Industrieprozesse bestmöglich automatisieren: Damit kennt sich ID: Industrial Dynamics aus. Außerhalb des Shopfloors sorgt bei dem Chemnitzer Start-up seit kurzem ein cloudbasiertes ERP-System für effizientere Abläufe.
Rund 2.000 Baugruppen verarbeitet ein Hersteller von Drucklufttanks pro Schicht. Nicht nur der steigende Durchsatz pro Schicht ist eine Herausforderung, sondern auch die immer höhere Variantenvielfalt in Kombination mit diffizilen Arbeitsschritten. Ein solcher Arbeitsschritt ist das Aufbringen von Produktinformationen in Form von einem oder mehreren Etiketten. Bisher brachten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Etiketten manuell an. Doch aufgrund steigender Kundenanforderungen an die Genauigkeit und des geplanten Produktionsanstiegs soll dieser Arbeitsschritt nun automatisiert abgebildet werden.
„Eine hohe Variantenvielfalt und ungleiche Prozessabfolgen schließen eine Automatisierung bei weitem nicht aus“, sagt Danny Schmiedel, Geschäftsführer von Industerial Dynamics Beim Gang durch die Produktionsstätten seiner Kunden entdeckt Schmiedel immer wieder Prozesse wie die Etikettierung von Tanks, die sich automatisieren lassen. Ist das Optimierungspotenzial erkannt und definiert, erstellt das Team des 2019 gegründete Start-ups Lösungskonzepte und visualisiert die ersten Ansätze mithilfe von Augmented Reality, um dem Kunden die Konzepte bildlich darzustellen und so von Beginn an verständlich zu machen. Sind alle Parteien von den Ansätzen überzeugt und macht sich die Lösung bezahlt, integriert der Automatisierungsspezialist die Lösung anschließend bei den Kunden. Neben Robotik nutzt Industrial Dynamics auch 3D-Druck, Kamerasysteme und intelligente Software, um Abläufe im Shopfloor zu verbessern.
Von unflexiblen Excel-Tabellen zum skalierbaren ERP
Innovationen gehören zum Geschäftsmodell von Industrial Dynamics. Nur folgerichtig, dass das Unternehmen auch an die eigenen Prozesse hohe Ansprüche hat. Und nach seiner Gründung 2019 schnell eine Alternative zu den bisher genutzten Excel-Listen suchte. Das Ziel der beiden Gründer und Geschäftsführer Danny Schmiedel und Björn Schüller: sämtliche Geschäftsbereiche und Prozesse über ein ERP-Standardsystem digital abbilden.
Die Gründer wollten die eigenen Prozesse auf das ERP zuschneiden – und nicht umgekehrt. Denn standardisierte Prozesse lassen sich kostengünstiger und einfacher verwalten und bei Unternehmenswachstum flexibel skalieren. Außerdem sollte sich das ERP-System schnell einführen und unkompliziert nutzen lassen, sodass Industrial Dynamics selbst innerhalb kurzer Zeit alle Nutzer schulen kann. Um neue Standorte und Tochtergesellschaften beispielsweise in Südamerika problemlos integrieren zu können, sollte das neue ERP-System nicht nur mehrsprachig und mehrmandantenfähig sein, sondern auch weltweiten Zugriff auf alle relevanten Daten erlauben.
ERP-Einführung zum Festpreis
Nach dem Auswahlverfahren entschieden sich die Geschäftsführer für SAP Business One und führten die cloudbasierte Software innerhalb von drei Monaten ein – gemeinsam mit der Firma UNIORG. Das Start-up nutzte dafür das Ready2Go-Paket von UNIORG, das alle wichtigen Standardfunktionen und Best Practices beinhaltet – zum Festpreis. Der klar definierte Budgetrahmen sorgt für Planungssicherheit. Ausufernde Kosten, wie mitunter bei IT-Projekten üblich, waren so ausgeschlossen. Aufgrund der Coronakrise stimmten sich Industrial Dynamics und der SAP-Partner vornehmlich virtuell über eine Kollaborationsplattform ab.
Mobiler Zugriff jederzeit möglich
Seit September 2020 wickeln die Mitarbeiter alle Aufträge, Bestellungen und Rechnungen mit SAP Business One ab. Alle relevanten Geschäftsprozesse lassen sich in einem zentralen System abbilden und per Klick für die Mitarbeiter, aber auch für Steuerberater, Finanzamt oder Zollbehörden bereitstellen. Mit dem ERP bündelt das Start-up seine Abläufe – vom Angebot bis zur Ausgangsrechnung – in einem Workflow und ordnet Bestellungen oder Lagerbewegungen den entsprechenden Kundenprojekten zu.
