Um die Staus bei der Holzanlieferung zu beenden, hat Swiss Krono eine Zeitfenster-App auf Basis der SAP Business Technology Platform entwickelt. Die LKW-Fahrer können sich jetzt mit ihrem Smartphone vor der Fahrt zu den Werken einen Termin-Slot für ihre Anlieferung buchen.
Täglich fahren, je nach Standort, zwischen 150 bis 200 Langholz-LKWs mit Auflieger oder Anhänger die Swiss Krono-Werke an. Das mittelständische Familienunternehmen mit Sitz in Luzern, verarbeitet das Holz im industriellem Umfang zu Massenprodukten. Auf den Fahrzeugen liegen Baumstämme mit einer normierten Länge von vier Metern. Die Anlieferer sind vielfältig: Spediteure und Einzelunternehmer – bis hin zu Waldbesitzern, die ihr Holz selbst schlagen und es dann zu den Werken des weltweit führenden Herstellers von Holzwerkstoffen fahren.
Da es insgesamt zehn Swiss Krono-Werke in acht Ländern gibt, rollen auf den Straßen dorthin jeden Tag Tausende LKWs. Ob in der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Polen, Ungarn, Ukraine, Russland oder in den USA, überall das gleiche Bild: „Die meisten Anlieferer fahren früh morgens in den Wald. Sie alle stehen dann bei uns zwischen 10 und 12 Uhr vor der Tür“, berichtet IT-Leiter Andreas Raml.
Dabei fuhren bis vor kurzem so viele mit Baumstämmen beladene Laster zugleich zu den Werken, das sie sich auf den Zufahrtsstraßen stauten, sagt Raml. Im Laufe des Vormittags standen die LKWs bis auf die Autobahn. „Dort darf natürlich nicht geparkt werden, einige Fahrer bekamen von der Autobahnpolizei Strafzettel.“ Der IT-Leiter sagt: „Das ging vielleicht früher, heute geht das aber nicht mehr.“ Die Verantwortlichen beschlossen, die auf Dauer unhaltbare Situation zu ändern.
Fahrer melden sich per Smartphone-App an
Dazu kam, dass das Unternehmen Swiss Krono immer weiter wuchs. „Das heißt, immer mehr freie Flächen in unseren Werken wurden wertsteigernd genutzt“, sagt Raml. So entfielen in den Werken Parkplätze und Stauräume für LKWs, die den Rohstoff Holz anlieferten. „Auch deshalb mussten wir eine intelligente Lösung für unsere LKW-Fahrer finden.“ Während die Warenauslieferung bei Swiss Krono schon seit Jahren über eine Transportmanagementplattform abgewickelt wird, fehlte auf der Wareneingangsseite ein funktionierendes System.
Das System, das sich Swiss Krono überlegt hat, um die Anlieferung durch die LKWs besser zu steuern, ist klassisches Zeitfenstermanagement per App, mit der sich die Fahrer vor der Ankunft einen Slot buchen. Die Fahrer, die die Werke anfahren, bekommen von Swiss Krono nun einen Download-Link auf ihr Handy geschickt. In der App werden ihnen halbstündliche Zeitfenster zur Auswahl vorgegeben. Die App selbst wurde bewusst einfach gehalten. Es gibt sie in den Firmensprachen Englisch, Deutsch, Italienisch, Französisch, Polnisch, Russisch, Ukrainisch, Ungarisch und Tschechisch. Swiss Krono ist eine der ersten Firmen, die ihren Fahrern eine derartige Lösung anbietet.
Im Werk in Polen hatte Swiss Krono zuvor versucht, das Stauproblem mit dem Verschicken von SMS zu lösen. Darin stand, wann die Fahrer ins Werk kommen sollen. Raml: „Das war aber ein Riesenaufwand, weil wir von den Spediteuren die Nummern der LKW-Fahrer brauchten, die sich kurzfristig änderten. Die Fahrer haben keine Firmenhandys, sondern nutzen ihre privaten Geräte.“
Swiss Krono bewegt sich in Richtung SAP HANA
Aufgesetzt wurden die App und das dazugehörende Portal mit den Cloud Services von SAP auf Basis der SAP Business Technology Platform (BTP) und der besonders einfach zu bedienenden Benutzeroberfläche SAP Fiori. „Das hatte den Vorteil, dass die Integration für uns relativ einfach war, und wir dafür keine Drittlösung einsetzen mussten“, sagt Raml.
