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Kaufland nutzt als erster großer deutscher Filialist im Lebensmittelhandel ein neues Prognose-System von SAP. Die Software ersetzt in der Breite des Sortiments die Forecasts des alten F&R-Systems, aber bei Frische auch die von Blue Yonder.

Die Einführung der neuen SAP-Komponente Unified Demand Forecast hat sich für Kaufland offenbar gelohnt. Die verbesserten Algorithmen sorgen für eine “bessere Prognosequalität”, bescheinigte Michael Hahn von der Schwarz-Gruppe dem System bei den EHI-Technologie-Tagen. Hahn ist bei der für die beiden Schwesterunternehmen Lidl und Kaufland arbeitenden gruppenweiten Schwarz IT verantwortlich für Supply-Chain-Management-Systeme.

Nach Angaben des Managers prognostiziert das Prognose-System Unified Demand Forecast seit März für alle 1.450 Kaufland-Filialen in Deutschland und Osteuropa und für alle Sortimente die zu erwartenden Abverkaufsmengen. Dafür berechne es auf Basis der SAP-Datenbanktechnik SAP HANA täglich bis zu 35 Mio. Markt-Artikel-Kombinationen. Für den ersten Arbeitsschritt Modellierung werte die Prognose-Komponente die Absatz-Historie der vergangenen 800 Tage aus.

Im zweiten Schritt berechne das System auf Tagesebene rollierend die zu erwartenden Abverkäufe der nächsten 101 Tage. Die lange Zeitspanne helfe vor allem bei der Werbeplanung. Bestellungen bei Lieferanten und die Belieferung der Märkte werden dann durch Prognosen für die nahe Zukunft oder sogar den nächsten Tag gesteuert.

Forecasts für die Frische bei Kaufland

Laut Hahn sind die Ergebnisse so gut, dass sie sich sogar als Basis für die Produktionssteuerung in den Kaufland-eigenen Fleischwerken sowie die Belegungs-Planung der Backautomaten in den Filialen bewähren.

Für diesen Bereich der täglich stark schwankenden Frische-Produkte hatte Kaufland einige Jahre lang die Prognosen durch Software von Blue Yonder berechnen lassen, während der Großteil des Sortiments vom SAP-Programm F&R-Engine (Forecasting & Replenishment) abgedeckt wurde. Denn die F&R-Prognose-Algorithmen lieferten für viele Frischeprodukte keine hinreichend detaillierten Forecasts.

Trotzdem ist die F&R-Engine aus der IT-Landschaft von Kaufland nicht verschwunden: Die  Komponente “R” (Replenishment) sorgt als Auto-Dispo weiter für optimierte Bestellmengen bezogen unter anderem auf Rabatte und Lkw-Auslastung – jetzt aber auf Basis der Prognosen der Forecast-Software.

Kaufland lässt 50 Einflussfaktoren einfließen

Als großen Vorteil von Prognose-Software gegenüber dem Vorgänger von SAP stellte Hahn die hohe Zahl von Einflussfaktoren heraus, die das neue System in seine Berechnungen einbeziehen könne. Das seien etwa Wochentage, Preiseffekte und Kannibalisierung, Trends und Saison, Lohn-Zahlungs-Termine oder Wetter. Das Programm könne auf Basis ähnlicher Artikel auch den Absatz neuer Produkte schätzen. Kaufland nutze 50 Einflussfaktoren. Nach den ersten Erfahrungen rate er allerdings zu einer Begrenzung der Faktoren auf jene, die für das jeweilige Sortiment relevant sind, um die Komplexität zu begrenzen. Auch bei der Zahl der täglich neu berechneten Artikel strebe Kaufland eine Reduzierung durch “intelligente Modellierung” an, um durch eine Konzentration auf Produkte mit signifikanten Änderungen die Rechenzeit von heute 8 bis 9 Stunden zu senken.

Neben der allgemeinen Aussage, dass die Komponente Unified Demand Forecast gegenüber F&R zu einer “besseren Prognosequalität” geführt habe, nannte der Schwarz-IT-Manager auch einen konkreten Wert. Bei Promotion-Artikeln sei es gelungen, die Fehlerrate auf unter 38 Prozent zu drücken. Fehlerrate bezeichnet hier den sogenannten WMAPE (Gewichteter Mittelwert des absoluten prozentualen Fehlers, weighted mean absolute percentage error). Die wichtigsten KPIs bei der Beurteilung der Prognose-Software seien für Kaufland Out-of-Stocks, Bestände und damit Bestandskosten sowie Umsatz.

Die neuen SAP-Prognosen sind für mehr Einsatzzwecke als Auto-Dispo gedacht – deshalb das “U” für “Unified”. Von etlichen von SAP beschriebenen Anwendungszwecken nannte Hahn im Kaufland-Zusammenhang explizit Aktionsmengenplanung, Sortimentsplanung, Preiskalkulation und Lagerbedarfe. Vorteilhaft sei auch die Möglichkeit, in Simulationen verschiedene Alternativen (What-if-Szenarien) durchzuspielen. Das gelte für viele Themen von der Werbeplanung bis zum Pricing.


Quellenangabe: Dieser Artikel erschien im Original in der Lebensmittelzeitung.