Des Weiteren lassen sich über eine mobile App die ERP-Grundfunktionen nutzen und aktuelle Projekte verwalten. Schon heute ist der Zugriff auf das ERP-System jederzeit und von überall möglich. Gemeinsam mit UNIORG will Industrial Dynamics den Funktionsumfang der App noch weiter ausbauen.
Vom Consulting zum Anlagenbauer
Obwohl erst kürzlich gegründet, hat sich das Geschäftsmodell von Industry Dynamics bereits gewollt weiterentwickelt. Anfänglich optimierte das Start-up die Fertigungsprozesse oft nur theoretisch. Immer häufiger fragten die Kunden jedoch, woher sie die Industrieanlagen beziehen könnten, um ihre Prozesse auch tatsächlich wie von Industrial Dynamics empfohlen optimieren zu können. „Wir wollten von Beginn an Anlagen selbst in die Tat umsetzen. Als uns dann auch erste Kunden darauf ansprachen, haben wir angefangen diese Anlagen einfach selbst zu bauen“, sagt Geschäftsführer Schmiedel. „Das Gute daran: Unser ERP-System zog bei allen Schritten problemlos mit.“
Deckte die ERP-Software bei Industrial Dynamics zunächst vor allem die Finanzbuchhaltung und das Servicegeschäft ab, kamen jetzt Produktionsplanung und -steuerung ins Spiel. Um neue Anlagen zu bauen, benötigt Industrial Dynamics passende Hardware-Komponenten. Zügig gründete das Start-up eine eigene Einkaufsabteilung, setzte neue Beschaffungsprozesse und einen Lieferanten-Pool auf. Neben den klassischen Finanzprozessen bildet die ERP-Software seitdem auch Wareneingang und -ausgang, Stücklisten, Chargenrückverfolgung, Materialplanung und Lagerverwaltung ab – und zwar projektbezogen. „Damit ist das Aufgabengebiet unserer ERP-Software mehr oder weniger über Nacht explodiert“, sagt Schmiedel.
Stücklisten und Liefertermine im Blick behalten
Wie schnell das ERP mit den Prozessen von Industry Dynamics mitwachsen und neue Anforderungen abbilden kann, zeigen die Stücklisten für die Fertigung. Für die Kunden entwickeln die Chemnitzer individuelle Maschinen mit Hardware-Modulen wie Kameras für die Bildverarbeitung oder Robotik. „Dabei passen wir zum Beispiel Standardroboter von Kuka an die Kundenanforderungen an und ergänzen sie um Greifersysteme, die Teile mit äußerst komplexen Konturen verarbeiten können“, sagt Schmiedel.
Ein solches Greifersystem kann aus mehreren Tausend Einzelteilen bestehen wie Schrauben, Federn oder Zylinder. Alle benötigten Teile fasst das Konstruktionsteam in einer Stückliste im ERP-System zusammen. Anschließend überprüft das System, für welche Standardkomponenten Artikelnummern vorliegen und, ob diese im Lager vorrätig sind. Ist das nicht der Fall, vergibt das ERP bei Bedarf neue Artikelnummern und bestellt alle fehlenden Teile. So schlägt das Start-up eine Brücke zwischen Produktion und ERP, wie Schmiedel betont. „SAP Business One hält unsere gesamten Bauteile zusammen und vereinfacht das Projektmanagement immens.“
Die Rückmeldungen zu möglichen Lieferterminen einzelner Komponente erleichtern es dem Konstruktionsteam, das Projekt konkret zu planen: Auf Knopfdruck sieht das Team beispielsweise, dass die längste Lieferzeit acht Wochen beträgt. Erst danach kann es das Greifersystem zusammenbauen und rund vier Wochen später beim Kunden installieren. Ohne ERP-System wären diese Abläufe nicht zu stemmen.
Nächster Schritt: Ein Dokumentenarchiv
Bald möchte das Start-up sein ERP-System um das Dokumentenmanagement erweitern und arbeitet dafür erneut mit UNIORG zusammen. Dann soll SAP Business One Dokumente wie Bestellungen oder Rechnungen nicht nur erstellen, sondern auch archivieren. Per OCR-Erkennung kann Industrial Dynamics künftig außerdem Belege automatisch erfassen, indizieren und in einen zuvor definierten Workflow übergeben. So lassen sich eingehende Lieferscheine oder Rechnungen direkt einem Kunden, Projekt oder Lieferanten zuordnen und revisionssicher ablegen. Ein wichtiger Schritt, um weitere Prozesse zu digitalisieren und effizienter zu werden.