Zwei SAP-Coaches arbeiten mit ganz außergewöhnlichen Co-Trainern. Deren Kernkompetenz: ein besonders feines Gespür für uns Menschen.
Wer kennt das nicht: Im Urlaub, beim Joggen oder Spazieren kommen oft die besten Ideen. In dem Moment, indem ich meine Alltagsbrille absetze, erkenne ich neue Perspektiven. Darauf setzen die SAP-Coaches Nicole Machmeier und Sandra Thiel mit ihrem Angebot des pferdegestützten Coachings.
Schon wenn die Teilnehmer am Pferdehof ankommen, wirken die ersten Eindrücke – grüne Wiesen, der Geruch von Heu und Stall, wiehernde Pferde. Krasser könnte der Gegensatz zum IT-Arbeitsplatz kaum sein. Anfangs sind die Reaktionen gemischt. Manche Teilnehmer begegnen den Pferden mit Vorsicht oder Respekt, andere gehen ohne Scheu auf sie zu. Neugierig sind sie aber alle auf die vierbeinigen Co-Trainer.
Die erste Hemmschwelle ist schnell abgebaut. „Allein der Kontakt mit den Pferden, sie zu streicheln oder zu füttern, löst bei den Teilnehmern positive Gefühle aus“, erläutert Machmeier. Das liegt unter anderem am Wohlfühlhormon Oxytocin, das unseren Körper beim Kontakt mit Pferden oder Haustieren überschwemmt.
„Durch die jahrtausendelange Zusammenarbeit haben wir einen speziellen Bezug zu Pferden“, erklärt Anabel Schröder, Gründerin von horsesense, einem Anbieter und Ausbilder für pferdegestütztes Coaching . „Es ist einfach so, dass sich die Menschen am Pferd öffnen. Das Pferd hat eine andere Gehirnwellen-Schwingung, die sind in einem „Zen-Stadium“, das wir höchstens in der Meditation erreichen. Sie haben auch eine niedrigere Herzfrequenz – wenn man am Pferd steht und das Pferd berührt, wird man schon entspannter.“
Meister im Lesen unserer Körpersprache
Die Übungen klingen erst einmal nicht so schwer. Die Teilnehmer sollen das Tier durch einen kleinen Parcours führen oder von A nach B bewegen, ohne dabei die Hände zu benutzen. Die Sache hat allerdings einen Haken. Die Pferde verhalten sich nicht immer so, wie wir es gerne hätten.
Die Übungen sind für die Coaches sehr aufschlussreich, denn „es kommt immer genau das Verhalten zum Vorschein, das sich auch im Alltag zeigt“, weiß Machmeier. Manche Teilnehmer geraten leicht unter Druck, werden hektisch oder ziehen am Strick. Andere sind zaghaft und versuchen, das Pferd durch freundliches Zureden durch den Parcours zu bewegen. „In Stress-Situationen können wir uns nicht verstellen und greifen immer auf unsere altbekannten Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster zurück“, so Anabel Schröder.
„Solche Verhaltensweisen können wir der betreffenden Person im Coaching sehr gut spiegeln“, erklärt Machmeier. Durch die Übungen und gemeinsame Reflexion helfen sie dem Coachee zu erkennen, was hinter den äußerlichen Reaktionen steckt. Denn es gebe immer ein Problem hinter dem Problem, berichtet sie. Es gehe darum zu erkennen, warum einen etwas immer wieder stresst oder triggert. Bis zu diesem Punkt arbeiten die Coaches oft mit mehreren Übungen. Der Zyklus, dem die Coaches folgen, lautet: „Verhalten spiegeln, zur Reflexion einladen, herausfordern, begleiten.“
Das Feedback vom Pferd tut nicht so weh
„Pferde sind feinfühlig und haben gelernt, Menschen zu lesen, das ist ihr Überlebensmechanismus“, erläutert Anabel Schröder. Mit ihrem feinen Gespür reagieren sie auf unsere Körpersprache und nehmen auch kleinste Regungen wahr. „Sie spiegeln uns ohne zu urteilen, und das tut nicht so weh wie das Feedback der Kollegen oder des Chefs“, erklärt Schröder. „Gleichzeitig nehmen die Menschen dem Pferd das Feedback nicht übel, und dadurch können sie es wertschätzend annehmen.“
Im Umgang mit den Pferden erleben die Teilnehmer einen Erkenntnisprozess auf der emotionalen Ebene. Wie fühlt es sich an, wenn man die Aufgabe perfekt erfüllt hat, oder wenn das Pferd sich verweigert, wenn man es nicht geschafft hat, Grenzen zu setzen, zum Beispiel das Pferd von sich fernzuhalten? „Das passiert nicht nur im Kopf, sondern du hast das Gefühl dazu, und das Gefühl verankerst du ganz anders“, erläutert Sandra Thiel.
