Braucht es einen bundesweiten Lockdown oder reichen regionale Kontaktbeschränkungen? Wie lassen sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Wirtschaft und Bevölkerung abmildern? Wann droht der Kollaps des Gesundheitssystems? Bund, Länder und Gemeinden müssen derzeit am laufenden Band weitreichende Entscheidungen treffen. Experten von SAP und PwC haben einen Prototyp entwickelt, um Behörden dabei zu unterstützen.
Keine Frage: Regieren ist eine hochkomplexe Aufgabe – nicht nur während einer Pandemie. Schließlich gilt es, unterschiedliche Interessenlagen einzelner Bevölkerungsgruppen sorgsam abzuwägen, um die besten Entscheidungen für das Land zu treffen. Wie wichtig aussagekräftige Daten dabei sind, zeigt die Corona-Krise in aller Deutlichkeit. Denn um die Infektionswellen zu brechen, müssen Entscheider in Politik und Verwaltung nicht nur das Virus und seine Verbreitungsgebiete verstehen, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen von Sperrstunden, Kontaktbeschränkungen und lokalen Lockdowns antizipieren. „Derartige Entscheidungen ohne fundierte Datenbasis zu treffen, gleicht dem Steuern eines Flugzeuges ohne Navigationsinstrumente“, sagt Borries Hauke-Thiemian, Partner im Bereich Public Sector Consulting bei PwC. Und das nicht nur in Krisenzeiten: Generell sind fundierte Echtzeitdaten unerlässlich, damit die Entscheider in Bund, Ländern und Gemeinden die richtigen Maßnahmen anstoßen können, unterstreicht Hauke-Thiemian.
Datensilos bremsen behördliche Entscheidungen aus
Der Haken an der Sache: Viele der benötigten Informationen stecken in unterschiedlichen Datensilos, lassen sich nur schwer zusammenführen und bremsen dadurch flexible und interaktive Analysen massiv aus. „Dementsprechend eignen sie sich auch nur bedingt, um Entwicklungen zu simulieren und vorausschauende Entscheidungen zu unterstützen“, so Siamak Tahmasian, Industrieexperte Public & Energy bei SAP Deutschland, der das Cockpit mitentwickelt hat. Dass dies auch anders gehen kann, zeigt das vom deutschen SAP-Kundenberatungsteam Public & Energy und PricewaterhouseCoopers Deutschland (PwC Deutschland) gemeinsam entwickelte Cockpit für Entscheider. Es basiert auf der Lösung SAP Analytics Cloud, führt in Verbindung mit weiteren Lösungen aus der Business Technology Platform relevante Daten zusammen und ermöglicht Entscheidungsträgern so, erforderliche Vorkehrungen auf der Grundlage datengestützter Erkenntnisse zu treffen. „Bei dem Cockpit handelt es sich um einen Prototyp, der bereits verschiedene Lösungsbausteine enthält und flexibel erweitert oder an individuelle Kundenbedürfnisse angepasst werden kann“, erklärt Tahmasian. Es soll zeigen, wie Entscheider in Politik und Verwaltung vom Analyseportfolio der SAP profitieren können.
