Im Juli 1995 konnten die Mitarbeitenden der SAP erstmals das internationale Demo-System IDES nutzen.

„IDES-Wunder“ sollten die Mitarbeitenden bitte nicht erwarten, schrieb Dietmar Pfähler in einer E-Mail am 14. Juli 1995. Der Projektverantwortliche des „International Demonstration and Education System“ räumte ein, dass das System noch nicht fehlerfrei laufe, dass die „Daten noch lange nicht perfekt“ und „auch die neuen Help-Scripts“ noch nicht vorhanden seien. Dennoch habe man einen „ersten Meilenstein in der Datenpflege erreicht“ und es bestehe „große Nachfrage nach einem halbwegs stabilen 3.0-System, in dem man selbst auch arbeiten kann“. Es sei „sicherlich für viele von uns hilfreich, ein gepflegtes 3.O-System zum Spielen und Probieren zur Hand zu haben“, so Pfähler weiter.

Das IDES-Team bei einem Meeting im Jahre 2003. Von links: Jochen Rothermel, Gerhard van der Beck, Wolfgang Deventer, Peter Mierzwa, Martin Rupp, Bernd Hess, Wolfgang Müller, Volker Rein, Sergio Marcelo Cura Daball, Ashraf Hamed.
Jochen, Gerhard, Bernd, Wolfgang, Marcelo und Ashraf sind heute noch bei SAP.

IDES war ein Demosystem für die Client-Server-Software SAP R/3 (ab Release 3.0) und repräsentierte zunächst das Modell eines internationalen Konzerns mit verschiedenen Konzernunternehmen. In Verbindung mit einem Demo-Leitfaden war es eine Hilfe zum Selbstlernen der Systemfunktionalitäten, der Organisations- und integrierten Prozessstrukturen, die durch R/3 abgedeckt wurden. Eine stetig wachsende Datenmenge erweckte die Modellfirmen „zum Leben“ und erlaubte den direkten Zugriff auf die angebotenen Anwendungsbereiche.

„IDES war nicht nur ein System, sondern eine neue Philosophie, eine Revolution im Bereich Demo und Training“, sagt Marcelo Cura Daball, der Ende 1995 Teil des Teams wurde und die Entwicklung von IDES entscheidend mitgeprägt hat. „Das System lebte tatsächlich wie ein Kundensystem. Alles war so, wie es ein Kunde auch real vorfinden würde. Das war neu und das haben die Kunden geliebt“, so Marcelo.

Mit IDES wollte SAP den Entwicklern eine Testumgebung bereitstellen, eine Grundlage für internationale Trainingssysteme sowie für Kundenworkshops und fürs Prototyping schaffen. Marcelo: „Die Grundidee war: Unsere Vertriebsleute etwa im Presales demonstrieren in dem System, das gleichzeitig auch Schulungen abdeckt. Die Kunden gehen nach dem Training nach Hause und können die Übungen mit den gleichen Daten wiederholen, die sie in der Schulung gesehen haben.“

Kunden liefern echte Daten

Dietmar Pfähler kam aus dem Vertrieb und war der „geistige Vater“ von IDES, er entwickelte das betriebswirtschaftliche Konzept. Er war eine „Institution“ bei SAP, so Marcelo, und international gut vernetzt. So wurden die Inhalte für IDES zwar zentral in Walldorf, aber mit Unterstützung aus den Regionen entwickelt und den Landesgesellschaften dann übersetzt zur Verfügung gestellt. Viele Kunden lieferten echte Daten, etwa Stücklisten, die im System gepflegt wurden. Dazu arbeitete das Team mit realistischen, wenn auch anonymisierten Adressen.

