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In wirtschaftlich unsteten Zeiten wie diesen sind stabile Lieferketten für Unternehmen keine Option mehr, sondern überlebenswichtig. Intelligente Fertigungsprozesse und Industrie 4.0 helfen bei der digitalen Transformation.

Unternehmen müssen heute in der Lage sein auf Nachfrageschwankungen, Versorgungsengpässe und eingeschränkte Kapazitäten zu reagieren. Doch auch über die COVID-19-Pandemie hinaus, stehen sie vor der Aufgabe den hohen Ansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden, die sich individualisierte und nachhaltige Produkte wünschen.

Die gegenwärtige Volatilität hat einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig die digitale Transformation und Industrie 4.0 sind. Wir benötigen flexible und stabile Logistik- und Fertigungsprozesse, um in schwierigen Zeiten Störungen in den Lieferketten abzufedern und in guten Zeiten Geschäftschancen bestmöglich zu nutzen.

Industrie 4.0 wird immer wichtiger

Zunächst standen bei Industrie 4.0 intelligente Fertigungsprozesse im Mittelpunkt. Doch Industrie 4.0 bedeutet noch wesentlich mehr.

Vor dem Hintergrund fallender Kosten für Sensoren und zunehmend ausgereifter Netzwerke entwickeln Unternehmen intelligente Produkte und Anlagen, die mehr Informationen erfassen und stärker in horizontale Geschäftsprozesse integriert werden können. Dadurch hat Industrie 4.0 das Potenzial, sich von einer auf Fertigungsstätten ausgerichteten Initiative zu einer unternehmensweiten Geschäftsstrategie zu entwickeln.

Es ist nun möglich, einen lückenlosen Datenfluss dieser intelligenten Produkte und Anlagen während ihres gesamten Lebenszyklus sicherzustellen. Dadurch können Echtzeitinformationen zurück in die Geschäftsprozesse fließen – von der Entwicklung bis zum Betrieb. Diese Informationen ermöglichen es, durch integrierten Analysen und präskriptive Funktionen die Produktivität deutlich zu steigern, Kosten zu senken sowie vollkommen neue Geschäftsmodelle umzusetzen und neue Einnahmequellen zu erschließen.

Zunehmende Personalisierung und Vernetzung intelligenter Produkte

Immer mehr Kunden erwarten individualisierte und intelligente Produkte, die Informationen erfassen und austauschen können und sich über ihre persönlichen Geräte fernsteuern lassen.

Um Markttrends aufzugreifen und den individuellen Wünschen der Kunden mit innovativen Produkten gerecht zu werden, müssen Unternehmen bereits in der Designphase auf Vernetzung setzen. Unternehmen sind zunehmend bestrebt, intelligentere, Industrie-4.0-fähige Produkte und Anlagen zu entwickeln, die beim Einsatz in einer Produktivumgebung über eingebaute Sensoren Echtzeitdaten erfassen.

Darüber hinaus muss der gesamte Lebenszyklus vom Entwurf bis zur Einstellung eines Produkts digitalisiert werden, um die Prozesse rund um Innovation, Design, Produktentwicklung und Montage zu optimieren und zu automatisieren. Nur so ist es möglich, Informationen nahtlos zwischen der Entwicklung, der Fertigung und dem Anlagenbetrieb auszutauschen.

Intelligente Produkte werden so flexibel entwickelt, dass kurzfristige Konstruktionsänderungen umgehend an die Fertigung übergeben werden können. Dadurch können Unternehmen wesentlich schneller reagieren, wenn sich die Anforderungen des Kunden zwischen der Auftragserteilung und dem Abschluss des eigentlichen Produktionsprozesses ändern. Die Auswirkungen solcher Änderungen werden automatisch identifiziert und gesteuert, und offene Fertigungsaufträge oder Bestellungen von Rohstoffen werden ebenfalls automatisch angepasst.

Intelligente Anlagen ermöglichen Produktivitätssteigerungen und neue Geschäftsmodelle

Indem Unternehmen die von ihnen eingesetzten oder gefertigten Anlagen um intelligente Funktionen erweitern, können sie Daten aus der gesamten Lieferkette erfassen und nutzen. Die Erstellung eines digitalen Zwillings einer physischen Anlage bietet die Möglichkeit, Anlagen während des gesamten Lebenszyklus vom Design bis zur Außerbetriebnahme zu überwachen, zu analysieren, zu optimieren und instand zu halten. So kann ein optimales Gleichgewicht zwischen Rentabilität, Anlagenzustand und Anlagenverfügbarkeit gefunden werden.

