Nigeria gilt als der Wirtschaftsmotor der Region Westafrika: Selbst die jüngsten Überschwemmungen lassen keinen Zweifel an einer aufstrebenden Wirtschaft – trotz Klimawandel.
Nigeria wurden durch die Fluten obdachlos. Mindestens 600 Menschen kamen ums Leben. 200.000 Häuser wurden durch die Überschwemmungen zerstört oder massiv beschädigt. Betroffen sind 32 der 36 nigerianischen Bundesstaaten. Die schlimmsten Überschwemmungen seit einem Jahrzehnt haben Ernten vernichtet und die Trinkwasserversorgung unterbrochen. Teile der Stadt Lagos sind im Meer versunken.
Im vergangenen Monat fand die Jahrestagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington DC statt. Mai Farid von der afrikanischen Abteilung des IWF warnte vor den Auswirkungen der Überschwemmungen, die auch Kamerun und Tschad getroffen haben und sich vor allem auf Verkehr, Lebensmittelproduktion und die Preise auswirken.
Ernährungsunsicherheit in Nigeria
Farid betonte, dass Nigeria Teil der Region sei, in der die Ernährungslage am unsichersten sei – eine Region, die besonders anfällig für Klimaänderungen sei und dennoch am wenigsten vorbereitet. Sie forderte die Regierung auf, in Infrastruktur und Technologie zu investieren, um die Auswirkungen von Überschwemmungen und anderen klimabedingten Naturkatastrophen künftig zu verhindern und zu mildern. „Ein besserer Wiederaufbau ist etwas, was die Länder berücksichtigen müssen, da der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist“, unterstrich Farid.
Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas und seine größte Volkswirtschaft. Schon vor der jüngsten Überschwemmung war das Land mit zunehmender Ernährungsunsicherheit konfrontiert. Im Agrarsektor herrscht vorwiegend informelle Beschäftigung und die Bevölkerung wächst, was zu einer Verknappung der Nahrungsressourcen führt. Die Entwicklungsindikatoren der Weltbank weisen darauf hin, dass in Nigeria die Zahl der von Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen von 6 Prozent im Jahr 2007 auf 13,4 Prozent im Jahr 2017 stieg.
Schnell wachsende Märkte
Der Agrarsektor trägt am stärksten zur nigerianischen Wirtschaft bei. Zwei Drittel aller Arbeitskräfte sind dort beschäftigt. Laut der Welternährungsorganisation wird die Nahrungsmittelproduktion in Nigeria durch eine Reihe von Faktoren untergraben, darunter schlechtes Pflanzgut und unzureichender Einsatz von Düngemitteln, was zu einer wachsenden Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten führt.
CBi Innovations Limited (CBiIL), der gewinnorientierte Zweig der Convention on Business Integrity, hat die Lösung SAP Rural Sourcing Management eingeführt, um diese Probleme anzugehen und Kleinbauern zu unterstützen. 850.000 kleine Maiserzeuger sollen nun unterstützt und entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten integriert werden.
Während Westafrika, wie auch Afrika insgesamt, noch stark von der Landwirtschaft abhängig ist, ist Lagos eine der am schnellsten wachsenden Megacitys der Welt. Deshalb stehen in Westafrika die Urbanisierung und die damit zusammenhängenden Umweltfragen im Vordergrund, insbesondere bei jungen Erwachsenen. Die Region ist auch dafür bekannt, Stufen der technologischen Entwicklung zu überspringen – zuerst Mobiltechnologie und jetzt Cloud Computing. In Nigeria selbst wird die Zahl der Mobilfunknutzer voraussichtlich von derzeit etwa 40 Millionen bis 2025 auf mehr als 140 Millionen steigen.
Nachhaltigkeit in Afrika
Als Afrikas größter Produzent von Erdöl und Flüssigerdgas, wirkt Nigeria an vorderster Front bei der der Debatte um nachhaltige Entwicklung in Westafrika mit. Nigeria ist auch ein wichtiger Markt für die SAP, zu deren Kunden Nigeria LNG zählt, das sechs Erdgas-Verflüssigungsanlagen betreibt, und die Dangote Group, ein Handelskonglomerat, das von Multimilliardär Aliko Dangote gegründet wurde.