Der Aufbau des Systems war für den Projektleiter jedoch kein Selbstläufer. Immer wieder musste Pfähler um Manpower und um Unterstützung aus den Ländern bitten. Die „Mindest-Ausstattung des Teams“ betrug für Pfähler zwölf Mitarbeiter für die konzeptionelle Arbeit und zwei Mitarbeiter für die ständige Pflege der Daten. Zusätzlich müssten Mitarbeiter aus den Landesgesellschaften auf Projektbasis hinzugezogen werden können, wie er in einem Brief an den SAP-Vorstand am 25. September 1995 formulierte und in dem er für ein ausreichendes „Staffing“ warb. „Das IDES-Team kann eine Ausbildungsstätte für die spätere SAP-Generation werden, bei der Spezialwissen für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, Modellbildung für Kundenszenarien sowie die SAP-Realisierung als Projektgeschäft trainiert werden. Dieser Typ von Mitarbeiter ist heute bei SAP unterrepräsentiert, wird aber künftig immer häufiger nachgefragt werden.“

Im Frühjahr 1996 wurde IDES erstmals an Kunden ausgeliefert. Bald vermittelte IDES praxisnah die mehr als 1.000 Geschäftsprozesse im System R/3. Inhaltliche Schwerpunkte waren zunächst Finanzen, Materialwirtschaft und Vertrieb. Die Anwender konnten mit IDES in ihrem gewohnten Arbeitsumfeld an firmenspezifischen Beispielen den Umgang mit dem System trainieren. Das Team wuchs und baute zwischenzeitlich rund 800 kundenspezifische Demos – pro Woche, wie Gerhard van der Beck erzählt. In dieser Zeit wurde auch ein dediziertes IT-Team etabliert, TDC (Training, Demo, Consulting), das für die Systemkopien und die technische Wartung der IDES-Systeme verantwortlich war. Nachdem Dietmar Pfähler IDES etabliert und die ersten Meilensteine erreicht hatte, verließ er die SAP (kehrte aber später wieder zurück). Gerhard übernahm mit tatkräftiger Unterstützung durch Marcelo die Leitung des IDES-Teams.

Einstieg ins Internet

Gerhard van der Beck bei einer Mitarbeiterversammlung im Dezember 1999.

SAP-Mitgründer Hasso Plattner gefiel die IDES-Idee – insbesondere, als Marcelo und Gerhard ihm den Vorschlag unterbreiteten, das System vor die Firewall zu setzen und mit IDES die Internet-Tauglichkeit der SAP-Software zu demonstrieren. „Dazu mussten wir die Komplexität reduzieren und das System radikal verschlanken“, erzählt Gerhard. Und Marcelo fügt hinzu: „Hasso war begeistert, als wir die sehr mächtigen Transaktionen mit vielen Screens und Subscreens auf nur zwei Screens reduzierten. Zum ersten Mal konnte man bei SAP einen Auftrag mit zwei Screens und nur ein paar Klicks anlegen.“

„Kunden, die eine SAP-Lizenz gekauft haben, durften kostenlos ein IDES-System installieren“, berichtet Jan Krell, der neben Thomas Habersack für die Auslieferung des Systems zuständig war. Hauptkunden des Teams blieben aber Vertrieb und Presales, „die mit IDES beim Kunden gezeigt haben, was SAP kann“.

IDES wandelte sich im Laufe der Jahre. Mit dem Aufblühen des Internets wurde IDES zum „Internet Demonstration & Evaluation System“ und ermöglichte ab 1999 Kunden, Partnern und Interessenten, die Lösung mySAP.com via Internet zu testen. Jetzt sollte IDES auch mithelfen, „mittelfristig eine Senkung der Vertriebskosten“ zu ermöglichen (Geschäftsbericht 1999).

Weil das Team auf die Unterstützung von Experten aus anderen Bereichen sowie auf Trainer und Studierende baute, die Daten pflegten und das System nach jedem Update testeten, blieb es schlank und hatte nie mehr als 30-35 Mitglieder. „Die Kollegen waren manchmal schon erstaunt, dass wir mit so wenigen Leuten so viel auf die Beine stellen konnten“, erzählt Thomas Schulze, der für die Dokumentation verantwortlich zeichnete. „Es war eine gute Referenz, sagen zu können, dass man ein halbes Jahr im IDES-Team getestet und sich in die Anwendungen eingearbeitet hat. Da hat man schon viel gelernt und es war sehr hilfreich für Bewerbungen innerhalb der SAP. Ganz viele sind auch bei SAP geblieben und haben Karriere gemacht“, fügt er hinzu. Hier bewahrheitete sich der Wunsch von Dietmar Pfähler, zu einer „Ausbildungsstätte für die spätere SAP-Generation“ zu werden.

