Walter Sun ist als Global Head of AI seit dem 1. September bei der SAP. In diesem Interview spricht er über Chancen, die Zusammenarbeit mit Hochschulen und verantwortungsvolle KI.
Bevor er zur SAP stieß, war Sun bei Microsoft als Leiter eines interdisziplinären Teams tätig, das sofort einsetzbare KI und Funktionen für maschinelles Lernen entwickelte. Davor hatte er Positionen bei BlackRock Financial Management als Quantitative Portfolio Analyst und bei Apple Inc. als Senior-Softwareentwickler und -spezialist inne.
Seine anwendungsorientierte Forschung umfasste Arbeiten zu stochastischen Verfahren, Signalverarbeitung, maschinellem Lernen und Deep Learning, Operations Research und Large Language Models. Er war Lehrbeauftragter an der Seattle University und Fakultätsmitglied der University of Washington. Derzeit ist er ein Beiratsmitglied bei Georgia Tech.
Sun promovierte in statistischer Signal- und Bildverarbeitung sowie maschinellem Sehen bei Anwendungen in der medizinischen Bildgebung am Massachusetts Institute of Technology.
SAP News: Wie glauben Sie, wird KI die Zukunft der IT-Branche formen?
Sun: Ähnlich wie bei anderen großen technologischen Entwicklungen, etwa dem Durchbruch des Internets, tragen das Verständnis und die Umsetzung von Verbrauchern dazu bei, dass Technologien in der Geschäftswelt rascher eingeführt werden. Ich denke, dass dies bei generativer KI derzeit auch geschieht. Dass Verbraucher letztes Jahr so schnell über künstliche Intelligenz, und gerade über generative KI, Bescheid wussten, war in erster Linie darauf zurückzuführen, dass ChatGPT im November 2022 für Verbraucher veröffentlicht wurde. Das war der Türöffner für KI und Geschäftsanwendungen.
Aktuell beobachte ich einen schrittweisen Ansatz zur Akzeptanz. Führungskräfte möchten zunächst sehen, dass die Technologie funktioniert. Also werden sie diese zu Beginn unter intensiver Aufsicht ausprobieren und kleinere, vorsichtigere Gehversuche unternehmen.
Wenn sie ein gewisses Vertrauen entwickelt haben, folgt eine etwas breitere Einführung. Später werden sie sich so wohl damit fühlen, dass sie die Technologie sie in all ihren Geschäftsbereichen einsetzen. Die Unternehmen zu unterstützen, die diesen Prozess Schritt für Schritt durchlaufen, wird für die SAP eine große Gelegenheit bedeuten.
Worin sehen Sie die größte Chance für die SAP auf dem Gebiet der KI?
Als ein weltweit führender Anbieter von Unternehmensanwendungen, können wir in hohem Maße mitgestalten, wie Unternehmen KI übernehmen. Es ist sehr spannend, eine technologische Vorreiterrolle innezuhaben und auch in einer Position zu sein, diese verantwortungsvoll auszufüllen.
Wir bei der SAP möchten, dass das Vertrauen unserer Kunden in uns wächst. Wie Sie wissen, ist die Technologie SAP Business AI relevant, verlässlich und verantwortungsvoll. Dies ist tief in der Einhaltung der EU-Datenschutzgesetze verwurzelt. Anhand von Inhaltsfiltern, der Überprüfung der Datenherkunft und anderen Funktionen helfen wir unseren Kunden, stets präzise und zuverlässige Ergebnisse zu erzielen. Durch unseren ethisch verantwortungsvollen Umgang mit KI stellen wir sicher, dass Kunden Vertrauen darin haben können, wie wir diese Funktionen erstellen.
Dafür sind wir gut aufgestellt: Wir verfügen über tiefgreifendes Wissen und bereits ausgelieferte Funktionen, um KI bei unseren Kunden zum Laufen zu bringen. Sie kennen ihre Problempunkte, und wir finden einen Weg, das Problem mithilfe von Technologie zu lösen. Dabei geht es auch um die Demokratisierung von Informationen für alle. Wir demokratisieren für alle Unternehmen – ob groß oder klein – die Möglichkeit zur Nutzung von KI.
