Es mag zwar offensichtlich sein, doch ein paar Jahre können einen ziemlichen Unterschied machen. Wer im Beschaffungswesen arbeitet, konnte in den vergangen zwei Jahren miterleben, wie sich eine Finanz- und operative Funktion in Echtzeit zu einer Aufgabe gewandelt hat, die zur Wertschöpfung beiträgt und eine wichtige Rolle beim Risikomanagement spielt.

Economist Impact hat in einer groß angelegten Studie im Auftrag von SAP im Januar und Februar dieses Jahres 430 Führungskräfte zu dieser Transformation befragt. Im Rahmen dieser Interviews wurden nicht nur Gespräche mit Beschaffungsverantwortlichen geführt. Das Team hat sich über Funktionen und Berichtswege hinweg mit anderen Experten ausgetauscht und bietet so eine differenzierte Sicht auf das Beschaffungswesen der Zukunft. Dabei wird auch aufgezeigt, in welchen Bereichen Führungskräfte künftig ihre Schwerpunkte setzen sollten.

Der Bericht „Chain reactions: Building value in procurement through digitalization“ (Kettenreaktionen: Wertschöpfung in der Beschaffung durch Digitalisierung) gibt Aufschluss darüber, wie die Ereignisse in den vergangenen Jahren dazu geführt haben, dass die Erwartungen an das Beschaffungswesen im Unternehmen gestiegen sind.

„Das Beschaffungswesen hat infolge der Verwerfungen, die wir in den vergangenen zwei Jahren weltweit zu spüren bekommen haben, für die Unterstützung neuer Geschäftsstrategien, das Risiko- und Kostenmanagement und die Gewährleistung eines unterbrechungsfreien Zugangs zu wichtigen Ressourcen und Informationen erheblich an Bedeutung gewonnen“, heißt es in dem Bericht. Als wesentliche Katalysatoren für diese Verwerfungen werden die Pandemie, geopolitische Entwicklungen und ein verändertes Verbraucherverhalten angeführt.

Wertschöpfung im Beschaffungswesen

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen globalen Wirtschaftsbedingungen überrascht es nicht, dass die Kostenkontrolle für Führungskräfte oberste Priorität hat. Laut der Umfrage von Economist Impact werden mehr Unternehmen ihren Schwerpunkt auf die Maximierung von Einsparungen (39,8 Prozent) legen, um die Wertschöpfung zu verbessern – die Strategie der Wahl für Chief Procurement Officers (45,1 Prozent).

Die am zweithäufigsten genannte Strategie für eine bessere Wertschöpfung in der Beschaffung ist die Minderung von Risiken (37,9 Prozent). Dieses Thema ist aufgrund der Abhängigkeit der USA und Westeuropas von Herstellern in Asien in den Mittelpunkt gerückt.

Die Umfrage von Economist Impact liefert außerdem Hinweise zu weiteren Maßnahmen, die Beschaffungsverantwortliche ergreifen, um die Wertschöpfung zu verbessern. Hierzu gehören eine Abkehr von Just-in-Time-Beständen, ein zunehmender Fokus auf das Warengruppenmanagement und die Umstellung auf dezentrale oder hybride Betriebsmodelle.

Just-in-Time-Strategien werden durch Bestandsführung abgelöst

Die im Bericht von Economist Impact am dritthäufigsten genannte Strategie für die Wertschöpfung durch das Beschaffungswesen ist die Bestandsführung (19,3 Prozent), vor allem in Industrienationen wie Japan, die USA und Westeuropa.

„Die Störungen in den Lieferketten infolge der COVID-19-Pandemie haben dazu beigetragen, dass sich das schillernde Versprechen der Just-in-Time-Philosophie, die Unternehmen die Verringerung der Materialverschwendung durch Minimierung oder Vermeidung überflüssiger Bestände ermöglichte, in Luft aufgelöst hat“, führt der Bericht aus.

Economist Impact kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, dass Unternehmen mit einer Bestandsverwaltung auf der Basis langfristiger Strategien wie Nearshoring oder alternativer Lieferketten ihre Abläufe vor zukünftigen Angebotsschocks schützen können. Der Bericht verweist jedoch auch darauf, dass aufgrund der hohen Kosten, des Fachkräftemangels und erheblicher Vorlaufzeiten für die Verlagerung von Produktionsstandorten bislang erst wenige Unternehmen Nearshoring als Strategie nutzen.

Was den Aufbau von Beständen zur Absicherung gegen unterbrochene Lieferketten betrifft, stellt der Bericht fest, dass die Bestandsführung in Branchen, die auf zuverlässige und verfügbare Versorgungsgüter angewiesen sind – etwa das Gesundheitswesen (30,8 Prozent) und die Fertigungsindustrie (26,2 Prozent) – stärker im Mittelpunkt steht.

Stärkerer Fokus auf das Warengruppenmanagement

Laut des Berichts von Economist Impact ist das Warengruppenmanagement inzwischen der zweitwichtigste Treiber für die digitale Transformation und der viertgrößte Schwerpunktbereich für die Wertschöpfung im Beschaffungswesen (18,6 Prozent). Den Grund hierfür liege im zunehmenden Einsatz digitaler Technologien. „Das Warengruppenmanagement entwickelt sich durch die verstärkte Nutzung digitaler Technologien immer weiter. Beispiele hierfür sind intelligente Contracting-Plattformen, die komplexe Indizes für die Identifizierung von Risiken und Chancen nutzen.“

Neue Betriebsmodelle rücken die Beschaffung in den Mittelpunkt

Überraschenderweise zeigt die Umfrage von Economist Impact zwei gegenläufige Trends auf, was das Betriebsmodell für das Beschaffungswesen von Unternehmen betrifft. „Während 40 Prozent der Unternehmen ihr Beschaffungswesen stärker zentralisieren bzw. auf ein zentrales Modell umstellen, schlägt die Hälfte der Unternehmen genau die andere Richtung ein und setzt auf stärkere Dezentralisierung oder stellt auf ein hybrides Modell um.“

Dies hat auch personelle Auswirkungen und führt dazu, dass das Personal aufgestockt und auf externe Arbeitskräfte zurückgegriffen wird. Die Umstellung auf neue Betriebsmodelle wird sich sehr wahrscheinlich fortsetzen. Laut der Umfrage von Economist Impact gehört dies für jedes dritte Unternehmen (31,2 Prozent) zu den Prioritäten, unmittelbar nach der Steuerung der Risiken in der Lieferkette (34,4 Prozent): „Das Beschaffungswesen wird in den kommenden ein bis zwei Jahren aufgrund seiner zentralen Bedeutung für alle Geschäftsabläufe eine wesentliche Rolle bei der Umstellung auf ein anderes Organisationsmodell spielen“, so das Fazit des Berichts.

Mehr Effizienz im Beschaffungswesen durch Digitalisierung

Auf der Grundlage von Interviews und umfassender Marktanalysen gibt der Bericht von Economist Impact einen Ausblick auf das Beschaffungswesen der Zukunft und die Auswirkungen der Digitalisierung auf diese zentrale Unternehmensfunktion. Sehen Sie sich die Infografik an und laden Sie den Bericht herunter.


Baber Farooq ist Head of Market Strategy, Procurement and External Workforce im Bereich Marketing and Solutions bei SAP.