Beyond Gravity modernisiert seine heterogene Software-Umgebung und will dabei alle Vorteile einer Cloud-Lösung nutzen. Beim ERP setzt das Raumfahrtunternehmen deshalb auf SAP S/4HANA Cloud, public edition – ohne Wenn und Aber.
Obwohl katastrophale Asteroideneinschläge in der Erdgeschichte selten waren, ist die Bedrohung, die Asteroiden für das Leben auf unserem Planeten darstellen, sehr real. NASA und ESA haben deshalb eine Mission ins Leben gerufen und testweise einen der Doppelasteroiden Didymos/Dimorphos durch einen aufschlagenden Satelliten minimal von seiner Bahn abgelenkt. Nun soll sich im Oktober 2024 die Sonde Hera in Teil zwei der Mission auf den Weg zu Dimorphos machen und ab Oktober 2026 die Auswirkungen des Einschlags genauer untersuchen.
Beyond Gravity: Weltraumtechnologie zum Nutzen der Menschheit
„Die Erde vor einem Asteroiden zu beschützen, der die gesamte Menschheit bedrohen könnte, ist eine bedeutsame und aufregende Aufgabe.“
Johan Eckerstein, CIO bei Beyond Gravity.
Das Raumfahrtunternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz gehört zum Kreis der Zulieferer, die Hera mit Hochtechnologie ausstatten. Konkret liefert das Beyond Gravity etwa die beiden Solarpaneele der Sonde. Neben dem Bau verschiedenster Satellitenkomponenten, stellt der Raumfahrtspezialist auch so genannte Launcher (Satelliten-Verteilmodule) her und widmet sich in einem dritten, aber kleineren Geschäftsbereich, der Chip-Lithographie. Laut der Marktdatenplattform Tracxn rangiert Beyond Gravity mit seinem Portfolio global auf Rang drei unter insgesamt 21 Wettbewerbern.
Transformationsprojekt EZYone stellt die Weichen für die Zukunft
„Unser Anspruch ist es, das beste Raumfahrtunternehmen zu sein: das modernste, das digital fortschrittlichste und das spannendste Unternehmen, für das man arbeiten kann“, erklärt Johan Eckerstein. Als CIO versteht er es als seine Aufgabe, die technologische Grundlage für diese Vision zu schaffen. Die Weichen dafür hat er im Oktober 2022 mit dem Projekt EZYone gestellt.
Johan ist 49 Jahre alt und hat die letzten 12 Jahre in der Schweiz gelebt. Obwohl er ein „Göteborger Sohn“ und Absolvent der Chalmers Universität ist, hat er den Großteil seiner Karriere an anderen Orten verbracht, aber immer im Bereich der Technologie und Transformation. Johan verbringt den Großteil seiner Freizeit auf dem Weg hinauf oder hinunter von einem Berg, in Wanderschuhen, Laufschuhen oder auf Skiern.
Für das Raumfahrtunternehmen, das als Start-up auftritt, sich aber zugleich auf seine jahrzehntelange Raumfahrterfahrung beruft, ist das tiefgreifende digitale Transformationsprojekt EZYone ein ebenso notwendiges wie herausforderndes Vorhaben im Hinblick auf die Privatisierung: Beyond Gravity agiert seit Mai 2022 mit seinem aktuellen Namen am Markt, geht aber auf die Schweizer RUAG Space zurück, die Raumfahrt-Division des Schweizer Technologiekonzerns RUAG International.
Wie der Name des Programms schon sagt, geht es darum, Dinge „einfacher“ zu machen. Beyond Gravity ist in der Vergangenheit aus verschiedenen Unternehmen und Standorten gewachsen. Dementsprechend gibt es derzeit verschiedene Standorte mit unterschiedlichen IT-Systemen, die nicht miteinander verbunden sind.
Mit EZYone bereiten wir Beyond Gravity darauf vor, ein „digital-first“-Unternehmen zu werden, das künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen, Augmented Reality (AR) und viele andere neue Technologien nutzen wird. Der erste Schritt ist der Aufbau eines gemeinsamen digitalen Kerns, der es uns ermöglichen wird, einen enormen Mehrwert zu schaffen und neue Wege zu finden, um unsere Kunden zu bedienen.
SAP S/4HANA Cloud, public edition: Aus sieben mach eins
Die Business-Einheiten der Beyond Gravity verfügen, jede für sich, über eine umfassende, gewachsene Expertise. Doch IT-seitig führte die wechselhafte Unternehmenshistorie zu komplexen, ineffizienten und unwirtschaftlichen Prozessen durch einen Mix an Altsystemen, der beispielsweise allein sieben verschiedene ERP-Systeme umfasst.
