Im Kampf gegen COVID-19 sind stabile globale Lieferketten entscheidend. Mit SAP-Software gelangen Impfstoffe schnell an den richtigen Ort.
Die Welt hat im vergangenen Jahr viel darüber gelernt, wie anfällig Lieferketten sind. Wer schon einmal eine dringende Lieferung nicht rechtzeitig erhalten hat – und die meisten von uns kennen dieses Problem –, hat eine Vorstellung davon, wie sich Verzögerungen bei der Impfstofflieferung auf die Menschen und die Gesellschaft auswirken können.
Bislang ungekannte Herausforderungen für Lieferketten
Auch die Pharmaindustrie kennt diese Situation. Zahlreiche Unternehmen in der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung haben im Rekordtempo neue Impfstoffe entwickelt und getestet. Sie stehen nun vor der nächsten Herausforderung. Um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, benötigen rund 7,6 Milliarden Menschen weltweit eine oder zwei Impfungen. Die Zeit drängt, da das Virus mutiert und immer ansteckender wird. Die gewaltige Nachfrage bringt die Lieferketten der Hersteller von Corona-Impfstoffen an ihre Grenzen.
Lieferketten in der Pharmaindustrie sind komplex und hatten schon immer mit Problemen zu kämpfen, erläutert Bruce Y. Lee, Professor für Gesundheitspolitik und -management an der Graduate School of Public Health and Health Policy der City University of New York. Laut Professor Lee lag das häufig an einer falscher Lagerung, Fehlern beim Transport und Personalmangel. Dadurch entstanden erhebliche Engpässe, und in vielen Fällen mussten Impfdosen entsorgt werden, weil sie nicht mehr brauchbar waren.
Die internationalen Impfstoffhersteller beginnen jedoch nicht bei Null. Datenintensive Branchen wie die Pharmaindustrie haben sich stetig weiterentwickelt, und viele der Global Player haben inzwischen ihre Produktionsanlagen digitalisiert, um Produktionskapazitäten flexibel ausweiten zu können.
Die Mehrheit der großen Impfstoffhersteller nutzt SAP-Systeme
18 der 20 weltgrößten Impfstoffhersteller steuern ihre Produktionsanlagen bereits mit SAP-Lösungen, die sämtliche Prozesse von der Fertigung über eine kontrollierte Verteilung bis hin zur Impfung und Impf-Nachverfolgung abdecken. Einer dieser Hersteller ist das deutsche Unternehmen CureVac, dessen COVID-19-Impfstoff derzeit die klinischen Tests durchläuft. „Wir benötigen SAP für die weltweite Fertigung und Verteilung unseres Impfstoffs“, erklärt Pierre Kemula, Finanzvorstand von CureVac (siehe Video unten).
Der US-amerikanische Hersteller Moderna, der im Januar mit der Auslieferung seines Corona-Impfstoffs begonnen hat, nutzt SAP-Software für die Verteilung vieler Hundert Millionen Impfdosen. Lösungen von SAP Digital Supply Chain sollen das Unternehmen bei der Serialisierung und Verteilung unterstützen. SAP Advanced Track and Trace for Pharmaceuticals hilft Moderna dabei, internationale Vorschriften einzuhalten, mit denen verhindert werden soll, dass gefälschte Arzneimittel zu Patienten gelangen. Die Anwendung bietet ein unternehmensinternes Serialisierungsverzeichnis und Funktionen für Berichte an Behörden. Für die Zusammenarbeit mit Partnern in der Lieferkette, zu denen Auftragsfertiger und Großhändler wie AmerisourceBergen zählen, setzt Moderna auf SAP Information Collaboration Hub for Life Sciences. Dabei handelt es sich um ein Public-Cloud-Netzwerk, das Handelspartnern in einer pharmazeutischen Lieferkette die Kooperation erleichtert. Allein in den USA werden darüber bereits Informationen zu über 70 Prozent aller zu prüfenden Medikamente verarbeitet.
Ähnliche Tools sind bei AstraZeneca, Sanofi, GlaxoSmithKline (GSK) und Pfizer im Einsatz. Sie alle arbeiten an der Entwicklung von Corona-Impfstoffen. Hier einige Beispiele:
- Über 90 Prozent der Umsätze aus dem weltweiten Arzneimittel- und Impfstoffgeschäft von GlaxoSmithKline werden mit dem ERP-System von SAP verwaltet. Damit kann das Unternehmen die erfassten Daten nutzen und Erkenntnisse aus diesen Informationen ableiten, um seine Abläufe zu optimieren. Bei der Beschaffung der Rohstoffe zur Produktion seiner Impfstoffe setzt GSK außerdem auf SAP Ariba.
- AstraZeneca nutzt die Software SAP Work Manager zur Überwachung seiner Fertigungsanlagen und kann so vorhersagen, wann Maschinen gewartet werden müssen. Laut Michael Zboray, Lead Business Analyst bei AstraZeneca, hat sich die Effizienz der Mitarbeiter in der Produktion dadurch um 6 bis 8 Prozent verbessert.
- Der französische Arzneimittelhersteller Sanofi führte 2017 SAP S/4HANA ein, um seine Prozesse zu standardisieren und zu harmonisieren, die Entwicklung von Standardlösungen zu unterstützen und die Effizienz zu verbessern.
