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Das Projekt bei epsotech begann 2020. Jetzt ist der erste Standort live gegangen – etwas später als ursprünglich geplant. Was das Unternehmen in der Zwischenzeit über Verantwortlichkeiten und Datenqualität gelernt hat – und warum es strategisch richtig war, dem Projekt mehr Zeit zu geben.

Im Sommer 2020 hatten wir schon einmal über epsotech berichtet, damals begann das Projekt gerade. Seitdem hat sich einiges im Unternehmen verändert. Die Organisation ist ein ganzes Stück klüger geworden, hat gelernt, warum es wichtig ist, auch in einem laufenden Projekt geänderte Rahmenbedingungen frühzeitig zu erkennen und direkt anzugehen. Aber der Reihe nach.

epsotech produziert Kunststoffplatten und -folien für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete, für Sitzverschalung in Zügen bis hin zu nachhaltigen Spielplatzgeräten. Schutzwände in Krankenhäusern und Zahnarztpraxen gehören ebenfalls zum Produktportfolio, sie liefert das Unternehmen in Zeiten von Corona auch mit antibakterieller Beschichtung.

Mit dem größten Produktportfolio auf dem europäischen Markt beschäftigt epsotech rund 600 Mitarbeiter, und seine Geschichte ist typisch mittelständisch. Die sieben Standorte – ursprünglich eigenständige Unternehmen – bedienen unterschiedliche Produktsegmente. Und sie nutzen dabei sieben unterschiedliche ERP-Systeme. „Von Integration kann also bisher nicht wirklich die Rede sein“, so Daniel Faller, Executive Director Group Finance & IT bei epsotech und ERP-Projektleiter. Enterprise Resource Planning (ERP) umfasst alle Kernprozesse, die zur Führung eines Unternehmens notwendig sind: Finanzen, Personalwesen, Fertigung, Logistik, Services, Beschaffung und andere. ERP-Software hilft, all diese Prozesse in einem integrierten System zu verwalten. Markführer bei solchen Lösungen ist SAP mit SAP S/4HANA – und für dieses Programm hatte sich auch epsotech entschieden.

Bei seiner Einführung ging es natürlich auch darum, die vielen unterschiedlichen Systeme unter einen Hut zu bringen, also um Durchgängigkeit und Integration. Aber nicht nur, wie Daniel Faller betont. Mindestens ebenso wichtig sei „Transparenz bezüglich der Wünsche unserer Kunden, des Einkaufs und der Produktionskapazitäten, auch um die historischen Stärken einzelner Standorte konsequent als Gruppe nutzen zu können.“ Beispielsweise setzt das Unternehmen in Italien mit gutem Erfolg eine Produktionssoftware ein, die jetzt über Schnittstellen an SAP S/4HANA angebunden ist und dadurch auch von anderen Standorten genutzt werden kann.

ERP-Einführung dient der Verzahnung und der Integration

Dass sich epsotech am Ende mit der Einführung mehr Zeit ließ als ursprünglich geplant hat mehrere Gründe. Erstens gab es in der Zwischenzeit einen Wechsel in der Geschäftsführung – und zweitens eine Reihe von strategischen Richtungsentscheidungen. Zentrales Ziel dabei war, die Verzahnung und Integration der einzelnen Unternehmensteile noch konsequenter voranzutreiben, um organisatorisch als Gruppe agieren und funktionieren zu können. Damit dieser Schritt auch nach außen sichtbar wird, firmieren sechs von sieben Standorten – die ehemals unabhängigen Unternehmen – künftig ausschließlich unter epsotech. Der achte – Carolex, französischer Produzent flexibler PETG-Folien – wurde an einen US-Hersteller von Verpackungslösungen für die Medizintechnik verkauft.

