Die Mobilität wird sich in den kommenden Jahren massiv verändern. Zum Schutz der Umwelt wird die Automobilindustrie nach und nach von Verbrennungsmotoren wegkommen müssen. Die wirkliche Veränderung wird sich jedoch in der Art und Weise vollziehen, wie wir Autos nutzen, die 95 Prozent der Zeit geparkt sind. Digitale Plattformen und Mobilitätsservices (MaaS) spielen deswegen eine immer größere Rolle.

Der größte Umbruch in der Automobilwelt wird wahrscheinlich nicht die Umstellung auf Akkus als Antrieb sein. Diese ist zwar für den Erhalt unseres Planeten fraglos von großer Bedeutung, doch die wirkliche Revolution für die Menschen (und damit für das Gewinnstreben) wird die Verlagerung vom Privatauto auf Carsharing sein.

Worauf es bei gemeinsamen Autos ankommt, ist, die verschiedenen Möglichkeiten, von A nach B zu kommen, in ein System von Mobilitätsservices einzubinden. Dafür braucht man eine digitale Plattform, die die Bedürfnisse potenzieller Reisender in Echtzeit mit ortsbezogenen Angeboten von Mobilitätsanbietern zusammenbringt. Daher spricht man auch von „Mobility as a Service“ (MaaS).

MaaS: Planen, buchen und bezahlen mit minimalem Aufwand bei maximaler Mobilität

Wie Fernsehen On Demand auf der Fernbedienung wird künftig auch Mobilität immer und überall auf Knopfdruck verfügbar sein. Der Paradigmenwechsel vom Privatauto zur gemeinsamen Fahrzeugnutzung wird durch MaaS Wirklichkeit. Damit werden nicht nur die Bedürfnisse der einzelnen Reisenden besser erfüllt, sondern auch die Herausforderungen durch den zunehmenden innerstädtischen Mobilitätsbedarf bewältigt.

Der Hauptgedanke bei MaaS lautet: Es braucht kein eigenes Auto, wenn bei Bedarf immer eines verfügbar ist. Auf der CES 2020 in Las Vegas und der Smart City Expo in Barcelona waren MaaS-Konzepte und -Plattformen ein großes Thema. Auf beiden Messen wurden Konzepte vorgestellt, die es Anwendern ermöglichen, an einem zentralen Ort mit minimalem Aufwand Fahrten mit verschiedenen Fahrzeugen zu planen, zu buchen und zu bezahlen. Mit MaaS kann Mobilität auch einer sehr viel breiteren Vielfalt von Zielgruppen erschlossen werden, beispielsweise Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit, niedrigerem Einkommen oder in entlegenen ländlichen Gebieten

Experimente mit „Mobility as a Service“ überall auf der Welt

Städte in aller Welt erproben derzeit Möglichkeiten, ihren öffentlichen Nahverkehr mit gemeinsam genutzten Elektrofahrzeugen wie Autos, Fahrrädern, Scootern und Mopeds zu kombinieren. In Europa laufen interessante MaaS-Pilotprojekte zum Beispiel in Kopenhagen (Movia), Barcelona (MaaS Catalonia), Antwerpen (Civitas Portis) und Hannover (Mobility Shop). Es gibt sie aber auch in der größten südamerikanischen Stadt São Paulo (Bike Sampa) und dem südostasiatischen Stadtstaat Singapur (Whim). In den Niederlanden bereitet das Infrastrukturministerium die umfassende Einführung von MaaS vor. In sieben Regionen des dicht besiedelten Landes läuft dazu ein Pilotprojekt mit verschiedenen Zielgruppen wie Pendlern, Senioren und auch Menschen mit Behinderungen. Ziel ist, nicht nur On-Demand-Service an Verkehrsknotenpunkten in den Städten und am größten Flughafen des Landes (Schiphol) zu bieten, sondern auch, eine bessere Alternative zu immer mehr Asphalt zum Auffangen des stetig zunehmenden Autobahnverkehrs zu finden.

Optimierung der Mobilität in Städten

Kürzlich sicherte sich das finnische Startup-Unternehmen Maas Global Investorengelder in Höhe von 33 Millionen US-Dollar für die Förderung alternativer Mobilitätskonzepte rund um den Globus. Bekannt ist das Unternehmen in erster Linie für Whim, das zahlreiche Modelle auf Abonnementbasis und mit nutzungsbasierter Bezahlung anbietet. Mit der App können die Anwender entscheiden, wie sie mit dem öffentlichen Nahverkehr, mit Mietwagen oder Leihfahrrädern von A nach B gelangen möchten. Dies ist ein hervorragendes Beispiel für die bevorstehende Verlagerung vom eigenen Auto auf das Sharing-Modell sowie dafür, wie verschiedene Akteure im Stadtverkehr effektiv zusammenarbeiten und das Mobilitätsangebot optimieren können. Die MaaS-Plattform verbindet Anbieter (Verkehrsbetriebe), Nutzer (städtische Infrastruktur), Befähiger (Investoren) und Anwender (Reisende).

Standardisierung von Mobilitätsservices ist der Schlüssel zum Erfolg

Damit MaaS-Konzepte Wirklichkeit werden können, müssen sich unsere Verkehrssysteme, wie wir sie kennen, vollständig ändern, meint Gartner. Die dabei zu bewältigenden Herausforderungen sind sowohl technischer als auch nicht technischer Natur. Bei der Entwicklung und Integration geeigneter Mobilitätsservices müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten. Nationale und regionale Regierungen müssen einen geeigneten gesetzlichen Rahmen schaffen, sowie eine angemessene physische und digitale Infrastruktur aufbauen. Mobilitätsanbieter müssen eng zusammenarbeiten und ihre Methoden und Verfahren integrieren. Standardisierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Investoren müssen ins Boot geholt werden, damit sie die Entwicklungen finanziell unterstützen. Diese Hindernisse könnten noch höher werden, wenn MaaS über Landesgrenzen hinweg implementiert werden soll.

Technologien wie 5G und IoT verändern die Mobilität 

Bei Null anzufangen ist keine Option, doch die Integration neuer Mobilitätsservices in bestehende ÖPNV-Netze kann sich als Hindernis erweisen. Dies ist auch häufig der Grund dafür, dass MaaS-Entwicklungen gefühlt stagnieren. Beispielsweise müssen für die gemeinsame Nutzung von offenen Daten und Echtzeitdaten sowie die Integration von Bezahl- und Ticketsystemen Verträge mit bestehenden Verkehrsbetrieben und Vereinbarungen über die Nutzung dedizierter Infrastruktur geschlossen werden.

Für die Reisenden jedoch kann die Integration von bedarfsgesteuerten Mobilitätsservices in das ÖPNV-System riesige Vorteile haben. Operative Abläufe werden damit effizienter und das System wird wirtschaftlicher. Außerdem werden ländliche Gebiete angebunden. Es ist zu hoffen, dass neue Technologien den Prozess in naher Zukunft beschleunigen können und dazu beitragen werden, die Herausforderungen schneller zu bewältigen. Mit 5G wird das IoT-Netzwerk erheblich zuverlässiger, was für vernetztes und automatisiertes Fahren unverzichtbar ist. Die Blockchain-Technologie kann Hindernisse bei den Ticketsystemen und bei der Sicherung der Daten von Reisenden beseitigen.

Die Zukunft sieht für das Sharing-Modell in der Mobilität rosig aus, und MaaS könnte schneller Realität werden, als wir glauben.


Dieser Artikel wurde ursprünglich im Digitalist Magazine by SAP unter der Rubrik “Internet of Things” veröffentlicht.