass der Ansatz mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Trotzdem ist er nicht optional. Wenn man es nämlich richtig angeht, lässt sich mit diesem Ansatz sehr viel Arbeit im Backend einsparen, da sich das Team auf die Entwicklung von Dingen konzentriert, von denen die Kunden wirklich profitieren.
Unbedingte Kundenorientierung als Maßstab für B2B
Der Ansatz „Working Backwards“ hat großen Anteil daran, dass Amazon laut Ames „das kundenorientierteste Unternehmen der Erde“ ist. Auch beim Vorstoß auf den Markt des B2B-E-Commerce mit Amazon Business scheint die unbedingte Kundenorientierung von Amazon nicht nachzulassen.
Amazon Business (früher Amazon Supply) ist dem Verbrauchermarktplatz von Amazon nachempfunden, richtet sich aber an Unternehmen, Behörden und Bildungseinrichtungen. Obwohl Amazon Business noch recht neu auf dem Markt ist, prognostizierte die Bank of America jüngst, dass der neue Marktplatz bis 2021 10 Prozent des B2B-Markts in den USA und 5 Prozent weltweit beherrschen wird. Damit dürfte das Marktpotenzial doppelt so hoch liegen wie beim Kerngeschäft von Amazon im Handel.
Amazon Business ist mit anderen Herausforderungen konfrontiert als das Handelsgeschäft von Amazon. Geschäftskunden erwarten schnellere Lieferungen, Ausgabentransparenz, ein detailliertes Beschaffungsmanagement und Integration in bestehende Beschaffungssysteme. Doch laut Ames fällt der Unterschied zwischen Handels- und Geschäftskunden weniger ins Gewicht als die eigentlich wichtige Frage: „Was wird der Kunde in Zukunft wollen?“ Hier treten die Besonderheiten zu Tage, die Amazon von anderen Unternehmen abheben: die Möglichkeit, nach von Frauen geführten Unternehmen als Lieferantenkategorie zu suchen, das beliebte Amazon Prime für den Geschäftskontext und vieles mehr.
Ungeachtet der unterschiedlichen Ansätze bei der Produktentwicklung ist dies eines der wichtigsten Merkmale, die Amazon und SAP gemeinsam haben: Beide pflegen eine äußerst intensive Innovationskultur. „Ich finde es fantastisch, dass die SAP Innovation von Anfang an zu einem ihrer Grundwerte gemacht hat“, freute sich Ames. „Wir bei Amazon halten es genauso.“ Ob sie nun rückwärts oder vorausschauend arbeiten: Klar ist, dass beide Unternehmen dasselbe Ziel verfolgen. Sie stellen ihre Kunden in den Mittelpunkt von allem, was sie tun, während sie sich in eine Zukunft bewegen, die, wie Ames es ausdrückt, oft an Science Fiction erinnert.
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Im Rahmen der Reihe SAP Design Talks bietet die SAP ihren Mitarbeitern regelmäßig interessante Vorträge führender Vertreter der internationalen Designszene. Die Veranstaltungen finden auf einer großen Bühne statt und werden an zahlreiche SAP-Standorte rund um die Welt übertragen.
Der Artikel erschien ursprünglich in der SAP Experience Community.