Die Zementtochter Dangote Cement veröffentlicht bereits einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, was auf das persönliche Engagement von Aliko Dangote zurückzuführen ist. Sein Ziel ist es, „ein sozial verantwortliches und wirkungsvolles Unternehmen aufzubauen, das allen Beteiligten dient“. Dangote steht auch kurz vor der Fertigstellung der Dangote-Raffinerie. Sie wird die größte einsträngige Ölraffinerie der Welt sein und eine Verarbeitungskapazität von etwa 650.000 Barrel Rohöl pro Tag haben. Wenn die 20 Milliarden US-Dollar schwere Anlage in Betrieb geht, wird Nigeria in der Lage sein, das Öl im Land selbst zu verarbeiten. „Wir führen mit Dangote Gespräche über einige unserer Nachhaltigkeitslösungen und wie sich damit die Umweltauswirkungen messen kann“, sagt Titilayo Adewumi, regionaler Vertriebsleiter für Westafrika bei der SAP.
Auch Nigeria LNG setzt sich für Nachhaltigkeit ein. Das teilstaatliche Unternehmen ist Afrikas größter Exporteur von Flüssigerdgas, wurde aber in jüngster Zeit aufgrund einer Reihe von Faktoren deutlich unter seiner Kapazität betrieben. Zu den Gründen zählen unzureichende Investitionen in den letzten Jahren und Diebstahl von Öl. „Wenn wir das nicht angehen, werden wir aus diesem Sumpf, in dem wir uns befinden, nicht rauskommen“, warnte Philip Mshelbila, der Geschäftsführer von LNG Nigeria. Im vergangenen Monat hielt Mshelbila eine Rede auf einer Konferenz in Lagos. Er räumte ein, dass die Gaslieferungen der vorgelagerten Lieferanten aufgrund der Überschwemmungen reduziert gewesen seien. Er sagte aber auch, dass die Anlagen von Nigeria LNG nicht betroffen gewesen seien und dass die Kapazität zur Produktion von Flüssigerdgas nicht beeinträchtigt sei.
Unternehmen in Nigeria kämpfen auch mit unzuverlässiger Stromversorgung und häufigen Stromausfällen. Dieses Problem habe, so sagen Führungskräfte, einige Hersteller veranlasst, ihren Standort in das benachbarte Ghana zu verlagern. Dort sei die Stromversorgung wesentlich zuverlässiger.
Ghana will Plastikverschmutzung reduzieren
Bei Themen wie Eindämmung der Verschmutzung durch Plastik und Kreislaufwirtschaft sticht Ghana hervor. Das Land hat sich einem zukunftsweisenden Pilotprojekt angeschlossen, der der Global Plastic Action Partnership (GPAP) des Weltwirtschaftsforums. Und nun sorgt die SAP in Ghana für mehr Transparenz in der Kunststoff-Lieferkette. Die Hoffnung ist, dass Menschen, Unternehmen und die Umwelt gleichermaßen davon profitieren. Im Rahmen des Projekts nutzen über 2.000 ghanaische Abfallsammler eine angepasste Version von SAP Rural Sourcing Management, um die Mengen und die Sorten des von ihnen gesammelten Plastiks zu bestimmen. Die Daten werden analysiert und mit marktgerechten Preisen abgeglichen, die in der gesamten Wertschöpfungskette sowohl lokal als auch international gezahlt werden.
Nur etwa 5 Prozent der 1,1 Millionen Tonnen Plastikmüll, die Ghana jährlich produziert, werden recycelt. Dieses neue Pilotprojekt wird derzeit in mehreren Städten in Ghana durchgeführt. Gemeinsam mit der GPAP Africa Regional Coordination Working Group, zu der auch SAP gehört, soll das Projekt auf die gesamte Region und letztlich auf den Kontinent ausgeweitet werden.
Die meisten SAP-Kunden in der Region entscheiden sich eher für Cloud-Lösungen als für On-Premise-Technologie. Die SAP möchte sie dabei unterstützen, ihre Klimaziele zu erreichen, indem sie die CO2-Emissionen entlang der gesamten Lieferkette effizienter, transparenter und verantwortungsvoller darstellen und neue Prozesse und Geschäftsmodelle entwickeln.
Andere Prioritäten berücksichtigen
Doch Cathy Smith, Managing Director von SAP Africa, und andere Experten weisen darauf hin, dass die Themen Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung (ESG) bei Gesprächen zwischen Regierungen und Führungskräften immer wichtiger würden. Und man müsse sich im Klaren sein, dass Kunden in Afrika häufig andere – vielleicht höhere – Prioritäten haben.
Insbesondere Führungskräfte müsse man davon überzeugen, dass Nachhaltigkeit wirtschaftlich sinnvoll ist und letztendlich dem Unternehmen, der Wirtschaft und den Menschen zugutekommt. „Wir erkundigen uns zunächst nach ihren geschäftlichen Prioritäten und dann lassen wir das Thema Nachhaltigkeit einfließen“, erklärt Smith. „Es ist einfach nur eine andere Herangehensweise.“