>

Alex Kläger hat die ersten 100 Tage als neuer Deutschlandchef der SAP zu Beginn des wichtigen vierten Quartals erreicht, daher ist wenig Zeit innezuhalten und zurückzublicken. Das Amt hat er mitten in der Corona-Krise übernommen – gleichsam unter erschwerten Bedingungen. Er sieht es dennoch optimistisch: Gerade in der Krise könne sich SAP als verantwortungsvoller, kompetenter und verlässlicher Partner für die Wirtschaft und die öffentliche Hand beweisen.

Die ersten 100 Tage im Amt gelten oft als Schonzeit, die eine ruhige Einarbeitung ermöglichen sollen. Sie aber haben Ihre Position inmitten der Corona-Krise angetreten. Welche Auswirkungen hat das gehabt?

Das war eine sehr intensive Schonzeit! (lacht). Ich hätte mir gewünscht, die Position unter anderen Rahmenbedingungen anzutreten. Es hat mir aber sehr geholfen, dass ich die deutsche SAP-Organisation schon sehr gut aus meiner Zeit in der Geschäftsleitung kannte – ich war sechs Jahre Teil des deutschen Leadership Teams und zuständig für die Prozess-, Konsumgüter- und Services Industrie.

Die ersten Kundengespräche fanden größtenteils virtuell statt, aber mein Team hat es mir leicht gemacht, mich darauf vorzubereiten, zumal der deutsche Markt einfach sehr spannend für mich ist. Wo sonst gibt es so viele Weltmarktführer, Technologieführer und Hidden Champions?

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf das Investitionsverhalten im Hinblick auf SAP-Projekte aus? Wie sehr sind IT/SAP-Projekte davon betroffen, dass nach wie vor viele Mitarbeiter im Home Office arbeiten und die üblicherweise enge Zusammenarbeit in IT-Projekten nur eingeschränkt in Präsenzveranstaltungen organisiert werden kann?

Die Arbeit im und aus dem Home Office hat uns wenig Probleme bereitet. Als Technologie-Unternehmen haben wir es da sicher leichter als andere Unternehmen. Ein Glück ist, dass wir bei sehr vielen Kunden auf langjährige persönliche Kontakte aufbauen können. Neue Kontakte zu knüpfen ist jetzt sicherlich etwas erschwert. Aber die Zahl der Go-Lives, die wir fast komplett remote umgesetzt haben, ist inzwischen riesig und wächst Tag für Tag.

Wir dürfen dabei aber nicht unsere besondere Verantwortung vergessen: Die Unternehmen stecken zu einem großen Teil in erfolgskritischen Situationen und unsere Beratung und Unterstützung kann den Unterschied machen, wie es für sie in Zukunft weitergeht. Natürlich wollen alle gerne in die Transformation ihres Geschäftsmodells und in weitere Digitalisierung investieren. In der Corona-Zeit sorgen sie sich aber nicht wenige auch um ihre Ausgaben, Kosten und Reserven und sind deshalb verständlicherweise besonders vorsichtig. Da ist es an uns, den Mehrwert ganz konkret herauszustellen und die Möglichkeiten für die Zukunft aufzuzeigen. Wir müssen jetzt zeigen, was wir können, jetzt ist die Gelegenheit! Denn aktuell ergeben sich auch große Chancen, die Zusammenarbeit mit unseren Kunden auf ein neues Level zu heben.

Treibt Corona die Digitalisierung speziell im Public Sector voran? Sehen Sie hier einen Trend, der sich auch nach Corona fortsetzen wird?

Ja, im Public Sector wird sich jetzt viel tun. Mit der Corona-Warn-App und anderen Projekten haben wir gezeigt, was wir in kurzer Zeit leisten können: mit Apps für die Beantragung von Fördermitteln, das Bettenmanagement für Covid-Patienten und nicht zuletzt für die Rückholaktion gestrandeter Touristen im Ausland für das Außenministerium.

Hier bleiben wir am Ball. Die öffentliche Hand hat jetzt teilweise auch mehr Spielräume als privatwirtschaftliche Unternehmen. Die Entscheidungsstrukturen bleiben natürlich ganz andere als etwa im Mittelstand, aber das Bewusstsein ist auf jeden Fall sehr gewachsen. Dass diese Lösungen mehrfach prominent von der Presse und Fernsehen aufgegriffen wurden, unterstreicht einmal mehr die Kompetenz von SAP für den öffentlichen Sektor, Kommunen, Verwaltungsbehörden und öffentlich-rechtliche Unternehmen. Und das wird auch so wahrgenommen.

Intelligentes Datenmanagement wird zur Basis neuer digitaler Anwendungen und Geschäftsmodelle

Die Digitalisierung steht bei fast allen Unternehmen schon sehr viel länger auf der Agenda. Wie kann SAP Unternehmen bei ihren Digitalisierungsvorhaben unterstützten? Welche Rolle spielen hier Initiativen wie „Intelligent Enterprise“ oder „Give Data Purpose“ für SAP, wie können Ihre Kunden davon profitieren?

