>

Seine Frau war schwanger, als Mohamad Yaghi aus Syrien floh. In Deutschland angekommen, hatten sie nichts – außer all den Chancen, die das Land bietet. Seine Botschaft: Es ist wichtig, diese Chancen zu nutzen, um etwas daraus zu machen. Jetzt hilft er auch anderen.

Das erste, was Mohamad Yaghi in Deutschland auffiel, war die Eisenbahn. „Die Züge sind fast immer pünktlich! Und man kommt überall hin. Fabelhaft“, sagt er und in seiner Stimme liegt auch nach fast sechs Jahren noch Staunen. Wichtiger ist ihm aber etwas ganz anderes: Mohamad träumte von einem Leben in Frieden und Freiheit. Deshalb ist der Geologe 2015 mit seiner schwangeren Frau von Syrien nach Deutschland geflohen. Heute arbeitet er als IT-Berater bei SAP, dem Weltkonzern aus dem kleinen Walldorf. Seine Botschaft: „Wenn ich mich integriert habe, wenn ich es geschafft habe, können es andere auch!“

Geologie hatte Yaghi studiert, weil er ein Erdöl-Experte werde wollte. „Aber in meiner Heimat war Krieg. Als meine Frau dann schwanger wurde, stand die Entscheidung fest: Wir müssen fliehen!“ Nach Deutschland wollte er, weil seine Familie dort in Sicherheit leben konnte. Und noch mehr: „Deutschland war für mich immer ein Land, in dem man, wenn man hart arbeitet, auch anerkannt wird. Das ist genau, was ich will.“

Das Problem: Geologen mit der Spezialisierung auf Erdölerkundung werden in Deutschland nicht gerade jeden Tag gebraucht. Yaghi wollte seine Familie aber unbedingt selbst ernähren. Das erste Vorstellungsgespräch hatte er 33 Tage nach seiner Ankunft in Deutschland. Aber schnell wurde klar: Als Geologe würde er es schwer haben. Was dann?

SAP hatte kurz zuvor ein Nachwuchsprogramm gestartet, das sich auch an Flüchtlinge richtete: “2015 haben wir gesagt, dass auch wir als großes Unternehmen unseren Beitrag leisten müssen“, sagt Simon Nichterlein, Ausbilder bei dem Softwareriesen. „Deshalb haben wir Ausbildungs- und Studienplätze angeboten, die um eine Integrationskomponente erweitert waren. Da gab es zum Beispiel noch Sprachkurse und auch Informationen über Deutschland, über die Bräuche und Geschichte.“ Einer von denen, die genommen wurden: Mohamad Yaghi aus Syrien.

Syrischer Geologe findet als IT-Berater bei SAP in Deutschland neue Chancen

„Viele haben gesagt, vergiss es, das ist nichts für Dich, was willst Du da. Aber ich wollte es unbedingt.“ Also lernte er das neue Fach, verbesserte sein Englisch und lernte Deutsch. Und wurde ganz nebenbei noch Vater. „Heute, im Rückblick, klingt alles ganz easy peasy“, sagt er. „Aber das war es nicht. Es war hart und Deutsch ist eine wirklich schwere Sprache.“ Aber alternativlos: „Die Deutschen sind nicht zu mir gekommen, sondern ich zu ihnen. Also muss ich mich integrieren. Und was ist da wichtiger als die Sprache?“ Dass er im Büro den ganzen Tag Englisch spricht, macht es nicht leichter. „Aber ich habe einen guten Lehrer: Mein Sohn korrigiert mich immer, wenn ich ein ü wieder mal wie ein u ausspreche.“ Dabei gehört „punktlich“ doch zu seinen deutschen Lieblingswörtern.

Heute ist Yaghi Business Consultant bei SAP. Er berät Kunden und tüftelt mit ihnen an Lösungen für ihre Probleme. Sein Gebiet: Energie, vor allem aus Wind, Wasser und Gas. „Da hilft mein Geologie-Studium dann natürlich doch“, sagt er lächelnd. „Jeder Mensch braucht Motivation. Meine ist, dass ich einen interessanten Job habe, jeden Tag unseren Kunden helfe und meine Familie ernähren kann.“

Aber er kümmert sich auch um andere. „Solch ein Start in einer fremden Welt ist schwer. Ich hatte Menschen, die mir geholfen haben. Und jetzt will ich helfen.“ Deshalb unterstützt er andere Flüchtlinge mit Behördenpost und Dokumenten, erklärt auf Arabisch, was ein Einschreiben ist, und wie man sich am besten um eine Stelle bewirbt. Während ein paar Meter weiter die Kinder toben, sitzt er dann am Rande eines Spielplatzes und hilft den Eltern. Fordert aber auch: „Wenn Du etwas willst, dann musst auch Du dafür arbeiten! Wer denn sonst, wenn nicht Du?!“

Das ist auch seine Botschaft an andere Flüchtlinge: „Deutschland bietet so unglaublich viele Chancen. Ich kann nur sagen: Nutze die Gelegenheit, mache etwas draus! Es geht um Deine Zukunft und die Deiner Familie.“

Auch für die Gastgeber hat er eine Botschaft: „Ich will nicht belehrend wirken. Aber Deutschland ist so großartig und ich wünschte, die Deutsche wären sich dessen mehr bewusst. Es gibt immer Strom und immer Wasser, alles ist sauber, es ist immer ein Krankenhaus in der Nähe und hier gibt es die besten Universitäten. Und wir leben im Frieden und in Freiheit! Und manche beschweren sich dann, dass der Zug zehn Minuten zu spät kommt.“

Yaghi sagt selbst, dass er angekommen sei. „Ich werde Syrien immer im Herzen haben und ich werde meine Herkunft nie verleugnen. Aber ich liebe meine neue Heimat.“ Einen letzten Schritt zur Integration, sagt er, hat er allerdings noch nicht vollzogen: „Es tut mir leid, aber ich gucke am Sonntag noch immer nicht ‚Tatort‘.“


Der Artikel wurde ursprünglich beim UNHCR veröffentlicht.