IT-Lösungen bei Beyond Gravity 2023:
7 ERPs (Enterprise Resource Planning)
8 PLMs (Product Lifecycle Management)
5 BPMs (Business Process Management)
2 MESs (Manufacturing Execution Systems)
Der Kick-off des Projektes erfolgte im Oktober 2022. „Wir haben zunächst festgelegt, wie die grundlegende Architektur der neuen IT-Landschaft aussehen soll“, erläutert Eckerstein. Das führte zur Entwicklung einer Reihe von Gestaltungsprinzipien, die den Erfolg des Projektes sicherstellen sollten, darunter:
- Jeweils eine Lösung für alle Business-Einheiten
- Cloud first
- Standard first (Out-of-the-box)
- Keine technischen Daten im ERP
- Schneller GoLive im ersten Quartal 2024
In Summe führten diese Kriterien im ERP-Bereich schließlich zur Entscheidung für SAP S/4HANA Cloud, public edition. „Aus Sicht eines agilen Startups und Weltmarktführers, der wir werden wollen, ist die Cloud die beste Lösung“, erklärt der CIO. „Mit der Entscheidung für eine Cloud-Lösung verpflichtet man sich eher der Roadmap eines Anbieters als einem statischen Produkt. Und als mittelständisches Unternehmen profitieren wir von einem Anbieter, der wie die SAP über die Infrastruktur und Manpower verfügt, die Lösung zuverlässig und sicher zu bereit zu stellen.“ Das entlaste die IT-Mitarbeitenden und schaffe Freiräume für wertschöpfendere Aufgaben.
92-prozentige Abdeckung aller Prozesse durch den Standard
Wer die Vorteile der Public Cloud nutzen wolle, müsse diesen Weg aber auch konsequent folgen, betont Eckerstein. Das heißt in erster Linie: Bei der Transformation der Geschäftsprozesse sei der Standard der Public-Cloud-Lösung so weit wie möglich einzuhalten. Bei Beyond Gravity lautete deshalb die Vorgabe:
- 80 Prozent der Prozesse sind über den Standard abzudecken – und gegebenenfalls an diesen anzupassen.
- Essenzielle Prozesse, die nicht vom Standard abgedeckt sind, kommen auf die To-Do-Liste der SAP, um innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens realisiert zu werden.
- Für alle nicht-essenziellen Prozesse sind andere Wege der Realisierung zu eruieren: Drittanbieter-Lösung, manuelle Prozesse oder andere „kluge Wege“ (Eckerstein).
Das Ergebnis dieser Vorgehensweise überraschte selbst Eckerstein: „Es gelang uns, 92 Prozent aller Prozesse mit der Standard-Lösung abzudecken. Im Finanzbereich konnten wir tatsächlich keine einzige Lücke entdecken.“ Für die Praxis bedeutet das unter anderem:
- Verantwortliche Führungskräfte sind künftig in der Lage sich mit wenigen Klicks einen Statusüberblick aller Projekte in Echtzeit – unabhängig von Land oder Währung – zu verschaffen.
- Konzerninterne Prozesse können effizienter ablaufen, zum Beispiel durch vollautomatische Auftragserteilung und -bestätigung oder dem Tracking aller Waren auf dem Transportweg.
Doch der geringe Anteil von 8 Prozent an offenen Prozessen kann eine gewaltige Lücke darstellen, wenn auch nur einer dieser Prozesse geschäftskritisch ist.
Übrigens holte sich Beyond Gravity seinerzeit die SAP (genauer SAP Schweiz) auch als Implementierungspartner an Bord, um bei der Fortentwicklung der ERP-Cloud-Lösung auf möglichst kurzem Wege mit den SAP-Entwicklern kommunizieren zu können.
Public Cloud ERP erfordert kalkulierte Risikobereitschaft
Die Hälfte der anberaumten Projektzeit ist inzwischen verstrichen. Der Bau der Lösung hat im September 2023 stattgefunden. Zurzeit befindet sich das Unternehmen in der ersten Testphase. Der erste Go-Live soll im März 2024 in Schweden stattfinden. „Dieses Tempo ist nur in der Public Cloud möglich“, sagt Eckerstein, „aber auch nur, wenn Sie das richtige Mindset mitbringen.“ Soll heißen: Wer die Vorteile der Public Cloud nutzen möchte, muss gegenüber einer On-premises-Installation eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen und darauf bauen, dass die Roadmap des Anbieters in die richtige Richtung geht. „Das hat nichts mit blindem Vertrauen zu tun, sondern ist eine ganz sachliche Abwägung von Wahrscheinlichkeiten.“