Ohne Frage: Die digitale Transformation birgt für Konsumgüterindustrie und Handel immense Chancen. Aber auch große Herausforderungen. Im Interview berichten Sabrina Mertens (Director E-Commerce bei BabyOne), DSAG-Vorstand Thomas Henzler (CIO bei Piller Blowers & Compressors), Matthias Assmann (CIO bei ElectronicPartner) und Matthias Schmitt (IT Strategy & Portfolio Manager Corporate Technology, Zalando), wie sie diese meistern. Und warum es dabei längst nicht nur technologische Aspekte zu beachten gilt.
Effiziente Prozesse, personalisierte Services, neue Geschäftsmodelle, mehr Umsatz: All das sind Heilsversprechen der digitalen Transformation. Was bedeutet Digitalisierung für den Handel und die Konsumgüterindustrie?
Matthias Assmann (ElectronicPartner): Für mich bedeutet Digitalisierung, dass ich immer und überall arbeiten kann und für meine Kollegen da bin. Für uns als Händler muss ich den Blickwinkel natürlich erweitern. Hier geht es in erster Linie um unsere Kunden und Lieferanten. Digitalisierung bedeutet Medienbrüche zu beheben und Prozesse komplett neu zu denken.
Thomas Henzler (Piller): Mehr digitale Touchpoints für Kundennähe, Transparenz, kontext- und personabezogenes Marketing, Vernetzung mit Kunden und Partnern, neue Services, zum Beispiel Personalisierung von Produkten, mieten anstatt kaufen, stärkere Integration in digitale Ökosysteme, Verknüpfung von physikalischen Produkten mit digitalen Services, steigende gesetzliche Anforderungen (Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeit), um nur einige Aspekte zu nennen.
Digitale Transformation im Handel: Mehr Kundennähe, Vernetzung und Transparenz
Was ist die größte Herausforderung dabei?
Sabrina Mertens (BabyOne): Eine Transformation ist ein enormer Kraftakt, der permanent fordert und auch nie wirklich beendet sein wird. Um diesen Kraftakt stemmen zu können, sind aus meiner Sicht drei Dinge entscheidend: Mut, Konsequenz und eine hohe Lernbereitschaft. Mut zu radikalen Veränderungen, die die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens in der digitalisierten Welt mit neuen Playern und Wettbewerbern sicherstellen. Konsequenz in der Umsetzung dieser Veränderungen, auch gegen mitunter starke Widerstände auf verschiedenen Ebenen und aus verschiedenen Bereichen. Und — last but not least — die Bereitschaft und die Offenheit, neue Handlungsoptionen zu prüfen, Fehlentscheidungen zu revidieren, intensiv zu testen und das Gelernte in einen permanenten Optimierungsprozess einfließen zu lassen.
Handel im Wandel: So verändern sich Geschäftsmodelle und Organisationen
Welche Erfahrungen sammeln Sie bei der Transformation, beispielsweise von Prozessen, Technologien, Märkten oder Geschäftsmodellen?
Matthias Schmitt (Zalando): Ich denke, wir stehen hier vor denselben Herausforderungen, wie jedes andere Unternehmen. Technologie ist nur ein Teil in der gesamten Transformation. IT nimmt dabei verschiedene Rollen ein, manchmal als Enabler, manchmal als Beschleuniger, manchmal als Game-Changer. Dennoch ist es nie die IT allein, die Transformation vollbringt. Die Faktoren Unternehmenskultur, Change-Management und vor allem Menschen spielen eine viel größere Rolle als es teilweise von IT-Beratern oder IT-Fachpresse dargestellt wird.
Sabrina Mertens (BabyOne): Zudem ist der Begriff der Transformation nicht klar definiert. Wenn wir bei BabyOne von Transformation sprechen, meinen wir sehr unterschiedliche Themenfelder. Über allem steht eine grundlegende Veränderung des Geschäftsmodells und der Organisation von einem stationär geprägten Händler — hin zu einem Omnichannel-Player mit starkem Kundenfokus, datenbasiertem Handeln und einer modernen Organisation und Führungskultur.
Governance und Roadmap sind wichtig für den Erfolg bei der Digitaliserung
Welche Auswirkungen hat die Transformation auf Ihre Organisation — und wie kommen Sie dort mit den Veränderungen voran?
Thomas Henzler (Piller): Als IT-Organisation sehen wir uns viel mehr mit fachlichen oder inhaltlichen Themen konfrontiert als mit der Technik an sich. Das Aufbrechen der Silos zwischen IT und Business und den Silos innerhalb des Business erfordern neue Arbeitsweisen und Ansätze, um die Ideen des Business entsprechend aufzunehmen, diese zu verstehen und am Ende auch gemeinsam erfolgreich umzusetzen. Dabei spielt das Vermitteln von Wissen und auch Transparenz eine entscheidende Rolle.
Matthias Assmann (ElectronicPartner): Wir haben mit „RISE with SAP“ früh angefangen, die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Themen wie mobiles Arbeiten und hybride Cloud-Modelle nutzen wir seit Jahren. Unsere Roadmap fokussiert auf die nächsten drei bis fünf Jahre und wir sind hier — Stand heute — sehr gut unterwegs. Natürlich kann man heute nicht sagen, wie sich die Disruption bei Technologien und Gesellschaft morgen auswirken wird. Da muss man eine gute Balance zwischen Planwirtschaft und Agilität hinbekommen.
Matthias Schmitt (Zalando): Ich würde die Frage gerne etwas umformulieren: „Wie schaffen wir es, den vielen Transformationen eine Governance zu geben, in der wir diese effizient zum Erfolg führen?“ Dies stellt für uns mit einer der größeren Herausforderungen dar. Agile Projektmethoden und dezentrale IT-Bereiche sind gut für Geschwindigkeit und schnellen Fortschritt, bedürfen aber Spielregeln und einer Governance, um sich nicht gegenseitig negativ zu beeinflussen.
Das ausführliche Interview können Sie im IT-Onlinemagazin nachlesen.