„Wir müssen sicherstellen, dass intelligente Maschinen so funktionieren, dass sie den Menschen dienen und nicht mit ihnen konkurrieren“, so SAP-Vorstandsmitglied Bernd Leukert. In seinem Blog erläutert er im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos, wie man mit Technologie die größten Herausforderungen der Welt angehen und sie in unsere größten Chancen verwandeln kann.
Es ist allgemein bekannt, dass Digitalisierung, datengestützte Services und die damit verbundenen neuen Geschäftsmodelle entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sind.
Das Tempo der Veränderungen, die wir insbesondere im Bereich der Fertigung sehen, ist schneller als je zuvor. Kürzere Markteinführungszeiten, mehr Flexibilität und höhere Effizienz bei gleichzeitiger Gewährleistung der Produktqualität sind nur einige der Herausforderungen, der sich Unternehmen stellen müssen. Und während die Smart Factory vielerorts bereits Wirklichkeit geworden ist, müssen Unternehmen datengestützte Geschäftsmodelle nutzen und weiterentwickeln, den gesamten Produktlebenszyklus von der Entwicklung bis zur Entsorgung digitalisieren sowie Unternehmens- und Fertigungssysteme von der Vorstandsetage bis zum Fertigungsbereich integrieren. Dann können sie das ganze Potenzial von Industrie 4.0 ausschöpfen.
Intelligente Technologien wie Maschinelles Lernen steuern die Produktion von morgen
In einer Smart Factory sind die Produktionsprozesse miteinander verbunden, was bedeutet, dass Maschinen, Schnittstellen und Komponenten untereinander Daten austauschen. Die großen Datenmengen, die dabei erzeugt werden, können zur Optimierung des Fertigungsprozesses genutzt werden. Maschinelles Lernen (ML) zum Beispiel ermöglicht es, auf der Grundlage dieser Daten Vorhersagen zu treffen. ML baut auf Mustererkennung auf und der Computer generiert selbstständig Wissen aus Erfahrung. Mithilfe sorgfältig analysierter Kunden-, Log- und Sensordaten können neue Lösungen gefunden, Prozesse optimiert und manchmal sogar neue Geschäftsmodelle erstellt werden.
Künstliche Intelligenz (KI) – das Konzept von Maschinen, die Aufgaben übernehmen und aus Fehlern lernen können – kann voraussichtlich einen enormen Beitrag dazu leisten, Antworten auf viele der größten gesellschaftlichen Herausforderungen zu finden. KI kann beispielsweise dabei helfen, die Lebensqualität der Bürger zu verbessern. Sie wird auch einen großen Beitrag dazu leisten, die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas zu steigern – in allen Wirtschaftsbereichen, darunter kleine und mittlere Betriebe sowie nicht-technische Branchen.
Das Beratungsunternehmen McKinsey geht davon aus, dass mit KI-Technologien ein jährlicher Wertschöpfungsbeitrag von 3,5 bis 5,8 Billionen US-Dollar möglich ist – in neun Geschäftsbereichen in 19 Branchen. Und mit Industrie 4.0 lässt sich der Kreis schließen. Mit KI können Unternehmen ihre Betriebsdaten zusammenführen, um innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.
Mit den Großen bei Künstlicher Intelligenz mithalten
Europa könnte beim Einsatz von KI eine führende Stellung einnehmen. Europäische Forscher genießen hohes wissenschaftliches Ansehen. Internationale Unternehmen investieren in Europa. Und in Europa hat sich eine dynamische Start-up-Community entwickelt. Doch die KI-Ressourcen sind über ganz Europa verteilt und der internationale Wettbewerb hat sich verschärft. Hierzu ein Beispiel: Im Jahr 2017 flossen 48 Prozent des weltweit bereitgestellten Risikokapitals für KI nach China.
Um das Potenzial von KI zugunsten der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft voll auszuschöpfen und die führende Stellung Europas im Bereich KI sicherzustellen, ist eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene notwendig. Dann lässt sich aus Europas Stärken Kapital schlagen.
