>

Bau, Betrieb und Wartung von Gebäuden laufen sehr viel effizienter, wenn alle Beteiligten über eine Plattform auf alle erforderlichen Daten zugreifen können. Dieses Ziel verfolgt derzeit das Facility-Management der Bundeswehr und setzt dabei auf eine Cloud-basierte Kollaborationsplattform.

Es ist eine Baumaßnahme, wie sie die Bundeswehr zu tausenden in einem ihrer rund 33.000 Gebäude durchführt: Eine Lüftungsanlage muss überprüft werden. Doch für den Vorgang benötigen die Techniker die dazugehörigen technischen Unterlagen: Um welchen Hersteller handelt es sich und um welche Bauart? Stimmen die technischen Daten mit der Forderungslage überein? Dafür begibt sich Andreas Hüsken vom Bundesministerium für Verteidigung zusammen mit einer Kollegin auf eine mühsame Suche. „Aktuell ist es so, dass die gesamte Kommunikation einer Baumaßnahme über klassische Papierordner läuft“, erläutert Andreas Hüsken. Die gesuchten Unterlagen müssen sich also in einem der zahlreichen archivierten Ordner zu jedem Gebäude befinden – aber wo genau?

Papier ist keineswegs das bevorzugte Medium zur Dokumentation von Daten bei der Bundeswehr. Dort legt man bereits seit Gründung der Institution vor mehr als 60 Jahren Wert auf eine nachhaltige und strategische Steuerung und Bewirtschaftung der über 1.500 Liegenschaften, um eine einwandfreie Funktion und einen hohen Nutzwert der Gebäude zu gewährleisten. So sind die Stamm- und Prozessdaten der Organisation heute in einem integrierten ERP-System auf einer bundeswehreigenen Serverarchitektur hinterlegt. Über sie pflegen und nutzen die rund 8.000 Mitarbeiter der Bundeswehrverwaltung auf Ortsebene riesige Mengen an Vermietungs- und Dienstleistungsverträgen, Leistungsabrechnungen sowie Instandhaltungs- und Wartungsprozessen.

Vom Papierzwang zur End-to-End Digitalisierung

Allerdings: Aufgrund der sehr arbeitsteiligen Organisation im Lebenszyklus von Immobilien erfolgt die Datenspeicherung in unterschiedlichen Behörden – wie zum Beispiel in den Bauämtern auf Landesebene – redundant in verschiedensten Formaten und Datenstrukturen. Außerdem müssen digitale Informationen von Architekten, Ingenieuren und Fachplanern zu den Gebäuden für Prüfungen und zu Dokumentationszwecken aufgrund von Vorschriften grundsätzlich in Form von Papier an die Bundeswehr übergeben werden – wo sie bis heute für kilometerlange Aktenreihen sorgen.

Doch mit der vielfachen Datenhaltung soll ebenso wie mit der Sisyphosarbeit im Archiv bald Schluss sein – dank einer ganzheitlichen „Digitalisierung des Infrastrukturdatenmanagements“, so der offizielle Name des Gesamtprojektes zur End-to-End Digitalisierung der Gebäudeverwaltung bei der Bundeswehr. Ein Projekt, das übrigens bereits zwei Auszeichnungen beim diesjährigen eGovernment Wettbewerb von Cisco und BearingPoint unter der Schirmherschaft von Prof. Dr. Helge Braun, Chefs des Bundeskanzleramts, erhielt.

Die notwendigen Schritte der Digitalisierung erfolgen dabei in drei IT-Teilprojekten:

  1. Ein übergreifendes Projekt- und Portfoliomanagement für die rund 6.000 Bauprojekte der Bundeswehr ist aktuell in der Umsetzung und wird in das ERP-System der Bundeswehr integriert.
  2. Teilprojekt II fokussiert auf den Betrieb der Infrastruktur und die Optimierung der Prozesse vor Ort, wie zum Beispiel die Visualisierung von sich wiederholenden Arbeitsschritten.
  3. Im Rahmen von Teilprojekt III wird in einer engen Entwicklungskooperation mit SAP die Cloud-basierte Kollaborationsplattform PIN für Bauprojekte erprobt. Dieses Teilprojekt befindet sich im Bereich der Konzepterstellung und Voranalyse.