Intelligente Anlagen stellen hilfreiche Informationen unter anderem zu diesen Aspekten bereit:

  • Leistungsfähigkeit
  • Art und Dauer ihrer Nutzung
  • Geeignete Instandhaltungsstrategien
  • Nachhaltiger Betrieb im Hinblick auf Emissionen
  • Erforderliche Instandhaltungsmaßnahmen
  • Ausfall der Anlage

Hochkomplexe Maschinen, die aus Zehn- oder gar Hunderttausenden von Bauteilen aus umfangreichen Konstruktionsstücklisten bestehen, werden mitunter mehrere Jahrzehnte lang genutzt. Im Laufe ihres Lebenszyklus werden diese Anlagen beispielsweise für Transportzwecke und die Installation vor Ort mehrfach auseinandergenommen und wieder zusammengebaut. Auch werden Bauteile regelmäßig durch neuere Varianten ersetzt. Durch die Verwaltung des gesamten Lebenszyklus einer Maschine entsteht ein lückenloser Datenfluss.

Anlagenbetreiber profitieren durch umfassenden Einblick in diesen Datenfluss von folgenden Möglichkeiten:

  • Geringerer Zeit- und Kostenaufwand für die Einarbeitung in Anlagen
  • Weniger Ausfallzeiten
  • Unterstützung vorausschauender und präskriptiver Instandhaltungsprozesse
  • Steigerung der Gesamtanlageneffizienz
  • Verlängerung der Lebensdauer kostspieliger Anlagen
  • Effizienterer Kundenservice

Intelligente Fabriken sind flexibler, agiler und reaktionsfähiger

Im Bereich der Fertigung können komplexe Funktionen für digitale Lieferketten und eine stärkere Vernetzung Unternehmen dabei unterstützen, die Transparenz in der Fertigung zu erhöhen, Engpässe bei Prozessen zu erkennen und Abläufe flexibler zu gestalten. Dies wiederum ermöglicht Smart-Factory-Funktionen, bei denen starre Produktionslinien in flexible Fertigungszellen umgewandelt werden – wodurch ein Wechsel von der Massenproduktion zur kundenindividuellen Massenfertigung möglich wird.

Den Ausgangspunkt für intelligente Funktionen bildet häufig die Vernetzung von Geräten, d. h. die vertikale Integration von Sensor- oder Maschinendaten in einen horizontalen Geschäftsprozess. Durch diese Zusammenführung von IT und OT lassen sich Fertigungsabläufe weiter automatisieren. Fahrerlose Transportsysteme reagieren auf die von Maschinen ausgelösten Bedarfssignale und bringen die richtigen Materialien direkt aus dem Lager zu den einzelnen Fertigungsstationen. Visuelle Inline-Qualitätsprüfungen werden mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) automatisiert. Dadurch können Fertigungsunternehmen Fehler bereits in einer frühen Phase des Produktionsprozesses erkennen, unnötige Produktionskosten sowie menschliche Fehler vermeiden und so den Prüfungsprozess beschleunigen.

Eine intelligente Fabrik ist anpassungsfähig und in der Lage, unterschiedliche Produktionsszenarien zu unterstützen. Sie kann außerdem flexibel mit variierenden Produktionsmengen und unterschiedlichen Fertigungstechnologien umgehen. Intelligente Fabriken bieten somit Unterstützung für das Produktionsablaufmanagement mit vorausschauenden und präskriptiven Funktionen, Echtzeitdaten, Informationskreisläufe zwischen Konstruktion und Enterprise Resource Planning (ERP) sowie Netzwerkfunktionen für die Zusammenarbeit beim Design.

Kompetente Mitarbeiter sind produktiver und treffen bessere Entscheidungen

Auch wenn Abläufe weitestgehend automatisiert werden, benötigen Fertigungsunternehmen dennoch Personal. Werksarbeiter übernehmen Rollen, die sich nicht automatisieren lassen, führen komplexe Aufgaben durch und treffen intuitive Entscheidungen. Deshalb gilt es zu ermitteln, welche Abläufe automatisiert werden können und bei welchen Prozessen menschliches Eingreifen erforderlich ist. Ziel dabei ist es nicht, die Mitarbeiter zu ersetzen, sondern ihnen KI-Lösungen und robotergestützte Systeme zur Seite zu stellen.

