Ein SAP-Mitarbeiter erzählt, wie er mit der Hilfsorganisation @fire fünf Menschen im türkischen Katastrophengebiet gerettet hat.
In der Nacht auf den 6. Februar 2023 erschütterten zwei starke und mehrere leichtere Erdbeben den Südosten der Türkei und den Norden Syriens. Keine 24 Stunden später war Sebastian Hodapp mit seinem Team der Hilfsorganisation @fire im Katastrophengebiet, um verschüttete Menschen zu finden und zu retten.
„Als private Organisation sind wir flexibel und schnell vor Ort. Bei Erdbebenopfern zählt jede Minute,“ sagt Sebastian Hodapp, der sich seit über 20 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes engagiert. Seit 12 Jahren arbeitet er zudem bei @fire, da er auch im Ausland helfen möchte, Feuer zu bekämpfen und Menschenleben zu retten. Bei SAP ist er seit 18 Jahren.
Das erste Rettungsteam – 17 Einsatzkräfte und zwei Hunde – flog mit nur wenigen Stunden Vorbereitungszeit von Deutschland über Istanbul nach Adana in der Südtürkei. Da sie als eines der ersten internationalen Einsatzteams eintrafen, halfen sie zunächst mit, die Registrierungsstelle der UN für die internationalen Helfer am Flughafen aufzubauen. Danach fuhren sie in sechs Stunden die 150 km über die Berge in die Provinzhauptstadt Kahramanmaraş (kurz: Maraş) im südlichen Teil Anatoliens. Die türkischen Behörden stellten ihnen dafür Transporter und Fahrer zur Verfügung.
Gefährliche Trümmer
In Maraş baute ein Teil des @fire Teams das Zeltlager für die Retter auf, während der andere Teil sofort begann, nach Verschütteten zu suchen. Dazu sprachen sie mit Bewohnern und anderen Rettern, um herauszufinden, wo die Hoffnung besteht, unter den Trümmern noch Überlebende zu finden. In diesem Fall befanden sich die Personen vor allem in den Trümmern ehemaliger Wohngebäude, da sie nachts vom Erdbeben überrascht wurden.
Danach kamen die Hundeführer mit ihren speziell ausgebildeten Suchhunden zum Einsatz, da die Tiere relativ schnell einen recht großen Bereich absuchen können. „Die Hunde haben gelernt, nur dann zu bellen, wenn sie einen noch lebenden Verschütteten wittern,“ erklärt Sebastian Hodapp. Schlägt ein Hund an, lauschen die Helfer mit Horchgeräten auf Rufe oder Klopfzeichen. Sie setzen auch kleine Teleskopkameras ein, die sie durch Löcher und Ritzen schieben um damit Erdbebenopfer zu finden.
Haben die Retter einen Verschütteten gefunden, steigt die Anspannung. Denn sie spüren die Last der Verantwortung, jetzt alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diesen Menschen zu retten. Dafür nutzen sie verschiedene Werkzeuge, wie etwa Stemmhammer und Betonbohrer, um an schwer zugängliche ehemalige Gebäudeteile zu gelangen. Dabei begeben sie sich nicht selten selbst in Gefahr. „Zu unserem Team gehören auch Bauingenieure, die eine Einschätzung abgeben können, wie einsturzgefährdet die Trümmer sind,“ sagt Sebastian Hodapp. Medizinisch ausgebildete Teammitglieder betreuen, soweit es ihnen von außen möglich ist, die Verschütteten während des gesamten Rettungseinsatzes.
Sebastian Hodapp berichtet von einer sehr langwierigen Rettungsaktion, bei der zwei Opfer, die sich vor dem Beben im ersten Stock des Wohngebäudes befunden hatten, nach stundenlanger Arbeit befreit wurden. Die Retter verschafften sich mit Hilfe eines Baggers und anderem Gerät Zugang über das Kellergeschoss und gelangten dann Stück für Stück nach oben zu den Verschütteten.
