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Jede Woche eine neue Welt an Gebrauchsartikeln anzubieten, ist ein fester Bestandteil des Tchibo-Geschäftsmodells. Um das wechselnde Angebot auch künftig effizient managen zu können, hat das Hamburger Traditionsunternehmen seinen Analytics-Bereich ausgebaut und sein SAP Data Warehouse in die Cloud verlagert.

Aktuellen Marktforschungsdaten zufolge gibt es in Deutschland keinen Haushalt, in dem nicht zumindest ein Produkt des Traditionsunternehmens Tchibo zu finden ist. Dabei ist hier nicht von Kaffee die Rede, der den Ausgangspunkt für das bereits im Jahr 1949 gegründete und rasch prosperierende Versandhandelsunternehmen bildete. Gemeint ist das wöchentlich wechselnde Sortiment an Gebrauchsartikeln aus allen Bereichen des täglichen Lebens von der Mode bis zur Unterhaltungselektronik, das Tchibo seinen Kunden unter dem Motto „Jede Woche eine neue Welt“ offeriert – ein Slogan, den viele schon seit ihrer Kindheit kennen.

Der einstige Kaffeehändler hat sich längst zu einem der größten deutschen Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmen entwickelt, der seine Produkte außer über den Postweg – sprich: via Online-Shop – auch über eigene Ladengeschäfte sowie Verkaufsregale in Supermärkten – zum Beispiel Rewe, Edeka oder Kaufland – vertreibt. „Dieses vielfältige Angebot permanent aufrecht zu erhalten ist eine enorme Herausforderung“, sagt Omar Hairani, Head of BI & Big Data Applications bei Tchibo. „Nur mit einer modernen, effizienten Organisation sind wir in der Lage, unsere Kundinnen und Kunden auch weiterhin regelmäßig mit neuen Produkten zu überraschen.“ Konkret bedeute dies, dass an den Innovationsthemen Digitalisierung, KI und Cloud kein Weg vorbeiführe.

Analytics als tragende Säule des datengetriebenen Unternehmens ausbauen

Der aktuellste Schritt von Tchibo in diese Richtung: Die Migration des Data Warehouse SAP BW/4HANA in die Cloud. „Datenanalysen sind eine der wichtigsten Säulen des datengetriebenen Unternehmens“, erklärt Hairani. Mit der Migration des Data Warehouse wird diese Säule gestärkt, um mit aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten:

  • Trend Self-Service-Portale: In den Fachbereichen werden Mitarbeitende immer IT-affiner und haben heute ein anderes Mindset. Sie wollen Analytics-Tools selbstständig und zum Vorteil des Unternehmens (Logistik, Risk Management, Nachhaltigkeit) nutzen. Der Trend geht deshalb in Richtung Self-Service-Portale, die in der Cloud einfacher zu betreiben sind.
  • Trend Realtime: Auch die Erwartung, Analyseergebnisse in Realtime zu erhalten, steigt bei den Anwenderinnen und Anwendern – und ist ohne integrierte End-to-End-Prozesse nicht zu erfüllen.
  • Trend Big Data: Gleichzeitig steigt die Menge an Daten aus unterschiedlichen Quellen in Unternehmen weiter an. Mit den bisherigen Standardmitteln ist ihre Verarbeitung kaum mehr möglich.
  • Trend KI: Schließlich kommt KI eine immer größere Bedeutung zu, dafür braucht es Datenverfügbarkeit: Die richtigen Daten müssen in der richtigen Tiefe und Breite, in den richtigen Zyklen, zum richtigen Preis und zum richtigen Zeitpunkt bereitstehen – auch das erfordert volle Integration.

Vier Systeme zusammen sind mehr als die Summe der Einzelsysteme

Um die Entwicklung in jedem dieser Eckpunkte zu voranzutreiben, wurde das Projekt breit aufgestellt. Neben der technischen Migration wurden weitere Maßnahmen ergriffen:

  • Migration von SAP Data Intelligence (SAP DI) in die Public Cloud: als Orchestrierungsplattform rückt SAP DI damit gleichzeitig näher an SAP BW4 und an die Google Cloud Platform heran, auf der zum Beispiel Deep-Dive-Analytics-Services oder Machine-Learning-Anwendungen laufen.
  • Einführung von SAP Data Warehouse Cloud (SAP DWC) als Self Service Plattform und
  • Einführung von SAP Analytics Cloud (SAC): Schritt 2 und 3 müssen zusammen betrachtet werden: Die SAC ist die strategische Front-End-Plattform für die Visualisierung. In Verbindung mit SAP DWC ist Tchibo zusätzlich in der Lage, Daten direkt aus der Google Cloud mit Daten aus der SAP BW4 in einem symantischen Layer zu verbinden und anschließend grafisch darzustellen. Damit lassen sich einzigartige Dataservices für das Business zur Verfügung stellen.