Der Einsatz von KI führt nicht dazu, dass der Mensch überflüssig wird; vielmehr nimmt sie den Menschen Aufgaben ab, die auch ein Roboter erledigen kann. Mitarbeiter sind und bleiben die wichtigste Ressource eines Unternehmens, und die zentrale Aufgabe besteht darin, ihnen die Tools an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Arbeit sicher und effektiv erledigen können. Sie benötigen Zugriff auf Daten, um schnelle, fundierte Entscheidungen treffen und nahezu in Echtzeit auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Vernetzte Geräte leiten Maschinenbetreiber mit Arbeitsanweisungen an, die auf Virtual Reality oder 3D-Overlays basieren, und warnen Mitarbeiter, wenn die Umgebungsbedingungen die Arbeitssicherheit gefährden.

Mit zunehmender Automatisierung werden auch die Entscheidungen komplexer, die Mitarbeiter treffen müssen. Wenn Komponenten beispielsweise nicht in der erforderlichen Qualität zur Verfügung stehen, muss die Produktionsabfolge geändert werden, ohne dass sich dies auf wichtige Kundenaufträge auswirkt. Dasselbe gilt für den unvorhergesehenen Ausfall einer Maschine. Um das Problem zu lösen, benötigen Mitarbeiter Informationen.

Innovative SAP-Lösungen für Industrie 4.0

Wenn Unternehmen ihre Prozesse an geänderte Marktbedingungen anpassen und die wachsende Nachfrage nach einer kundenindividuellen Fertigung mit der Losgröße eins erfüllen möchten, müssen sie ihre Produktivität steigern und ihre Lieferketten stärken. Automatisierung mithilfe intelligenter Technologien wie dem Internet der Dinge (IoT), KI und Edge Computing ermöglicht ein digitales Abbild der Lieferkette und schafft die Voraussetzungen für:

  • höchste Flexibilität bei der Erfüllung von Kundenanforderungen
  • die Optimierung und Automatisierung von Produktionslinien für höheren Durchsatz
  • eine deutliche Verringerung der Logistikkosten bei gleichzeitiger Verbesserung des Kundenservice
  • präzise Bestände im Lager sowie von In-Transit- und Produktionsmaterialien
  • die Warenverfolgung im gesamten Logistiknetzwerk
  • ein optimales Gleichgewicht zwischen Rentabilität, Anlagenzustand und Anlagenverfügbarkeit
  • höhere Sicherheit und mehr Kompetenzen für Mitarbeiter
  • die Bereitstellung von Echtzeitinformationen und -analysen für alle Anwender
  • einen Paradigmenwechsel bei der Zusammenarbeit von Maschinenbetreibern und Maschinenherstellern

Mit Industry 4.Now hat SAP eine strategische Investition angekündigt, die Kunden bei der Transformation ihrer Fertigungsabläufe unterstützen soll. Für das Jahr 2020 hat SAP insgesamt mehr als 100 Innovationen geplant:

Intelligente Produkte

  • Unterstützung von Konstruktions- und Produktionsprozessen für ein effektives Management von Produktinnovationen und Produktdesignänderungen
  • Integrationen in branchenführende Konstruktionssoftware von Partnern

Intelligente Fabriken

  • Verteiltes Edge Computing für SAP Digital Manufacturing Cloud
  • Digitale Supply-to-Line-Prozesse für die Produktionslogistik
  • Innovationen für die intelligente Fabrik, beispielsweise die Bereitstellung von Informationen in Fabriken
  • Visuelle Prüfungen und Qualitätsmanagement auf Basis von KI

Intelligente Anlagen

  • Flexibler Zugriff auf Hyperscaler-unabhängige Data Lakes und Data Historians
  • Einfachere und standardisierte Einarbeitung in Anlagen

Kompetente Mitarbeiter

  • Datengestützte Abläufe im Fertigungsbereich
  • Unterstützung für Ad-hoc-Entscheidungen zur Reaktion auf unvorhergesehene Änderungen

Das Portfolio SAP Digital Supply Chain unterstützt Industrie 4.0, ermöglicht die Digitalisierung von Prozessen in der Konstruktion, in der Fertigung und im Anlagenbetrieb, vernetzt und automatisiert Maschinen und Geräte und erweitert den gesamten Produktionsablauf mithilfe von KI und komplexen Analysen um intelligente Funktionen. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung der Produktionsleistung, Kostensenkungen sowie flexiblere und stabilere Lieferketten.


Richard Howells ist Vice President des Bereichs Thought Leadership and Awareness für SAP Digital Supply Chain.