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Was macht eigentlich Blockchain? Die Erwartungen waren groß – konnte die Technologie sie erfüllen? Wo und in welcher Form findet Blockchain inzwischen Anwendung? Die Experten von SAP geben Antworten in der zweiteiligen Serie des SAP News Center.

„Blockchain wurde bereits zu einem frühen Zeitpunkt mit einem Glorienschein umgeben“, sagt Torsten Zube, ehemaliger Leiter des SAP Innovation Center Networks und derzeitiger Head of SAP Cloud Platform Business Services. „Der dezentrale Ansatz der Technologie, die es beliebig vielen, gleichberechtigten Teilnehmern eines Netzwerks erlaubt, die Informationen darin als digitale Single Source of Truth zu nutzen – diese Vision besaß echte Strahlkraft. Das schien die eigentliche digitale Revolution zu sein, auf die alle gewartet hatten. Dieser überzogenen Erwartung konnte die Technologie allein natürlich niemals gerecht werden.“

Hoffnungsträger für Innovation von Enterprise Software

Befeuert wurde der Hype um die Blockchain-Technologie nicht zuletzt durch die Kryptowährung Bitcoin, die versprach, das Bankenwesen und den Umgang mit Geld zu revolutionieren. „Schon damals war ersichtlich, dass viele, die auf diesen Zug aufgesprungen waren, weder Bitcoin noch die Technologie dahinter richtig verstanden“, sagt Torsten Zube. „Oft wurde zwischen beiden nicht einmal unterschieden.“

Bei SAP wurde Blockchain unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenssoftware genauer betrachtet. SAP hatte wenige Jahre vor dem Blockchain-Hype das SAP Innovation Center Network als eine Art Forschungs- und Entwicklungslabor für den Software-Giganten eingerichtet. Technologische Entwicklungen sollen frühzeitig erkannt, deren Potential für Unternehmenssoftware eingeschätzt und gegebenenfalls zur Produktreife gebracht werden. Anfang 2016 tauchte Blockchain auf dem Radar auf.

Viele Annahmen über Blockchain haben sich inzwischen relativiert, doch das zentrale Versprechen der Technologie trifft nach wie vor einen wunden Punkt. „Unternehmen müssen heute so viel Aufwand leisten, um ihre eigenen Systeme zu verknüpfen und immer wieder gleiche Daten auszutauschen und zu harmonisieren“, sagt Torsten Zube.

Nur noch einmal geparkt

„Unternehmenssoftware bildet zum Teil Geschäftsprozesse ab, die noch aus dem 19. Jahrhundert stammen, und an denen häufig zehn oder mehr Parteien beteiligt sind. Viele Prozessschritte dienen nur dazu, Informationen von einem System aufs andere zu übertragen. Die Vorstellung, dass solche Informationen nur noch einmal, nämlich auf der Blockchain, geparkt und dann nicht mehr validiert oder integriert werden müssen – das ist immer noch eine Riesensache.“

Trotz oder vielleicht wegen des Hypes standen viele bei SAP der Technologie skeptisch gegenüber. „Innerhalb der Firma mussten wir eine gewisse Überzeugungsarbeit leisten, warum und wann in die Blockchain-Technologie investiert werden sollte, wie sie funktioniert und was ihr Nutzen für Unternehmen ist“, sagt Torsten Zube.

Währenddessen nahm der Hype um Blockchain noch zu und bewirkte, dass auch SAP-Kunden nach Blockchain verlangten. „Das hat uns letztlich sehr geholfen, das Thema innerhalb von SAP zu positionieren“, sagt Zube.

Wann lohnt sich der Einsatz von Blockchain?

Seit 2016 war Blockchain im SAP Innovation Center Network ein Thema, zunächst am Standort Walldorf. Im Oktober 2017 kam ein weiteres Team am Standort in Potsdam dazu. Thomas Uhde, der dieses Team leitete, erinnert sich: „Wir haben von Anfang an mit echten Kunden an echten Businessproblemen gearbeitet. So waren wir in der Lage, trotz des Hypes realistisch abzuschätzen, was die Technologie wirklich leisten kann.“

Dazu gehörte auch, Erfahrung zu sammeln, wann Blockchain die richtige technologische Lösung für ein Problem bietet und wann nicht. Torsten Zube sagt: „Diese Erkenntnisse mussten wir innerhalb von SAP und an unsere Kunden kommunizieren: nicht immer ist Blockchain die am besten geeignete Lösung.“

Blockchainin der Kommunalverwaltung

Ein erster Meilenstein wurde bereits 2017 erreicht, als die Stadt Bozen in Südtirol mit Hilfe von SAP Blockchain für die digitale Kommunalverwaltung zu nutzen begann. „Das Bozen-Projekt vereinte die wichtigsten Benefits, die man damals im Blockchain-basierten Datenaustausch sah“, erklärt Thomas Uhde. „Vereinfachung von Prozessen und Aufwandsreduzierung, während gleichzeitig die Datensicherheit verbessert wurde.“

Doch solche Erfolgsstorys waren nicht so häufig, wie man es gern gesehen hätte. Immer mehr setzte sich nicht nur bei SAP die Erkenntnis durch, dass Blockchain kein Zauberstab war, mit dem sich der systemübergreifende Datenaustausch über Nacht simplifizieren lassen würde. Es würde noch viel Zeit vergehen, bis die Technologie verbreitet Anwendung finden würde. Das Podest, auf das Teile der IT-Szene Blockchain gesetzt hatte, begann zu bröckeln.

Ende 2018 war es dann soweit: Blockchain hatte den sogenannten Gartner-Hype-Cycle durchschritten. Vom Gipfel der überzogenen Erwartungen ging es hinunter in das Tal der Enttäuschungen. Von einem „Blockchain-Winter“ war gar die Rede.

Blockchain-Technologie über die Cloud-Plattform nutzen

„Es stand von Anfang an fest, dass das Thema Blockchain genau wie jeder andere Trend irgendwann an Fahrt verlieren würde“, sagt Zube. „Wir haben uns aber davon nicht schrecken lassen – ganz im Gegenteil.“ SAP hatte soeben Blockchain as a Service über die SAP Cloud Platform verfügbar gemacht. Erstmals hatten SAP-Kunden nun die Möglichkeit, die Blockchain-Technologie als Baustein zu nutzen, ohne selbst einen Blockchain-Knoten bauen zu müssen.

„Wir wussten: Wer Blockchain wirklich verstanden hatte, der würde an dem Thema dranbleiben“, sagt Torsten Zube. „Gerade weil der Hype um die Technologie abnahm, blickten wir sehr optimistisch auf 2019. Der Blockchain-Winter würde kommen, das war uns klar – und er würde gut sein.“


Lesen Sie hier: Ein Technologie-Trend wird erwachsen: Was ist aus dem Hype um Blockchain geworden? (Teil 2)