Wenn wir uns die Plattformen ansehen, die KI unterstützen, steht Europa vor der gewaltigen Aufgabe, zu den ganz Großen von heute aufzuschließen. Man denke nur an das Programm AlphaGo Zero der Google-Tochter DeepMind. Diese Software war wirklich ein Meilenstein. AlphaGo Zero schlug die vorherige Version AlphaGo, die den 18-fachen Weltmeister Lee Sedol besiegt hatte, mit einem Ergebnis von 100:0. Bisherige Versionen von AlphaGo wurden mit Daten aus Tausenden Spielen menschlicher Amateure und Profis trainiert. AlphaGo Zero übersprang diesen Teil und lernte das Brettspiel “Go” einfach durch Spiele gegen sich selbst – beginnend mit zufälligen Spielzügen. Dabei übertraf das Programm sehr schnell das menschliche Spielniveau.
Mit AlphaGo Zero haben wir erstmals so etwas wie „künstliche Intuition“ gesehen. Warum sollten wir nicht in der Lage sein, diese Art von Intuition – anhand von Maschinendaten – zu entwickeln, um damit Produktionsanlagen zu steuern?
Damit entsteht eine neue Art des Wettbewerbs, denn keine Firma kann dies alleine erreichen. Mit dem Wettbewerb zu kooperieren („Coopetition“) ist für viele Technologiefirmen nichts Neues. Und ich bin davon überzeugt, dass auch die Fertigungsindustrie bald mit der Etablierung solch strategischer Allianzen beginnen muss.
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Bereitschaft zum digitalen Wandel und der Bereitschaft für KI.
Ohne Partner wie Amazon Web Services, Microsoft Azure, Google Cloud Platform oder SAP Cloud Platform wären branchenspezifische Plattformen wie Mindsphere, Axoon oder die Bosch IoT Suite nicht möglich. Um eine kritische Masse an Nutzern und Kompetenz in der gesamten Architektur zu erreichen, müssen die Anbieter aktiv mit ihren Wettbewerbern zusammenarbeiten und gemeinsam Plattformen schaffen.
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Bereitschaft zum digitalen Wandel und der Bereitschaft für KI. Und weil man Technologie einsetzen muss, um Technologien zu entwickeln, ist die digitale Infrastruktur eine weitere entscheidende Voraussetzung. KI-Systeme benötigen enorme Rechenleistung, das heißt, die Server oder Cloud-Computing-Dienste müssen über Mehrkern- und Grafikprozessoren verfügen. Und um Machine-Learning-Systeme zu trainieren, sind große Datenmengen notwendig. Dafür wird wiederum mehr Speicherkapazität benötigt.
KI und ML: Technologie für den Menschen
Seth W. Godin, US-amerikanischer Autor und ehemaliger dot-com-Unternehmer, sagte einst: „Keine Firma hat jemals eine Innovation geschaffen. Die Menschen entwickeln Innovationen, nicht die Unternehmen.“ Und der globale Wettbewerb um Fachkräfte darf nicht vergessen werden. Nahezu alle Unternehmen denken darüber nach, wie KI sich positiv auf ihr Geschäft auswirken kann. Deshalb sind sie alle auf der Jagd nach Fachkräften, die ihnen helfen, ihre Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Künftig werden Unternehmen jeder Größe und Branche um die besten KI-Talente kämpfen.
Auch die Sorgen der Beschäftigten um Arbeitsplatzverlust müssen wir ernst nehmen – denn bis zum Jahr 2025 könnten weltweit rund 75 Millionen Arbeitsplätze wegfallen. Durch Maschinen und Algorithmen könnten gleichzeitig aber 133 Millionen neue Stellen geschaffen werden. Zu diesem Ergebnis kommt das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem Bericht The Future of Jobs 2018. Dies bedeutet, dass durch das Wachstum im Bereich der künstlichen Intelligenz in den nächsten Jahren 58 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.
Deshalb lautet mein Appell: Wir müssen alle dazu beitragen, sicherzustellen, dass intelligente Maschinen arbeiten, um den Menschen zu dienen und nicht, um mit ihnen zu konkurrieren. Es liegt nun an uns allen, technologische Innovationen zu nutzen, um die größten Herausforderungen der Welt anzugehen und sie in unsere größten Chancen zu verwandeln. Lasst uns gemeinsam eine Welt erschaffen, in der künstliche Intelligenz die Menschheit bereichert, in der die Technologie uns von gefährlichen und langweiligen Arbeiten befreit und allen Menschen die Möglichkeit bietet, ihr volles Potenzial zu entfalten.
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