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KI – Handeln statt Hadern

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Künstliche Intelligenz (KI) wird unsere Welt stärker verändern als einst das Internet. Sie stellt somit eine der tiefgreifendsten Veränderungen seit der industriellen Revolution dar. Wollen wir in Deutschland diesem Wandel nur zusehen oder ihn aktiv gestalten?

KI ist da, ob wir wollen oder nicht. Der rasante Aufstieg generativer KI liegt aus meiner Sicht in drei Faktoren begründet: Erstens technologischer Fortschritt, denn durch verbesserte KI-Architekturen und verfügbare Daten konnten die Modelle mit beeindruckender Leistung punkten. Zweitens ein ökonomischer Effekt: Erfolgreiche Plattformen der Vergangenheit wie das Internet und die Cloud haben ihren Durchbruch erlebt, als die Grenzkosten gegen Null gingen – die Geburtsstunde für Plattforminnovationen. Das bedeutet beim Internet beispielsweise, dass die Kosten für immer mehr Inhaltsverteilung gegen Null gingen. Das ist, was wir jetzt auch mit generativer KI für Inhaltserstellung sehen. Deshalb ist KI kein Hype, sondern eine Innovationsplattform. Drittens sehen wir eine wachsende soziale Akzeptanz, denn Millionen von Nutzern hatten über Nacht Zugang zu Sprachmodellen wie ChatGPT und konnten sie selbst ausprobieren – damit rückte generative KI in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit.

KI ist mächtig, aber nicht allmächtig. Künstliche Intelligenz ist ein großes Wort. Die smarten neuronalen Netze und Modelle begeistern uns, da sie dafür ausgelegt sind, menschliche Muster so gut wie möglich nachzuahmen. Sie können für bestimmte Arten von Problemen Lösungen bieten. Was sie nicht können: einen Lösungsansatz für ein bisher ungelöstes Problem finden und mit der schier unerschöpflichen Kreativität und Empathie des Menschen konkurrieren.

Die Trends für 2024: Wie generative KI die ERP-Anwendungen auf vierfache Weise verändert

Neulich wurde ich gefragt, wann KI für mich einen Wow-Effekt erzielt hatte. Das war für mich in dem Moment, als ich las, dass ChatGPT das Medizinexamen in den USA bestanden hatte. Und wenig später meisterte ChatGPT auch die schriftlichen deutschen Medizinstaatsexamina – wenn auch nur knapp. Meine Frau ist Ärztin und somit sind mir Medizin und Klinikalltag nicht ganz fremd. Wird KI hier den Menschen ersetzen? Nein. Wird eine Technologie wie KI das Leben von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen – und damit den Patienten – verbessern? Ich meine, ja. KI schafft Freiräume für Fachkräfte, wo sie am meisten gebraucht werden.

KI verändert alles. Gehen wir mit dieser Veränderung nur mit oder gehen wir mutig voran? Wir stehen an einem entscheidenden Punkt, an dem generative KI auch die Geschäftsprozesse in Unternehmen maßgeblich verändern wird. McKinsey hält KI für einen Produktivitäts-Booster und weltweite Zuwächse in Billionenhöhe für wahrscheinlich. Das ist dringend nötig, wenn wir auf die demografische Entwicklung und den wachsenden Fachkräftemangel schauen. Vorausgesetzt, die Unternehmen nutzen KI konsequent. So viel steht fest: KI wird die Art und Weise, wie wir arbeiten und leben, umwälzen.

KI wird unser Land prägen. Die Frage ist, ob wir sie als bedrohliche Konkurrentin oder hilfreiche Begleiterin sehen. Wir haben es in der Hand, ob diese signifikanten Veränderungen einen Innovationsschub für Deutschland und Europa bringen. Deutschland muss sich – ja wir alle müssen uns – auf Veränderungen einstellen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Es ist wichtig, die Risiken zu erkennen und zu minimieren, aber auch die Möglichkeiten als Chance zu begreifen.

Was müssen wir also tun, um diese Chance für Deutschland zu nutzen?

Stärken und Wettbewerbsvorteile nutzen

Laut einer IW-Studie können Systeme mit Funktionen generativer KI zukünftig zur Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft in Höhe von rund 330 Mrd. Euro beitragen. Wir wären in der Lage, uns einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, wenn KI wertorientiert, transparent und erklärbar ist. Ein passender rechtlicher Rahmen mit hohen ethischen Standards fördert die Innovationsfähigkeit, eine Überregulierung würde das Gegenteil bewirken. Wir sollten generative KI nicht pauschal als Hochrisiko einstufen, sondern Raum für Innovation lassen – mit dem risikobasierten Ansatz des EU AI Acts bewegen wir uns in die richtige Richtung. Und wenn die verschiedenen Regulierungen zu KI und Datenschutz ineinandergreifen, sind wir auf einem guten Weg. Denn: Es darf keine Kompromisse beim Einsatz von KI geben, wenn es um geschäftskritische Prozesse und Entscheidungen geht.

Deshalb sehen wir es bei SAP als unsere Pflicht an, vertrauenswürdige, zuverlässige und im Geschäftskontext relevante KI-Ergebnisse zu liefern. Daher schauen wir, wie wir die verschiedenen Modelle bestmöglich einsetzen, um Kunden einen Mehrwert zu bieten. Die Modelle verhalten sich nämlich durchaus unterschiedlich. Wir sehen uns als treibende Kraft im Hinblick auf Unternehmens-KI. Trotzdem verlassen wir uns nicht nur auf das eigene Know-how, sondern arbeiten mit Forschungsinstitutionen und führenden Anbietern von generativer KI zusammen.