Give Data Purpose ist in der Tat eine Initiative, die deutlich macht, dass Daten nicht zum Selbstzweck erhoben werden. Mit intelligenter Organisation und Analyse der Daten, die sowieso im Unternehmen sind, lassen sich Anwendungen entwickeln, die einen echten Mehrwert bieten – bis hin zu komplett neuen, digitalen Geschäftsmodellen. Häufig können sich Unternehmen gar nicht ausmalen, was da alles möglich ist. Mit digitalen, datenbasierten Anwendungen können wir unsere Kunden in die Lage versetzen, ihre Kunden noch viel besser zu bedienen. Das bedeutet für sie eine direkte Wertschöpfung beziehungsweise Wertsteigerung. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist hier die Plattform-Strategie, die exemplarisch aufzeigt, wie eine viel weitergehende Vernetzung der Daten im Unternehmen oder mit Zulieferern und Partnern ermöglicht werden kann.

Gibt es spezifische Bereiche, in denen Sie den Unternehmen zu Digitalisierungsinitiativen raten würden, etwa weil sie sich schnell auszahlen oder mit geringerem Organisationsaufwand verbunden sind?

Das ist sehr individuell und von Industrie zu Industrie ganz unterschiedlich. In aller Munde sind die Einbindung von Künstlicher Intelligenz in der Administration, BigData-Business-Analytics-Projekte, IoT-Anwendungen in der Produktion oder der Logistik. Wir bringen genau dieses Know-how aus der Industrie, Logistik und anderen Branchen mit. In den Gesprächen mit dem Kunden ergeben sich meist sehr schnell Ansatzpunkte, welche Lösungen in Frage kommen, die speziell auf seine Anforderungen zugeschnitten sind und einen Mehrwert bieten.

Wie sieht die SAP-Strategie im Hinblick auf On-Premise/Cloud-Services aus?

Anlässlich der Q3-Zahlen haben wir intensiv miteinander diskutiert und die Strategie angepasst. Wir werden das Cloud-Wachstum jetzt noch stärker in den Fokus nehmen. Die Kunden wollen inzwischen viel schneller in die Cloud und das ist gut so. Natürlich müssen wir dabei die individuellen Gegebenheiten, wie etwa gewachsene Infrastruktur- und Anwendungslandschaften ins Kalkül ziehen. Wir suchen für unsere Kunden immer die ideale Lösung für ihre Bedürfnisse, was zum Beispiel dann auch eine Hybrid-Lösung sein kann.

Verlässliche Lieferketten und Nachhaltigkeit bleiben Top-Themen – auch nach Corona

Zum Thema Nachhaltigkeit: SAP hat das Programm „Climate 21“ vorgestellt, mit dem Kunden ihre CO2-Emissionen über die gesamte Lieferkette messen und ihren Ressourceneinsatz optimieren können. Gibt es darauf schon eine Resonanz bei den Kunden?

Das Interesse ist groß, häufig werden Diskussionen zu diesem Thema zum Ausgangspunkt für weitergehende Lösungen. Fragen der Lieferkette stehen jetzt noch mehr im Fokus, auch und gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Im Vordergrund stehen dabei die Resilienz der Lieferkette und die Kontrolle über die Prozesse vom Sourcing über die Herstellung bis zur Auslieferung und dem Service. Auch wenn die Pandemie im nächsten Jahr hoffentlich in den Hintergrund treten wird, wird das Thema Nachhaltigkeit und CO2-Verbrauch wieder ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Und wir bieten Lösungen dafür an.

Und zum Schluss: Wenn Sie ein Resümee aus den ersten 100 Tagen in Ihrer neuen Position ziehen: war es so, wie Sie erwartet hatten? Was wünschen Sie sich (ganz persönlich) für die Zukunft?

Es war schon ein schönes Gefühl wieder „nach Hause“ zu kommen. Vieles in der SAP Deutschland ist ähnlich wie in den anderen Market Units in Mittel- und Osteuropa, wo ich zuletzt tätig war. Aber die Pandemie hat doch einiges verändert. Das Geschäft ist noch schneller und schnelllebiger geworden, das hätte ich vor ein paar Jahren so nicht für möglich gehalten. Und obwohl natürlich die Anforderungen unserer Kunden für mich und mein Leadership-Team im Fokus stehen, wünsche ich mir, dass wir trotz aller Anspannung immer ein offenes Ohr für unsere SAP Kolleginnen und Kollegen behalten. Dasselbe gilt für das gute Miteinander mit unseren Kunden, ganz wie wir es mit der DSAG dieses Jahr erlebt haben. Diese echte partnerschaftliche Zusammenarbeit, die mit vielen Kunden schon so lange besteht, ist die Grundlage des Erfolges auf beiden Seiten: Wir können nur dann erfolgreich sein, wenn unsere Kunden es auch sind.