Ich glaube, wir können das Alleinstellungsmerkmal der SAP nutzen, das heißt, unseren Zugang zu Geschäftsdaten in Verbindung mit diesen hohen Datenschutzstandards, um Kunden davon zu überzeugen, dass sie auf unsere Technologie vertrauen können. Mit Joule liefert die SAP bereits Funktionen für generative KI aus, und wie wir auf unserer Konferenz SAP TechEd gesehen haben, gibt es Pläne für die Auslieferung weiterer Funktionen, sowohl innerhalb von Produkten als auch für unsere Entwicklungsteams der SAP Business Technology Platform.
Wie halten wir das Gleichgewicht zwischen Innovationen und der umsichtigen Einbeziehung ethischer Aspekte bei der Bereitstellung von KI?
Ich bin davon überzeugt, dass KI-Ethik einen enorm wichtigen Bestandteil unserer Gleichung bildet. Es dauert viele Jahre, eine Vertrauensbeziehung aufzubauen, doch sie kann durch nur ein Versäumnis oder einen Fehler verloren gehen. Wir bei der SAP haben viel in KI-Ethik investiert, um sicherzugehen, dass wir eine verantwortungsvolle KI für unsere Kunden entwickeln. Dazu zählen Fairness, Erklärbarkeit und Transparenz, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Auch Datengenauigkeit, Datenschutz und Sicherheit sind hier relevant. Darüber hinaus haben wir unseren Lenkungsausschuss SAP AI Global Ethics, der dafür Sorge trägt, dass weitere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.
Wenn wir auch nur einen dieser Aspekte übersehen, laufen wir Gefahr, bestehendes Vertrauen zu verspielen und bei unserem schnellen Drängen nach Fortschritt Rückschritte zu machen. In Gesprächen mit Kunden hat sich bestätigt, dass sie gerne wissen möchten, was hinter den Kulissen abläuft.
Dabei geht es nicht rein um die Informationen, die an die Unternehmensleitung kommuniziert werden, sondern es geht darum, alle Beteiligten zu unterstützen, sich mit generativer KI vertraut zu machen, da sie für alle etwas Neues ist. Menschen sind etwas vorsichtig dahingehend, was möglich ist, und sie möchten wissen, was vor sich geht.
Je mehr wir erklären können, umso mehr demonstrieren wir, dass wir die Technologie unter Kontrolle haben und umso wohler werden sich die Menschen damit fühlen, die Technologie einzuführen und zu verwenden. Daraus entsteht das Momentum, das eine zunehmende Nutzung, wachsendes Vertrauen und weitere Akzeptanz zur Folge hat.
Wie sehen Sie die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie?
Bei jeder neuen Innovation ist es äußerst wichtig, dass die Zusammenarbeit schnellstmöglich vorankommt.
Da ich sowohl an Hochschulen als auch in der Industrie gearbeitet habe, sehe ich gemeinschaftliche Projekte als spannende Möglichkeiten. Wir bei der SAP möchten Brücken und keine Silos bauen. Wir sollten akademische Prioritäten wie die Veröffentlichung von Arbeiten und modernste Wissenschaft anerkennen und uns die Frage stellen: „Wie können wir zusammenarbeiten, damit eine Win-Win-Situation entsteht?“
Wir arbeiten mit wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen zusammen, um zu verstehen, welche neuesten Entwicklungen in der Pipeline sind. Unsere Rolle dabei ist, betriebswirtschaftliches Know-how und Anwendungsfälle bereitzustellen und diese dann mit den Forschungsszenarien zusammenzuführen, um herauszuarbeiten, was praktisch umsetzbar und für unsere Kunden wertvoll ist.
Die Beziehungen der SAP zu vielen Spitzeninstituten wie Stanford, Berkeley, das MIT und die Technische Universität München sind hervorragend. Als konkretes Beispiel möchte ich unsere Beteiligung am Programm HAI (Human-Centered Artificial Intelligence) der Stanford University nennen. Neben den Forschungskooperationen sorgen diese Beziehungen auch dafür, dass die besten Absolventen dieser Universitäten an die SAP denken, wenn sie ihren ersten Job suchen, und sie garantieren, dass wir über die neuesten Technologien auf dem Laufenden sind.