Parallel dazu wird derzeit außerdem eruiert, wie sich die große Anzahl an Gebäuden im Sinne einer effizienten und nachhaltigen Steuerung digitalisieren lässt; dabei kommen hochmoderne Methoden wie Laserscanning und Punktwolkenanalyse zum Einsatz. „Unser Ziel ist es, die Teilprojekte bis 2023 abzuschließen um dann ein integriertes IT-System zur Verfügung zu haben, das die Prozesse vom Anfang bis zum Ende („End-to-End“) digital unterstützt“, erklärt Tobias Voß, Projektreferent beim Bundesministerium der Verteidigung für dieses Projekt.

Embed from vimeo.com

Click the button below to load the content from vimeo.com.


Always allow vimeo.com

Das Herzstück: eine Cloud-basierte Kollaborationsplattform

Technische Basis des aktuellen Digitalisierungsprojektes ist das BW-eigene SAP-ERP-System, das neben den klassischen Funktionen wie Finanzbuchhaltung, und Personalwirtschaft, auch Immobilienmanagement und Instandhaltung umfasst. Sollen die Planungs-, Bau- und Instandhaltungsprozesse künftig jedoch digital ablaufen, stößt dieses System an seine Grenzen: Als On-premises-Lösung, betrieben auf der Bundeswehr-eigenen IT-Architektur durch die BWI IT GmbH, handelt es sich hierbei um ein geschlossenes System, zu dem etwa externe Dienstleister – Architekten, Ingenieure, Bauverwaltungen der Länder usw. – keinen Zugang haben. Folglich muss das geschlossene ERP-System um Netzwerkkomponenten in der Cloud erweitert werden.

Zentraler Baustein dafür ist eine Cloud-basierte Kollaborationsplattform (CDE), über die die Bundeswehr als Auftraggeber alle beteiligten Organisationen einladen und Berechtigungen vergeben kann und auf der ein digitaler Zwilling eines jeden Gebäudes samt aller erforderlichen Dokumente und Unterlagen hinterlegt ist. Die Generierung der Daten erfolgt dabei mit der Methode „Building Information Modeling“ (BIM) – einem in der Baubranche etablierten Verfahren für Planung Bau, Verwaltung und Betrieb von Gebäuden. Die Kollaborationsplattform unterstützt die offenen BIM-Standards und ermöglicht so dem klein- und mittelständisch geprägten deutschen Bausektor ebenso wie großen Generalunternehmern die Teilhabe an den Bauprojekten der Bundeswehr.

Das digitale Immobilien-Management zahlt sich aus

Die Plattform ist auch in der Lage, Betriebsdaten, Gebäudeinformationen zu Stockwerken, Räumen, Fensterflächen und Fußböden an das operative ERP-System zu übergeben, um damit später etwa ein Belegungs-, Vertrags- oder Reinigungsmanagement durchführen zu können. „Mit diesen Daten lassen sich auch mobile Instandhaltungsprozesse unterstützen“, sagt Andreas Hüsken. „Techniker vor Ort können zum Beispiel bei Wartungsarbeiten auf Stücklisten zugreifen“. Dafür stehen speziell für diese Aufgaben programmierte Oberflächen zur Verfügung. In einer späteren Ausbaustufe ist die digitale Erfassung von Zustandsänderungen der Gebäude und Anlagen über Sensoren (IoT) geplant.

Auf diese Weise entstehen auf sämtlichen Ebenen Kosten-, Zeit- und Qualitätsvorteile – beim Auftraggeber Bundeswehr wie auch bei den Dienstleistern: Alle Planungs- und Bauprozesse werden durch die Visualisierung des digitalen Zwillings transparenter, die Verantwortlichkeiten klarer und dies bei höherer Kosten- und Termintreue. Der Zeitaufwand durch Postlaufzeiten lässt sich durch die Zusammenarbeit auf der Plattform drastisch reduzieren. Und Prozesse, die im manuellen Papierbetrieb nacheinander erfolgen, können künftig gleichzeitig bearbeitet und abgeschlossen werden.

Die eingangs erwähnte Lüftungsanlage wird sich im 3D-Modell des digitalen Zwillings bald in kürzester Zeit auffinden lassen – inklusive aller dazugehörigen Informationen, etwa auch zur Ersatzteilbeschaffung. „Unser Ziel ist es, die Kosten für Papierunterlagen durch die konsequente Nutzung der Kollaborationsplattform von derzeit rund 25.000 Euro je Baumaßnahme quasi abzuschaffen“, resümiert Tobias Voß. „Und dies ist nur ein Rechenexempel für das enorme Einsparpotenzial dieses Digitalisierungsprojektes.“