Denn Swiss Krono und SAP verbindet eine langjährige Kundenbeziehung. „Vor einigen Jahren haben wir uns entschieden, in Richtung SAP HANA zu gehen“, berichtet Raml. Dabei wählte das Unternehmen den Greenfield-Ansatz, also den kompletten Neuanfang auf der grünen Wiese. „Im Zuge dessen haben wir nicht nur unsere Daten auf die neue Plattform migriert, sondern uns auch sämtliche Prozesse noch einmal genauer angeschaut, und einige davon neugestaltet und aufgesetzt.“
Anbindung ans SAP-System
Über die App haben die Fahrer eine Verbindung ins SAP-System von Swiss Krono. Sie sehen dort alle Informationen, die sie benötigen, wie etwa die Lieferscheinnummern. Durch den Einsatz der zur BTP gehörenden Customer Data Cloud von SAP können die Speditionen und anderen Lieferanten die Verwaltung selbst übernehmen.
Wenn die LKWs da sind, startet der „Vereinnahmungsprozess“. Zweimal wird gewogen – bei Ankunft und Abfahrt. Dazu kommt eine Probenentnahme, durch die in 24 Stunden der Wassergehalt des Holzes bestimmt wird. Der Wert des absolut trockenen Holzes bildet die Basis für die Abrechnung. Das reine Entladen mit Gabelstaplern nimmt nur verhältnismäßig wenig Zeit in Anspruch.
Neben der Zeitfenster-App hat Swiss Krono auch ein Lieferanten-Portal entwickelt, in dem die Anlieferer alle Lieferungen, die Bewertung des Holzes und den Preis, den sie bekommen werden, einsehen können. Dort steht bei Kontingentverträgen auch, wie viel Kubikmeter Holz sie noch liefern müssen. „Es ist eine Art Goodie für die Lieferanten, damit sie das Tool auch nutzen“, sagt Raml.
Es habe eine Zeit gebraucht, bis alle Lieferanten das neue System angenommen haben – und es einwandfrei funktionierte. Mittlerweile habe sich aber alles eingespielt, sagt Raml. „Nur, wenn es mal ein internes technische Problem gibt, stehen die Fahrer heute noch bis auf die Straße. In diesem Fall schicken wir den Fahrern über die App eine Push-Nachricht.“
Herausforderung: Durchreichen der Berechtigungen
Der Aufbau der App und die Prozessintegration ins SAP-System seien nicht besonders schwierig gewesen, so Raml. „Die größere Herausforderung war, das Ganze in der SAP-Umgebung zu konfigurieren.“ Die Benutzerverwaltung hinter der Customer Data Cloud, die eigentlich als B2B-Plattform konzipiert ist, musste angepasst werden, damit sie als Verbindung zwischen Spediteur und LKW-Fahrer genutzt werden konnte.
„Diese Integration, mit dem Durchreichen der Berechtigungen von der Cloud-Lösung für die Lieferanten in die App und der Zugriff auf das SAP-System darüber, war ein komplexes Thema“, sagt Raml. Das habe auch daran gelegen, dass Swiss Krono einer der ersten Kunden gewesen sei, der dies in dieser Form von SAP lizenziert und genutzt habe. Das Go-Live erfolgte im Oktober 2021 in Polen. „Von der Planung inklusive Markt- und Technikevaluation bis zur Realisierung hat es rund ein Jahr gedauert“, sagt Raml. „Dabei kam uns allerdings auch die Pandemie dazwischen.“ Ausgerollt wurde die App inzwischen auch in Deutschland und der Schweiz. Frankreich und die USA sollen 2023 folgen.
Das Potenzial der Customer Data Cloud will B2B-Anbieter Swiss Krono nun weiter nutzen. „Wir bauen aktuell ein Kundenportal auf, über das unsere Kunden ihre Bestellungen aufgeben, den Bestellstatus prüfen und die Lagerbestände einsehen können“, sagt Raml. In der Schweiz ist es bereits live.
„Wir wussten schon vorher, dass wir in diese Richtung gehen wollten und haben deswegen etwas höhere Investitionskosten für den Know-how-Aufbau in Kauf genommen. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt, auch in der RoI-Betrachtung“, sagt Raml. Durch die neue App habe man im „Yard-Management“, das sämtliche Aktivitäten auf dem Werksgelände steuert, merklich Personalkosten einsparen können. „Nach der Beseitigung der Kinderkrankheiten können wir sagen: Wir sind sehr zufrieden. Der Aufwand dafür hat sich für uns gelohnt.“