Kräftezehrende Rettungsaktion
Während ihres sieben Tage dauernden Einsatzes rettete das Team insgesamt fünf Menschen. Ein Einsatz ist Sebastian Hodapp, der selbst Vater einer zweijährigen Tochter ist, besonders nahe gegangen: „Wir haben 20 Stunden lang versucht, eine Mutter und ihre sechsjährige Tochter zu befreien – und am Ende haben wir es endlich geschafft,“ erzählt er. „Die Erleichterung und die Freude, die man dann empfindet, sind unbeschreiblich. Doch das Gefühl ist nur von kurzer Dauer, da sofort die nächste Rettungsaktion ansteht – das ist sehr kräftezehrend.“ Vier der Geretteten konnten die Helfer schon in der ersten Nacht befreien, ein 15-jähriges Mädchen dann erst zwei Tage später.
Sebastian Hodapp und das Retterteam blieben eine Woche vor Ort. Er sagt: „Sieben Tage nach dem Erdbeben ist die Wahrscheinlichkeit, noch Menschen lebend retten zu können, sehr gering – gerade bei den anhaltend niedrigen Temperaturen, die teilweise unter dem Gefrierpunkt liegen, besonders nachts.“ Er ist froh, dass für die letzten Such- und Rettungsarbeiten zur Zeit noch mehrere internationale Teams vor Ort sind. In enger Abstimmung mit der United Nations Disaster Assessment and Coordination (UNDAC) wurde @fire daher am Samstagabend aus dem Einsatz entlassen.
Am Sonntagmorgen trat das Team die Heimreise an. Sebastian Hodapp sagt: „Es tut gut, nach solch drastischen Erlebnissen wieder einmal wahrzunehmen, welches Glück wir haben und wie gut es uns geht. Ich bin voller Demut und Dankbarkeit zu meiner Familie und einem sicheren Dach über dem Kopf heimgekehrt. Die Betroffenen im Erdbebengebiet dagegen werden noch die nächsten Monate und vielleicht Jahre in ihrem Leid gefangen sein“.
Kompetenzen für die Arbeit
Bei SAP leitet Sebastian Hodapp die lokale IT aller deutscher Geschäftsstellen und zusätzlich die IT Event Services für EMEA. „Ich bin froh, dass mein Team in meiner Abwesenheit spontan für mich einspringt – und dass meine Vorgesetzten mir im Katastrophenfall so kurzfristig freigeben,“ sagt Sebastian Hodapp.
Der Manager ist sich sicher, dass seine Ausbildung zum Retter und die Einsätze seine Lebenseinstellung und seine Arbeitsweise verändert haben. Er sagt: „Unter Zeitdruck Ruhe bewahren. Zunächst überlegen, wie die Aufgabe am besten zu lösen ist und dann entschlossen handeln – das habe ich bei meinen Einsätzen gelernt. Und das hilft mir bei meiner Arbeit.“
Sebastian Hodapp berichtet auch davon, dass die Kooperation mit Rettungsteams aus allen Erdteilen dazu beigetragen hat, seine interkulturelle Kompetenz zu stärken. Für seine Führungsposition im Unternehmen kommt ihm auch zugute, dass er bei seinen Einsätzen erfahren hat, wie er mit Teamarbeit und Kooperation aber auch mit der nötigen Flexibilität erfolgreich sein kann.
Sein Engagement im Vorstand der Hilfsorganisation kostet Sebastian Hodapp viel Zeit und Energie, aber es gibt ihm auch sehr viel zurück. Kollegen, die noch unschlüssig sind, ob sie sich ebenfalls ehrenamtlich engagieren möchten, sagt er: „Es ist ein sehr gutes Gefühl, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen und etwas Positives zu bewirken. Probieren Sie es aus – ich bin sicher, Sie werden es spüren.“
Die Hilfsorganisation @fire:
- @fire – Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V. ist eine als gemeinnützig anerkannte Hilfsorganisation, die innerhalb Deutschlands als Teil der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Katastrophenschutz anerkannt ist.
- International ist @fire ein anerkannter Teil der UN-Unterorganisation INSARAG (International Search and Rescue Advisory Group) und arbeitet rund um die Welt mit anderen Rettungsorganisationen zusammen.
- Alle der über 400 Mitglieder von @fire arbeiten ehrenamtlich und unentgeltlich, um die Fix- und Verwaltungskosten minimal zu halten. Spenden und Zuwendungen sollen in vollem Maße denen zur Hilfe kommen, die sie wirklich benötigen: Menschen in Not.
Hier können Sie spenden: Helfen Sie uns! – @fire – Internationaler Katastrophenschutz (at-fire.de)