„Dieses emotionale Lernen ist nachhaltiger als das, was kognitiv im Seminarraum beigebracht wird“, bestätigt auch die Expertin. Die Erfahrung der Pferde-Coaches zeigt, dass die Teilnehmer sich oft noch Monate oder Jahre später an das Erlebte erinnern.
„Das Schöne ist, wenn jemand eine Erkenntnis hat und etwas verändern will und wir die Übung noch einmal machen, dann reagiert das Pferd sofort anders“, berichtet Thiel. „Pferde sind immer im Hier und Jetzt und spiegeln die kleinste Verhaltensänderung. Das macht es für den Coachee direkt erlebbar.“
Rückblickend war der Kurs, in dem wir die Chance hatten, mit Pferden zu arbeiten, mit Abstand das beste Führungskräftetraining, das ich am Beginn meiner Managerkarriere machen durfte. Die Selbstreflexion, die man erlebt, wenn man versucht, mit einem Pferd zu kommunizieren, ist echt ein unschlagbares Erlebnis. Auch ca. sechs Jahre nach dem Training blicke ich gerne zurück.”
Der SAP-Kollege Harald Monihart nahm über seinen früheren Arbeitgeber an einem pferdegestützten Coaching teil.
Leading Blind – Kollegen blind vertrauen
Machmeier und Thiel bieten Coaching für Teams, Führungskräfte und einzelne Mitarbeiter, einschließlich Kollegen, die nach einem Burnout wieder an die Arbeit zurückkehren.
Bei den Einzelcoachings geht es häufig darum, besser mit Stress umzugehen, Grenzen zu setzen, Prioritäten zu definieren oder einfach mal „Nein“ zu sagen. Typische Führungsthemen sind zum Beispiel der Umgang mit heterogenen Gruppen oder das Führen auf Distanz.
Teams wollen primär die Zusammenarbeit, Wertschätzung und Kommunikation verbessern, gegenseitige Stärken kennenlernen oder Konfliktthemen auf den Tisch bringen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die psychologische Sicherheit. Eine von Google in Auftrag gegebene Studie zeigte, dass hoch-effektive und leistungsfähige Teams eines gemeinsam haben: Sicherheit, Vertrauen und Fehlertoleranz.
„Wir können helfen, Vertrauen aufzubauen“, erklärt Thiel, „zum Beispiel mit der Übung „Leading Blind“. Hierbei führt ein Teilnehmer sowohl das Pferd als auch einen Kollegen, der die Augen verbunden hat. Den Parcours zu absolvieren und gleichzeitig das Pferd und den Kollegen zu führen ist eine komplexe Aufgabe, die meist nicht reibungslos verläuft. Wichtig ist, gut zu kommunizieren und aufeinander acht zu geben. Die Beobachtungen aus der Übung werden dann im anschließenden Gespräch gemeinsam mit den Coaches reflektiert.
„Ein Team besteht aus Beziehungsebene und Sachebene“, erklärt SAP Coach Machmeier. „Wenn die Sachebene hoch ausgeprägt ist, dann hast du ein Zweckteam. Aber du hast ein effektives Team, wenn die Sachebene und die Beziehungsebene hoch ausgeprägt sind.“
„Am Ende gehen alle strahlend raus“
Den Abschluss des Coachings bildet die gemeinsame Reflexion: Welche Erkenntnisse haben die Teilnehmer gewonnen, wie wollen sie das gewünschte Verhalten in ihr Leben holen, was sind konkret die nächsten Schritte?
„Man hört richtig, wie es in ihnen arbeitet. Es wird ein Prozess in Gang gesetzt“, weiß Thiel. Und wie gehen die Teilnehmer nach Hause? „Definitiv mit einem Lachen. Sie gehen strahlend raus“, sagt Machmeier.
Reicht ein Coaching-Tag? „Für einen Impuls reicht es allemal“, erklärt Anabel Schröder. „Die Menschen gehen sehr bewegt nach Hause. Es ist wünschenswert, sie danach zu begleiten, aber das muss nicht unbedingt mit dem Pferd sein. Dieses Coaching ist so intensiv, dass sich da schon ganz schön viel in Bewegung setzt.“
Video: John Hunt und Nina Kippenhan