Steigende Komplexität

Dietmar Pfähler im Jahre 2001 auf der CeBIT im Gespräch mit einer gewissen Angela Merkel, damals Vorsitzende der CDU. Möglicherweise hat er ihr SAP mithilfe von IDES nähergebracht.

Aber die Komplexität stieg zum Ende der 1990er-Jahre – insbesondere mit den „New-Dimension-Lösungen“ wie CRM, SCM und Business Intelligence. Als SAP zur Mehr-Produkt-Firma wurde, stieß auch das IDES-Team allmählich an seine Grenzen. „Wir mussten als Demoteam die ganze Produktpalette abdecken und uns dazu aufteilen und spezialisieren“, erinnert sich Jan Krell. „Auf Dauer war diese Komplexität für uns nicht mehr leistbar“, ergänzt Thomas Schulze.

Hinzu kam, dass der neue Marketingchef Marty Homlish, der im Jahr 2000 zur SAP kam, bald mit Unterstützung von Hasso Plattner darauf drängte, „unser Demosystem besser und schöner zu gestalten“, wie Gerhard van der Beck erzählt.

Nicht zuletzt konnte IDES die gestiegenen Erwartungen der Kunden an eine einfache und schnelle Möglichkeit des Testens im Internet mit dem Slogan „Test-drive Your Solution Online“ nicht erfüllen, so Gerhard. „Es fehlte an Performance, und die Technologie, der Internet Transaction Server, lief noch nicht so stabil wie erhofft.“

IDES büßte ganz allmählich an Bedeutung ein. Doch auch wenn es nicht mehr IDES heißt: Das Team ist immer noch da und betreibt heute mit der SAP Demo and Experience Cloud und verschiedenen Technologien Demosysteme, mit denen SAP-Vertrieb und Presales beim Kunden Demos zeigen. Kunden, die sich ein Testpaket herunterladen wollen, verweisen Jan und Kollegen an die SAP S/4HANA Fully-Activated Appliance.

Während Dietmar Pfähler längst im Ruhestand ist und in dieser Zeit acht Jahre lang den von Dietmar Hopp gegründeten Verein „Anpfiff ins Leben“ leitete, sind Marcelo Cura Daball und Gerhard van der Beck immer noch bei SAP – seit 36 beziehungsweise 30 Jahren. Sie haben IDES mit ihren Kolleginnen und Kollegen als innovatives Demosystem etabliert, das noch heute seine Anhänger (etwa bei University Alliances) hat. Gerhard bringt seine Expertise ins Team „Customer Adoption“ ein, Marcelo beschäftigt sich im Vorstandsbereich Customer Services & Delivery mit der Entwicklung von Automatisierungstools für Demo- und Trainingssystemlandschaften. Beide demonstrieren, dass sie in „ihrer“ SAP nicht zum alten Eisen gehören.

Stolz auf IDES

„Als langjähriger Mitarbeiter im Sales und Presales und vor allem als früherer Kunde von SAP war mir die Bedeutung von erklärbaren Beispielen immer ein Anliegen. Mit dem IDES-Projekt war es uns zum ersten Mal in die Hand gegeben, für alle Mitarbeiter und später auch für die Kunden anhand von verständlichen Beispielen die komplexen Abläufe innerhalb des Systems deutlich zu machen und damit das Lernen und Verstehen wesentlich zu unterstützen.

Auch jetzt, nach so vielen Jahren, freue ich mich immer noch darüber, dass diese schwierige Aufgabe in der großen SAP-Familie als Gemeinschaftsprojekt geschaffen werden konnte und später durch eine exzellente Gruppe dauerhaft fortgeführt wurde.

Ich bin stolz auf SAP und auf IDES und den Weg, den es genommen hat. Danke an alle, die IDES über so viele Jahre gepflegt und weiterentwickelt haben.“

Dietmar Pfähler

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