Insgesamt vier Schritte, die mehr sind als nur technische Details: „Erst in der Kombination entwickeln diese vier unterschiedlichen Produkte ihre ganze Wirkkraft und machen möglich, was bislang nicht denkbar war“, betont Hairani. „Die volle Integration der Anwendungen als Grundlage für einen bidirektionalen Datenfluss: aus der SAP-Welt in die Non-SAP-Welt und andersherum.“ Für den Endnutzer ist dabei weder erkennbar noch von Interesse, woher ein Datenstrom kommt – für ihn ist nur das Ergebnis wichtig.

Vom Yoga-Shirt bis zum Ecksofa: Demon ermittelt Artikelbedarf für den Online-Verkauf zehn Wochen im Voraus

Was das in der Praxis bedeutet, zeigt das Projekt Demand Online (Demon), das bereits Anfang November 2022 live gehen konnte: Im Zuge von Demon entwickelten Omar Hairani und sein Team einen vollautomatisierten KI Data-Service, der es erlaubt den voraussichtlichen Absatz des Online-Shops für die nächsten 84 Tage zu prognostizieren. Ermittelt wird der tatsächliche Bedarf bis hinunter auf Artikelebene auf der Basis von ERP-Daten zu Abverkäufen, Preisen, Promotions und vielen weiteren Einflussfaktoren. Das erfordert den Umgang mit großen Datenmengen aus ganz unterschiedlichen Datenquellen.

Pro Lauf werden Millionen verschiedene Artikelkombinationen durchgespielt. Der Service selbst findet in der Google Cloud statt. Er bezieht aber Daten aus den Tchibo On-Premises-Systemen ein, die Google aus dem Data Warehouse SAP BW/4HANA über das Daten-Management-System SAP Data Intelligence zur Verfügung gestellt werden. Die Prognose erfolgt täglich und steht innerhalb von zwei Stunden bereit. Das jeweilige Ergebnis fließt dann wieder vollautomatisch aus der Google Cloud zurück ins SAP S/4HANA System. „Man muss sich die Kette an Systemen vorstellen, die hier reibungslos zusammenarbeiten“, resümiert Hairani. „Es handelt sich bei Demon um einen voll integrierten End-to-End Data Service, der auf Basis des Temporal Fusion Transformers Ansatzes für neurale Netzwerk-Architektur implementiert wurde.“

RISE with SAP: Der Turbo für den Datenaustausch zwischen Data Warehouse und Google Cloud

Die Benefits von Demon liegen auf der Hand. Sie reichen von sinkenden Lagerkosten bis zu geringeren Verwaltungsaufwänden. Durchgängige Prozesse wie diese setzen eine geeignete Cloud-Infrastruktur voraus: „Wir haben uns deshalb entschieden, die SAP BW/4HANA Migration mit RISE with SAP umzusetzen“, sagt Hairani. Das versetzt uns in die Lage, unsere Analytics-Systeme auf einer einheitlichen Cloud-Infrastruktur zu betreiben – in unserem Fall Google Cloud – von wo aus der Datenaustausch leichter und schneller erfolgt.“ Gleichzeitig sei so die Brücke zwischen den SAP Cloud Anwendungen und den verbleibenden SAP-On-Premises-Systemen geschaffen worden.

Tchibo Cloud-Journey: SAP BW4/HANA Cloud-Migration als Meilenstein

Nach dem Golive im ersten Quartal 2023 steht nun die Evaluierung des Projektes bevor. Doch die Fortsetzung der Cloud-Journey ist bei Tchibo fester Bestandteil der Digitalisierungsagenda. „Wir sind davon überzeugt, dass die Multicloud-Startegie von Tchibo Früchte trägt. Die Migration von BW4 in die SAP-Cloud-Umgebung RISE liefert wertvolle Erfahrungen und ist für uns ein praktischer Testfall für die zukünftige RISE-Startegie“, resümert Omar Hairani.