Geschäftsnetzwerke transformieren die betrieblichen Kernprozesse mit KI

Unser Credo ist: KI ist natürlicher Bestandteil unserer Software – und intuitiv in Prozesse und Anwendungen eingebunden. Warum? Weil es nicht darum geht, ein Gedicht schreiben zu lassen, sondern KI im konkreten Unternehmenskontext auf Basis von Echtzeitdaten zu nutzen. Und im Zweifel unternehmenskritische Entscheidungen zu unterstützen. Um das zu ermöglichen, arbeiten wir an einem eigenen Foundation Model, das auf den Daten von tausenden Kunden, die mit der Nutzung ihrer Daten einverstanden sind, trainiert wird. Diesen wertvollen Kontext haben KI-Modelle, welche auf öffentlich verfügbaren Daten trainiert wurden, nicht. Daher werden sie zwar das Medizinexamen bestehen, weil das Wissen im Internet verfügbar ist. Eine komplexe Fragestellung im Unternehmenskontext werden sie hingegen nicht beantworten können. Denn KI ist nur so gut wie die Datenbasis, auf die sie zurückgreift. Das schließt das Herausfiltern von vorurteilsbehafteten Daten oder Anfragen ein.

Innovationsklima & Technologieoffenheit fördern

Momentan werden 73 Prozent der großen KI-Modelle in den USA und 15 Prozent in China entwickelt. Das liegt auch an der Bereitschaft zu Investitionen. Dass die Bundesregierung bis zum Jahr 2025 circa 3,5 Mrd. Euro in KI investieren wird, ist ein positives Signal, reicht aber nicht aus. Auch der private Sektor muss branchenübergreifend deutlich mehr investieren. Dazu kommt: Die „Can Do“ Mentalität ist anderswo ausgeprägter – unter 1.300 Start-up-Unicorns weltweit sind nur 36 in Deutschland. Dabei zählt unsere KI-Forschung zur Spitze. Die Erkenntnisse münden jedoch zu selten in Unternehmensgründungen.

An Erkenntnis mangelt es uns in Deutschland nicht, uns fehlt der Wille zur Umsetzung. Und laut der Machbarkeitsstudie LEAM:AI mangelt es auch an Rechenleistung und einer Supercomputing-Infrastruktur für KI. Darüber hinaus sollten wir KMU stärken. Der Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft muss die notwendige Unterstützung – auch aus öffentlicher Hand – erhalten, um KI voranzutreiben. Gemäß einer bitkom-Studie nutzen 15 Prozent aller Unternehmen bereits KI. Das ist noch nicht der dringend benötigte KI-Innovationsschub. Immerhin 68 Prozent verstehen die Wichtigkeit und halten KI für die wichtigste Zukunftstechnologie, aber noch zu wenige handeln. Damit wird deutlich: Die meisten setzen sich mit KI auseinander, aber für viele Unternehmen stellt KI gegenwärtig noch kein Thema dar. Diese Lücke gilt es zu schließen, damit in Zukunft nicht nur eine Minderheit, sondern der größte Teil der Unternehmen KI nutzt. Handeln statt hadern!

Veränderungsbereitschaft & lebenslanges Lernen kulturell verankern

Innovation beginnt im Kopf. Jedes Unternehmen wünscht sich Beschäftigte, die unternehmerisch denken. Die nicht warten wollen, was aus anderen Ecken der Welt auf uns zurollt. Aber dafür müssen wir unsere Vorbehalte gegenüber neuen Technologien abbauen. Weil Ängste den Blick auf Chancen versperren, sind Unternehmen jetzt in der Pflicht. Transparenz ist das wichtigste Mittel, um Mitarbeitenden die Sorge vor Automatisierung und KI zu nehmen.

KI wird uns Menschen nicht überflüssig machen, jedoch bestehende Berufe verändern. Gut ausgebildete Fachkräfte sind und bleiben unverzichtbar – und KI kann helfen, dem Fachkräftemangel ein stückweit entgegenzuwirken. Nicht nur die Technologien selbst, sondern vor allem der verantwortungsvolle Umgang mit Daten muss ein selbstverständlicher Teil des Schulunterrichts sein. Genauso selbstverständlich sollten Unternehmen KI in ihre betriebliche Fortbildung einbetten. Was mir aber besonders am Herzen liegt: Im Grunde geht es für den Großteil der Fachkräfte nicht darum, KI in jedem Detail zu verstehen. Dafür gibt es Experten, genauso, wie es Experten gibt, die komplexe Fertigungsmaschinen konstruieren. Es geht darum, die Kompetenzen der Zukunft auszubilden: kritisches Denken sowie die Fähigkeit, Informationen einzuordnen – und vor allem Empathie. Sich in andere Menschen hineinzuversetzen, ist die Kernkompetenz der Zukunft! Das sind Fähigkeiten, die den Menschen einzigartig machen.

Insofern sehe ich in KI keine Apokalypse, vielmehr eine unserer besten Chancen für Erneuerung und Fortschritt. Denn das Zusammenspiel von Mensch und Maschine ist kein Duell, sondern ein Duett.


Thomas Saueressig ist Mitglied des Vorstands der SAP SE.

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