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Anfang des Jahres 2022 hat SAP sein komplexes Service- und Supportportfolio durch eine neue Organisation stark vereinfacht. Hendrik Haas ist seitdem als Head of Cloud Success Services für das gesamte Servicegeschäft und Post-Sales der SAP in Deutschland verantwortlich und Mitglied der Geschäftsleitung. Im Interview spricht er über Kundenerfolg in unsicheren Zeiten, Veränderungen im Consulting in den letzten Jahren und aus welchen Gründen Transformationsprojekte vor allem scheitern.

Herr Haas, sagen Sie bitte mit einem Satz, was ist das Ziel der neuen Organisation Cloud Success Services (CSS)?

Hendrik Haas: Der Fokus liegt auf der schnelleren Einführung und besseren Nutzung unserer Anwendungen. Um es plakativ auf den Punkt zu bringen: Wir wollen die digitale Transformation unserer Kunden rocken und unsere Produkte bestmöglich und nachhaltig zum Einsatz bringen.

Ist dieses Angebot ausschließlich für den Umzug in die Cloud gedacht?

Haas: Nein, unser Portfolio ist so konzipiert, dass es Kunden auf ihrem gesamten Weg End-to-End mit SAP begleitet – in der Cloud, in On-Premise- und in hybriden Umgebungen. Aber natürlich sind wir heute eine Cloud-Company und wir wollen unseren Kunden dort maximal helfen, damit sie eine schnelle Wertschöpfung realisieren und dauerhaften Erfolg erzielen. Dabei machen wir bei unseren hunderten von Projekten im Jahr keinen Unterschied, ob es sich um mittelständische Unternehmen, global agierende Konzerne, Start-ups oder die öffentliche Verwaltung handelt. Auch die Art der Projekte ist völlig unterschiedlich.

Nennen Sie dafür bitte einige konkrete Beispiele?

Haas: Beim Energiekonzern RWE haben wir mit einem großen Team eine umfangreiche Greenfield-Implementierung eines einheitlichen intelligenten ERP-Systems unterstützt. Der Konsumgüterhersteller Henkel, der eine globale strategische Digitalisierungspartnerschaft mit SAP vereinbart hat, brauchte unter anderem unsere Expertise in Spanien und Großbritannien bei der Einführung der Lösung SAP Responsible Design and Production zur Reduzierung des Kunststoffverbrauchs und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Für die Finanzbehörde des Stadtstaates Hamburg haben wir in kürzester Zeit eine Plattform für die Beantragung von Fördermitteln für Kulturschaffende entwickelt. Und beim internationalen Automobilzulieferer Hella, der zur FORVIA Gruppe gehört, ging es um die Implementierung einer ERP-Lösung in 11 Vertriebsgesellschaften im Aftermarket-Geschäft.

Das ist ein breites Spektrum. Gibt es besondere Schwerpunkte in der Tätigkeit von Cloud Success Services?

Haas: Mit mehr als 1500 Mitarbeitenden allein in Deutschland – und natürlich nutzen wir zusätzlich auch unsere globalen Lieferkapazitäten – sind wir branchenübergreifend mit Abstand der größte Anbieter von SAP-Dienstleistungen. Dazu zählen konzeptionelle Fragestellungen ebenso wie Architekturdesign. Aber beispielsweise auch Migrationsprojekte in die Cloud, die wir komplett durchführen, ebenso wie das Safeguarding oder Change Management und Trainingsangebote. Die Größe des Kunden ist dabei nicht entscheidend, sondern uns reizen vor allem innovative Herausforderungen. Wir sehen unsere Verantwortung insbesondere darin, den Markt weiterzuentwickeln und neue Technologien als Vorreiter voranzubringen. Deshalb unterstützen wir zum Beispiel auch SAP-Partner bei ihren Kundenprojekten. Dabei gibt es in der Praxis völlig unterschiedliche Konstellationen.

Stehen Sie nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu den Partnern?

Haas: Der Markt ist für uns alle groß genug, aber wir haben darin eine besondere Rolle. Wir fördern ein dynamisches Partnernetz, das wichtige Branchen- und Fachkenntnisse beisteuert, um unsere Kunden bei der Planung und Umsetzung ihrer Projekte zu unterstützen. Auch unser Service- und Support-Portfolio ist so ausgerichtet, dass es einfach durch das Angebot der Partner ergänzt werden kann. Wir geben unser Know-how weiter und stellen Ressourcen, Inhalte, Werkzeuge und Angebote bereit, mit denen die Partner den Erfolg ihrer Kunden steigern können. Das ist unser gemeinsames Interesse. Im Einzelfall kann es aber trotzdem auch Wettbewerb um einen Auftrag geben. Wir sehen das sportlich, denn dadurch wird der Markt insgesamt vorangebracht. Als CSS-Organisation haben wir ja auch die Verantwortung für die Nutzung unserer Lösungen.