Hinzu kommt, dass sich epsotech verstärkt dem Nachhaltigkeitsprinzip verschrieben hat – und bei der Umsetzung auch schon ein gutes Stück vorangekommen ist. „Unser Ziel ist es, ein vollständig recycelbares Portfolio anzubieten und nicht recycelbare Lösungen im Markt zu ersetzen“, so Carina Marotta, Marketingchefin bei epsotech. „Zudem setzen wir auf dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft auf und leisten mit einer hohen Recyclingquote einen aktiven Beitrag zu einer wirtschaftlicheren und nachhaltigeren Umwelt.“ Was auch den Vorteil hat, dass epsotech ausrangierte Kunststoffprodukte und -materialen von den eigenen Kunden zurückkaufen und wiederverwenden kann. Mindestens ebenso spannend ist die Idee hinter „Sea Plastics“: Gemeinsam mit einem dänischen Recyclingunternehmen bringt epsotech eine Produktpalette auf den Markt, die auf Faserkunststoffen aus Fischer- und Schleppnetzen, Seilen von Häfen und von Netzmachern basiert.

Auch Nachhaltigkeitsansatz muss sich am Ende rechnen

Der Einsatz von SAP S/4HANA spielt auch für die Nachhaltigkeitsstrategie insofern eine zentrale Rolle, als es uns „ ermöglicht, die komplexen Stoff- und Werteflüsse einer Kreislaufwirtschaft ganzheitlich und transparent abzubilden“, so epsotech Finanzchef Daniel Faller. „Wir haben uns klar dem Ziel der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft verschrieben, müssen dies aber auch in unser Business integrieren können.“

Wie eingangs erwähnt, ging Anfang 2022 der erste Standort – die Holding in Deutschland – live. Jene vier Töchter, die dem epsotech-Kerngeschäft am nächsten sind, sollen innerhalb der kommenden 18 Monate folgen, die übrigen zu einem späteren Zeitpunkt.
Womit wir zurück sind bei der Frage, was das Team in den zurückliegenden Monaten gelernt hat – über ERP-Systeme, über Daten und über das eigene Unternehmen. Die erste, nur auf den ersten Blick überraschende Erkenntnis lautet: „Eine SAP-Implementierung ist kein IT-Projekt“, so Daniel Faller. „Es geht zunächst darum, Prozesse zu strukturieren und Verantwortlichkeiten zuzuweisen, festzulegen, wer was freigibt oder wer über die Kreditlinie eines neuen Kunden entscheidet. Das hat mit dem Thema ERP ja nicht direkt etwas zu tun.“
Auf der anderen Seite sei es ohne fundierte ERP-Kenntnisse schwierig bis unmöglich, die Anforderungen an ein neues System zielgenau zu formulieren. „Deshalb war ja auch der Implementierungspartner so wichtig. Weil nur er uns konkret aufzeigen konnte, welche Möglichkeiten wir durch das neue System haben.“

Datenqualität bereinigen: „Wir dachten, wir kennen alle Herausforderungen…“

Zugleich war es ungeheuer wichtig – so die nächste Erkenntnis – den internen Keyusern während der Einführung ausreichend Freiräume zu verschaffen. Gerade für kleine Abteilungen mit straffem Tagesgeschäft ist diese Anforderung nicht ganz leicht zu erfüllen.

Weiterer Punkt, und auf den legt Daniel Faller besonderen Wert: Die konsequente Bereinigung der Datenqualität in den Altsystemen. Und das gilt nicht nur für epsotech Germany, sondern auch und gerade für alle Gesellschaften im Rollout. „Wir dachten lange, so Daniel Faller, wenn wir in Deutschland mit der größten und komplexesten Gesellschaft live gehen, dann haben wir alle Prozesse abgebildet, kennen alle Herausforderungen. Das war aber leider nicht so…“

Doch der Irrtum ist mittlerweile ausgeräumt, sodass sich das Team in nächster Zeit ganz auf den Rollout konzentrieren kann – um am Ende alle Benefits einer integrierten, einheitlichen Lösung ausschöpfen zu können.