Impfstoffhersteller sind auf reaktionsschnelle, transparente und flexible Lieferketten angewiesen
Sobald ein Hersteller die Entwicklung einer neuen Impfstoffformel abgeschlossen und alle Testphasen durchlaufen hat, muss er die nächste Hürde überwinden: den Aufbau einer zuverlässigen Produktion und Logistik. Die Verteilung und Verabreichung von Impfstoffen in der Größenordnung der COVID-19-Impfkampagnen ist jedoch eine gewaltige Herausforderung. Es steht viel auf dem Spiel, da Störungen in der Lieferkette dazu führen können, dass Impfdosen nicht ausgeliefert werden – mit negativen Auswirkungen auf das öffentliche Vertrauen. Verzögerungen kosten Menschenleben und lassen die Aussicht auf Herdenimmunität in weite Ferne rücken. Schnell auf unerwartete Unterbrechungen reagieren zu können ist deshalb entscheidend und nur dann möglich, wenn die gesamte Lieferkette von der Beschaffung über die Produktion bis hin zur Auslieferung durchgängig verwaltet wird.
Nach Einschätzung von Dr. Oliver Nürnberg, Chief Product Owner für SAP Life Sciences bei SAP, unterscheidet sich die COVID-19-Lieferkette in drei Aspekten von einer typischen Lieferkette der Pharmaindustrie, die eine enge Abstimmung erforderlich machen.
Erstens muss die Temperatur der meisten Impfstoffe genau überwacht werden. In der Regel müssen sie bei Temperaturen zwischen 2° und 8° C oder in herkömmlichen Gefrierschränken gelagert werden. Für den Impfstoff von BioNTech/Pfizer ist jedoch eine Temperatur von –70° C vorgeschrieben, sodass während des gesamten Transports bis zur Ankunft in den Impfzentren besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen. „Die Echtzeitüberwachung der Temperatur ist hier ein riesiger Vorteil und ermöglicht dem Hersteller ein schnelles Reagieren, wenn Impfdosen durch Fehler beim Transport unbrauchbar werden“, erklärt Oliver Nürnberg.
Zweitens wird die Nachfrage nach Impfstoffen noch für geraume Zeit größer sein als das Angebot, weshalb die COVID-19-Lieferkette nicht im Pull-, sondern im Push-Modus operiert. Regierungen weltweit nehmen so viele Impfdosen, wie sie bekommen können; Bestellungen erfolgen nicht nach den sonst üblichen Verfahren.
Drittens gibt es andere Akteure und Rahmenbedingungen. Die Empfänger von Corona-Impfstofflieferungen sind in der Regel Regierungsbehörden und nicht die im Umgang mit sensiblen Arzneimitteln erfahrenen Apotheken. Medizinisches Personal und Patienten müssen zum richtigen Zeitpunkt in den neu eingerichteten Impfzentren sein, und auch die benötigte Ausrüstung und die Impfdosen müssen zu den jeweiligen Impfterminen in ausreichender Menge und unter den richtigen Bedingungen zur Verfügung stehen.
All diese Faktoren bringen hohe Anforderungen für die Teams mit sich, die die Impfprogramme verwalten und für eine schnelle, transparente und flexible Verteilung sorgen müssen.
SAP Vaccine Collaboration Hub unterstützt die Impfkampagne der Bundesregierung
Um groß angelegte Impfkampagnen zu unterstützen, wie sie derzeit zur Bekämpfung von COVID-19 durchgeführt werden, hat die SAP ihr Geschäftsnetzwerk vor Kurzem um die Lösung SAP Vaccine Collaboration Hub erweitert. Sie deckt den gesamten Prozess von der Fertigung über eine kontrollierte Verteilung bis hin zur Impfung selbst und der Impf-Nachverfolgung ab. Über cloudbasierte SAP-Anwendungen (SAP Logistics Business Network, SAP Integrated Business Planning, SAP S/4HANA, SAP Analytics Cloud und SAP Cloud Platform Integration) bietet SAP Vaccine Collaboration Hub transparenten Einblick in den Impfprozess.
„Die humanitäre Logistik ist in unserem Kampf gegen die Pandemie eine große Herausforderung“, führt Lars Werthmann vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Sachsen aus. „Lösungen von SAP ermöglichen eine digitalisierte Planung, Beschaffung, Bestandsverwaltung und Auslieferung der Impfdosen.“ Die Plattform stellt Informationen zur Verfügbarkeit, zu den Liefermengen und zu den Fortschritten von Impfprogrammen bereit und ermöglicht die Echtzeitplanung sämtlicher Logistik- und Verteilungsprozesse. So ist das DRK in der Lage, die Bürger sieben Tage die Woche zu impfen.
„Mit SAP Vaccine Collaboration Hub können sich alle Akteure entlang der Lieferkette auf ihre Aufgaben konzentrieren: die Planung, Bestellung, Produktion, Lagerung, Transport, Auslieferung, Nachverfolgung, Prüfung oder Verabreichung der Impfstoffe“, erklärt Katrin Lehmann, die den Bereich Customer Innovation and Maintenance bei SAP leitet. „Unser oberstes Ziel ist es, Leben zu retten, die Wirtschaft anzukurbeln und den Menschen wieder soziale Kontakte zu ermöglichen.“
Dieser Artikel ist unter Mitwirkung von Sarah Heinz, Klaus Böckle und Tilman Göttke entstanden.
Video von Tilman Göttke und Klaus Böckle, SAP