Entscheidungscockpit verdeutlicht Mehrwert datenbasierter Entscheidungsfindung
Das Cockpit besteht aus fünf Dashboards. Vier davon werten Daten aus unterschiedlichen Handlungsfeldern aus, das fünfte soll das übergreifende Risikomanagement erleichtern. Wie das konkret aussehen kann, zeigt das Cockpit am Beispiel der Corona-Problematik:
- COVID-19
Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, müssen Regierungschefs und Behörden die aktuellen Fallzahlen kennen und richtig bewerten. Das COVID-19-Dashboard bündelt Informationen zum aktuellen Infektionsgeschehen sowie zur Auslastung der Intensivstationen. Entscheidungsträger können die regionale Verteilung der Fälle auf Grundlage von Geokarten gezielt analysieren und spezifische Maßnahmen für einzelne Landkreise und Städte ableiten. Neben aggregierten Fallzahlen lassen sich über das Dashboard Daten auch nach einer Vielzahl wichtiger Gesichtspunkte wie Altersgruppe oder Geschlecht analysieren. - Wirtschaftliches Lagebild
Dieses Dashboard führt alle wichtigen Informationen zur wirtschaftlichen Lage Daten der statistischen Ämter oder der Bundesagentur für Arbeit können ebenso ausgewertet werden wie Informationen von unterschiedlichen Wirtschaftsinstituten. Das erlaubt Rückschlüsse auf Unternehmensinsolvenzen, Arbeitslosenzahlen sowie die voraussichtliche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. So können Entscheidungsträger wirtschaftspolitische Maßnahmen passgenau auf bestimmte Sektoren ausrichten und vermeiden, dass Finanzhilfen und Konjunkturprogramme am Bedarf vorbeigehen und wirkungslos verpuffen. - Förderprogramme
Staatliche Förderungen können helfen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern. Das Förderprogramm-Dashboard sorgt dafür, dass Entscheidungsträger die aktuellen Antragszahlen jederzeit im Blick behalten und nach verschiedenen Kriterien wie Unternehmensgröße, Branche und Region analysieren und vergleichen. Darüber hinaus stehen Daten aus Onlinebefragungen von Förderempfängern und Antragsstellern zur Verfügung, die mithilfe von SAP Qualtrics kontinuierlich ausgewertet werden können. Die Ergebnisse dieser sogenannten „Pulse Checks“ zeigen beispielsweise auf, wie die Zuschüsse Betroffenen helfen, kurzfristige Liquiditätsengpässe zu überbrücken sowie Arbeitszeitverkürzungen oder Entlassungen zu vermeiden. So erhalten Entscheidungsträger wichtige Erkenntnisse darüber, ob die Fördermittel zielgerichtet eingesetzt werden und die gewünschten Wirkungen erzielen. - Haushalts- und Ressourcensteuerung
Der konjunkturelle Einbruch und verschiedene politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie belasten die öffentlichen Haushalte massiv. Das Dashboard für die Haushalts- und Ressourcensteuerung ermöglicht Entscheidern, die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Steuereinnahmen und Ausgabenpolitik frühzeitig zu erkennen und mit haushaltspolitischen Maßnahmen zu reagieren. Mithilfe von Prognose- und Simulationsmöglichkeiten lassen sich Entwicklungen besser vorhersagen und Maßnahmen gezielter planen. Plan-, Ist- und Prognosedaten lassen sich auf Knopfdruck vergleichen, Nachjustierungsbedarf und erforderliche Maßnahmen umgehend erkennen. - Risikomanagement
Das Risikomanagement-Dashboard dient als übergreifendes Frühwarnsystem für alle Regierungsaufgaben. Kernstück dieses Dashboards ist ein Risikobericht, der kritische Auswirkungen sämtlicher Regierungsentscheidungen berücksichtigt und deren Bewertung somit massiv erleichtert. Basierend auf den Indikatoren der übrigen vier Dashboards, lassen sich Erkenntnisse über bestehende oder neue Risiken in Echtzeit ableiten. Auf diese Weise werden die Entscheidungsträger frühzeitig über Risiken informiert und können die Wirkung von Gegenmaßnahmen permanent im Blick behalten. Darüber hinaus wird die Risikosteuerung durch eine Politikbewertung in Echtzeit unterstützt. Dabei werden mithilfe von Sentiment-Analysen Stimmungsbilder aus den sozialen Medien erzeugt. Entscheidungsträger können so beispielsweise analysieren, wie die getroffenen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung auf Plattformen wie Facebook, Twitter und Co. wahrgenommen werden.
„Der Prototyp des behördlichen Entscheidungscockpits zeigt, wie Daten Entscheidungsträgern während der Corona-Krise, aber auch darüber hinaus, den Weg zu informierten und vorausschauenden Entscheidungen ebnen können“, resümiert Hauke-Thiemian. Ein wichtiger Aspekt, um in einer zunehmend volatilen Welt nicht den Anschluss zu verlieren und Bedürfnisse von Bürgern, Wirtschaft und Industrie bei der Gesetzgebung verlässlich im Blick zu halten. Jetzt gehe es aber zunächst einmal darum, das Entscheidungscockpit weiter voranzutreiben.