Sie persönlich waren zwischen 1999 und 2006 bei der SAP als Berater tätig und sind nach einer längeren Unterbrechung mit ganz unterschiedlichen Karrierestationen Ende 2019 wieder zurückgekehrt. Was hatte sich in der Zwischenzeit verändert?

Haas: Natürlich ist die SAP inzwischen sehr viel größer, aber auch die Inhalte der Arbeit und die technologischen Möglichkeiten sind ganz andere. Genauso die Komplexität der Lösungen, die Methoden und die notwendige Geschwindigkeit in der Umsetzung. Aber trotzdem, und das hat mich entscheidend zu meiner Rückkehr bewogen, ist der kulturelle Kern des Unternehmens stabil geblieben. Etwa die hervorragende bereichsübergreifende Zusammenarbeit und die flachen Hierarchien.

Und was ist mit den Kunden? Haben die heute nicht völlig andere Ansprüche? Gerade in den vergangenen Jahren mit Coronakrise, Lieferkettenproblemen und Ukrainekrieg.

Haas: Die Anforderungen an den Nutzen einer Lösung oder den Business Case haben sich eigentlich nicht so stark verändert. Die Kunden stehen in der Regel vor einem konkreten Problem, dass sie mit Hilfe unserer Software möglichst effizient lösen wollen. Wo es nach meiner Wahrnehmung deutliche Veränderungen gibt, ist der Wunsch nach mehr Agilität, höherer Flexibilität und einem schnelleren Tempo bei der Umsetzung. Das erfordert von uns, dass wir echte strategische Guidance bieten und auch andere Methoden als früher einsetzen.

Sie konnten in Ihrer beruflichen Laufbahn Veränderungsprozesse aus unterschiedlichen Blickwinkeln erleben. Verraten Sie uns die Gründe, woran Transformationsprojekte in Unternehmen überwiegend scheitern?

Haas: Früher waren das meist ganz harte Fakten, etwa mangelnde Performance oder fehlende Integrationsmöglichkeiten. Heute liegen die Ursachen mehr bei den weichen Faktoren wie unzureichende Change-Prozesse oder beim Enabling der Mitarbeitenden. Es fehlen oft grundlegende Voraussetzungen für den Erfolg, etwa die Klarheit über Ziele, den Ausgangspunkt und die Rahmenbedingungen. Wenn dieses Fundament nicht stimmt, läuft ein Projekt schnell schief. Wichtig ist auch die Absicherung und Kontrolle, die wir durch unser Guidance-Angebot gewährleisten, und eine sinnvolle Zeitplanung.

Ihre Organisation nennt sich Cloud Success Services, wie definieren Sie denn Kundenerfolg?

Haas: Das ist natürlich in jedem Unternehmen individuell. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Was in unsicheren Zeiten wie heute vor allem zählt, ist neben Effizienz eine schnelle Anpassungsfähigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit. Wir sehen uns in der Verantwortung, dass unsere Kunden das Potenzial ihrer Cloud-Lösungen möglichst optimal nutzen.

Wie können Sie das erreichen?

Haas: Dazu ist vor allem ein kontinuierlicher Dialog mit immer wieder neuen Denkanstößen von beiden Seiten notwendig. Wir wollen nicht einfach ein Stück Software über den Zaun werfen und dann möglichst schnell wieder verschwinden. Sondern es geht uns um eine langfristige Beziehung und um einen erkennbaren Wertbeitrag für das Geschäft unserer Kunden. Der Nutzen einer Lösung zeigt sich nicht im Einführungsprojekt, sondern erst wenn mit den Systemen gearbeitet wird. Und gerade in dieser Phase wollen wir unsere Kunden begleiten und mit Rat und Tat unterstützen.

Hendrik Haas war nach seinem ersten SAP-Leben 13 Jahre lang als Führungskraft bei den Consultingfirmen Capgemini und Kienbaum sowie im IT-Strategiebereich der Deutschen Telekom tätig. Dann wechselte er als Partner zur mittelständischen Managementberatung goetzpartners und gründete mit mehreren Kollegen die Strategieberatung ADVYCE, wo er fünf Jahre als Geschäftsführer tätig war. Nach dem Wiedereinstieg übernahm er bei SAP Digital Business Services die Verantwortung für die Industry Division Process, Services & Utilities, bevor er im April 2020 als Head of Services Germany startete. Im Zuge der Neugestaltung und Erweiterung des Cloud-Portfolios entwickelte sich dieser Bereich zur neuen Organisation Cloud Success Services. Hendrik Haas leitet diese seit Beginn 2022.