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Noch setzen die meisten Kunden beim Wechsel auf SAP S/4HANA auf den Neustart (Greenfield) oder ein prozessuales „Weiter so“ (Brownfield). Aktuell wird der Mittelweg für Kunden allerdings immer interessanter. SAP Services nennt ihn Selective Data Transition.

Die meisten Unternehmen, die auf SAP S/4HANA umsteigen, entscheiden sich entweder für den Green- oder für den Brownfield-Ansatz. Wie Marktforscher Lünendonk im vergangenen Jahr herausfand, behalten mehr als 80 Prozent der Unternehmen die bestehenden Prozess- und IT-Architekturen sowie Modifikationen bei (Brownfield) oder verabschiedet sich von historischen Daten und verändert die Prozesse fundamental (Greenfield). Doch wird der Mittelweg für Unternehmen inzwischen immer interessanter – die Selective Data Transition. „Unternehmen entdecken die Vorteile, selektiv historische Daten, Organisationseinheiten und Prozesse zu behalten, aber trotzdem gezielt Prozesse und Strukturen zu verändern und zu innovieren“, sagt Alexander Rombach, Director Consulting Practice bei SAP Services. 

Selective Data Transition: Neue Geschäftsmodelle abbilden und die bewährte Altwelt bewahren

Zwischen den beiden Standardwegen spannt sich also ein Spektrum von individuellen Vorgehensweisen. Während eine System Conversion auf bestehenden Prozessen und Daten aufsetzt, ist die Neuimplementierung dadurch gekennzeichnet, die Prozesse des neuen SAP-S/4HANA-Systems entweder mit migrierten oder „frischen“ Daten zu nutzen, inklusive der darin enthaltenen Innovationen wie etwa den Fast Close, Finance-Ledger-Lösungen oder KI-unterstützte Innovationen. „Nicht immer sind die Anforderungen des Kunden durch einen der beiden Ansätze angemessen zu erfüllen“, sagt auch Gregor Staubach. Für Retouren, Reklamationen und Garantiefälle im Handel oder hinsichtlich der Nachweispflichten in der Luftfahrt- oder Rüstungsindustrie beispielsweise sei es nötig oder sogar gesetzlich verpflichtend, auf historische Daten zugreifen zu können, erläutert der Softwarearchitekt, der den Mittelweg der Selective Data Transition bei Kunden betreut.

Zwischen „Shell Conversion“ und „Build from Scratch“ entscheiden

Der individuelle und quasi maßgeschneiderte Mittelweg orientiert sich an den strategischen Zielen des Unternehmens. Wer flexibler werden will und neue Geschäftsmodelle anvisiert, tendiert eher zur Neuimplementierung. Wer an bestehenden Geschäftsmodellen und -prozessen festhalten will, wird eher die System Conversion anstreben. Um die individuellen Wünsche berücksichtigen zu können, gibt es auch innerhalb der Selective Data Transition noch einmal Abstufungen. SAP Services spricht hier vom „Shell Conversion“ – und vom „Build-from-Scratch“-Ansatz. Während bei der Shell Conversion kundenindividuelle Prozesse und Strukturen weitgehend erhalten werden und nur punktuell individuell neu entwickelt werden, liegt der Fokus beim „Build-from-Scratch“-Ansatz darauf, Prozesse neu zu gestalten und nur dann bestehende Prozesse weiter zu nutzen, wenn es recht gut zum neuen Template passt. Im geschäftlichen Alltag kommt es immer wieder vor, dass Unternehmen mit beispielsweise zwei Drittel den überwiegenden Anteil ihrer Prozesse und Daten übernehmen, den Rest allerdings redesignen wollen. „Dann ist es schneller und günstiger, sich für die Selective Data Transition zu entscheiden, anstatt eine komplette Neuimplementierung durchzuführen“, ist Rombach überzeugt.

Typische Anwendungsfälle für den selektiven Datenwechsel

Es gibt eine Reihe typischer Anwendungsfälle, mit denen die Softwarearchitekten von SAP Services konfrontiert werden. Dazu gehören etwa die Anforderungen, Buchungskreise oder spezifischen Code weiter zu nutzen, Kontenpläne zu konvertieren oder ein Unternehmen schnell zu integrieren. Folgende Bereiche halten die Experten von SAP Services für sehr wichtig:

  • Finanz-und Rechnungswesen neu gestalten Unternehmen streben die Transparenz ihrer Geschäftszahlen an und wollen sich in der Transition auf ein modernes Finanzsystem auf Basis des SAP-S/4HANA-Standards beschränken. Ziel ist es, das Finanz-Template (potenziell auch als Cloud-Version) einzusetzen, alle anderen Prozesse z.B. Logistik und Supply Chain aber beizubehalten und auch deren Historie wie gehabt zu nutzen. Ein Redesign im Rechungswesen und Controlling könnte zum Beispiel zu einem einheitlichen Kontenplan auf Ledgerbasis führen oder die Controlling-Strukturen und -hierarchien vereinfachen.
  • Aufräumen nach Zukäufen und Abspaltungen Viele Unternehmen haben eine gewachsene Systemlandschaft. Über die Jahre wurden immer wieder Unternehmen zugekauft oder abgespalten, neue ERP-Systeme integriert, Prozesse erweitert oder geändert und andere Systeme parallel implementiert. Hier ist es sinnvoll, nicht mehr benötigte Buchungskreise und Daten zu identifizieren und von der Migration ins neue SAP-S/4HANA-System auszuschließen, um so mit einem schlankeren und aktuellen System zu starten.
  • Bypässe neben Vorbereitungsprojekten legen Wer zunächst Systeme harmonisieren und Vorprojekte für SAP S/4HANA starten muss, bindet damit viele Mitarbeiter und verliert Zeit für den Umstieg auf SAP S/4HANA. Hier kann es sinnvoll sein, parallel bereits gezielte Selective-Data-Transition-Projekte wie etwa die Modernisierung des Finanzsystems oder die Reduzierung der Datenmenge anzugehen. Vor- und Transformationsprojekte wie Harmonisierungen oder Modernisierungen des Finanzwesens können also durchaus in einem Schritt mit dem Umstieg auf SAP S/4HANA durchgeführt werden.
  • Architektur der IT-Landschaft modernisieren Unterstützt die gewachsene Landschaft das aktuelle Geschäftsmodell und die Strategie nicht mehr optimal – wie in vielen Unternehmen –, kann sie beispielsweise mit Selective-Data-Transition-Split-Architekturen aufgelöst werden. Dabei werden Finanz- und Logistiksysteme in ein zentrales SAP-S/4HANA System überführt. Auch die Konsolidierung von mehreren, z.B. regionalen Systemen in ein einziges SAP-S/4 HANA-System bringt deutlichen Mehrwert. „Effizient und verschlankt, ausgestattet mit den Innovationen aus SAP S/4HANA ermöglicht dies den Unternehmen Wachstum und Dynamik für das Geschäft der Unternehmen“, so Rombach.
  • Daten aus Akquisitionen nutzen Nach dem Zukauf eines Unternehmens ist es erforderlich, die IT in die neue Infrastruktur zu überführen. Doch sollte der Zugriff auf geschäftskritische Daten auch dann noch gewährleistet sein, wenn die Systeme bereits zusammengeführt worden sind – wie etwa die Geschäftszahlen und -entwicklungen der vergangenen Jahre, die das Controlling des Unternehmens weiter benötigt.

Selective Data Transition als Katalysator für SAP S/4HANA

Vielen Unternehmen reicht nach Erfahrung von SAP Services der alleinige Anreiz nicht aus, Innovationen nutzen zu können, die SAP S/4HANA bietet: „Wenn allerdings auch die Architektur auf den Stand gebracht, aufgeräumt und ggf. auch harmonisiert und damit das neue Geschäftsmodell optimal unterstützt wird, dann wird die Selective Data Transition zum Katalysator für SAP S/4HANA“, ist SAP-Spezialist Rombach überzeugt. Er vergleicht die Transition mit dem Hausbau: Ein Haus muss nicht neu gebaut werden (Neuimplementierung), wenn beispielsweise die Heizung ausgetauscht werden kann. Lediglich die Heizung zu tauschen greift zu kurz. Zum Mittelweg gehören dann noch neue Fenster, eine Dachdämmung und eventuell ein Anbau mit dazu. „Es ist die komplette Renovierung und Modernisierung, die in sich stimmig und werthaltig ist“, sagt Rombach.

„Mitnehmen was passt, Neues selektiv mit Fokus machen“

Ein gutes Beispiel dafür, wie der Mittelweg in der IT aussehen kann, zeigt das Beispiel eines Papierherstellers, der bereits SAP S/4HANA im Einsatz hatte, dann aber ein Unternehmen kaufte, das noch nicht auf diesem Stand war. „Wir haben dann das SAP ECC in das laufende System integriert“, sagt Thorsten Spihlmann, Solution Architect bei SAP Services. In einem anderen Projekt haben wir die Landschaft modernisiert und einen phasenweisen Rollout durchgeführt, der ebenfalls typisch für die Selective Data Transition ist. Erwünschter Nebeneffekt: Etwa 90 Prozent der alten Lieferantendaten werden heute nicht mehr genutzt. Nur noch zehn Prozent der Daten aus dem gewachsenen System sind nun noch im Einsatz. Hier hat sich der Mittelweg als richtig erwiesen.

Selective Data Transition: Auswählen, welche historischen Daten mitgenommen werden

Die Selective Data Transition schafft diesen Spagat und ermöglicht Unternehmen, auszuwählen, welche historischen Daten und welche Prozesse ins Morgen mitgenommen werden sollen. „Gerade, wenn etwa zwei Drittel der etablierten Prozesse mitgenommen werden sollen, ist die Selective Data Transition oft die günstigste Möglichkeit für Unternehmen, zu SAP S/4HANA zu wechseln“, sagt der Director Consulting Practice Rombach von SAP Services. In anderen Worten: „Mitnehmen was passt, Neues selektiv mit Fokus machen“. Dass dieser Weg künftig gefragt sein wird, deuten auch Zahlen von Lünendonk an. Demnach sehen die meisten Unternehmen „in der Integration der lokalen IT-Systeme in SAP S/4HANA“ die größte Herausforderung – und wahrscheinlich immer wieder auch eine sehr individuelle.

Weitere Informationen

Webseminar: Lean Selective Data Transition für SAP S/4HANA

    1. Februar und 2. März 2021

Erfahren Sie mehr über die Möglichkeiten, die dieser Ansatz zum MOVE auf SAP S/4HANA bietet. Wir befassen uns mit folgenden Fragen:

  • Welche Idee steckt hinter der Selective Data Transition?
  • Was beinhaltet der „Lean Selective Data Transition“ Ansatz?
  • Welche Voraussetzungen müssen dazu erfüllt sein?

Wir bieten Ihnen dieses Webseminar auch in Englisch an, hier finden Sie die Anmeldung.