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Die Einhaltung von Vorschriften und innovative Technologien schließen sich nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil, sie sollten integriert werden. Nachhaltigkeit bildet dabei die Grundlage für resiliente Lieferketten.

Die Welt erlebt derzeit ein neues, schwierigeres Geschäftsumfeld. Angespannte Handelsbeziehungen, Kriege, Klimawandel und zahllose andere weitreichende Störungen bremsen eine lange und stetige Phase der Globalisierung. Angesichts der wachsenden Unsicherheit müssen Unternehmen ihre globalen Lieferketten neu konfigurieren, um ihre Widerstandsfähigkeit zu verbessern.

Für Führungskräfte könnte es naheliegend erscheinen, dass mehr Regulierung – in einem derart unbeständigen Umfeld – die Innovation, die sie im Moment am meisten benötigen, behindern würde. Wir werden jedoch zeigen, dass eine intelligente und ausgewogene Regulierung als Katalysator für den Wandel dienen kann.

Lieferkettenprobleme bereiten CEOs schlaflose Nächte

Die aktuelle Regulierungslandschaft hat zu wichtigen Gesetzen wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) geführt. Diese Gesetzgebung schreibt eine Sorgfaltspflicht von Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte und Umweltauswirkungen vor und positioniert Deutschland an der Spitze der ethischen Standards in Lieferketten. Darüber hinaus erweitert der Entwurf der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht für nachhaltige Unternehmen (EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) die Verantwortung von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit. Und das US-Gesetz Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) verpflichtet Unternehmen dazu, zu belegen, dass ihre Produkte frei von Zwangsarbeit sind, und wobei die Beweislast auf die importierenden Unternehmen verlagert wird.

Erhöhte Transparenz: Die Lieferanten der Lieferanten verstehen

Diese und viele andere Vorschriften spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Resilienz der Lieferkette. Erstens tragen sie zu mehr Transparenz bei. Die Einhaltung der Vorschriften erfordert eine umfassende Datenerfassung, die den Unternehmen einen klaren Überblick über ihre Lieferketten, einschließlich der Praktiken der Lieferanten und potenzieller Risiken, verschafft. In der pharmazeutischen Industrie wird das schon seit vielen Jahren so gehandhabt, da die Gefahr besteht, dass durch Fälschungen oder Probleme mit der Produktqualität nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden für Unternehmen, sondern auch ein gesundheitlicher Schaden für Menschen entsteht. Mittlerweile erkennen immer mehr Branchen, dass die Transparenz über die verschiedenen Ebenen einer Lieferkette hinweg das entscheidende Rückgrat an Daten und Einblicken schafft. Zweitens müssen die Unternehmen ihre Beschaffungsstrategien überdenken und die Diversifizierung und Regionalisierung fördern. Dies wiederum verringert die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten oder Regionen und macht die Lieferketten widerstandsfähiger gegen unerwartete Störungen. Auch wenn Unternehmen schon seit Jahrzehnten in einem verwobenen Netz globaler Lieferketten operieren, setzen sich diejenigen, die noch immer keinen vollständigen Einblick in ihre eigenen Zulieferer und in die Zulieferer ihrer Zulieferer haben, einem unangemessenen Risiko aus, indem sie keine Innovationen vorantreiben. Wir nennen dies Tier-n-Visibility (Deutsch: Sichtbarkeit auf allen Ebenen). Das ist ein unglaublich leistungsfähiges Instrument, um Unsicherheit in den Lieferketten zu verringern.

Verbesserte Zusammenarbeit: Einen Wettbewerbsvorteil gewinnen

Die Einhaltung von Vorschriften kann, wenn sie gut umgesetzt wird, zu stärkeren Beziehungen mit den Lieferanten führen. Das erforderliche Engagement fördert das Vertrauen und regelt die Verantwortlichkeiten in der Lieferkette, was zu einer besseren Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Herausforderungen führt. Mit einer diversifizierten Beschaffung können Unternehmen ihre Lieferketten schnell anpassen, um die Geschäftskontinuität zu gewährleisten. Das ist einfach eine bessere Vorbereitung.

Forschende der Universität Cambridge betonten kürzlich die Notwendigkeit, Allianzen zu bilden, um die wirtschaftliche Sicherheit durch resiliente Lieferketten zu erhöhen, und plädierten für mehr Zusammenarbeit, um die Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu verbessern. Kollaborative Ansätze, unterstützt durch digitale Technologien, können zu erheblichen Vorteilen führen, darunter weniger Steuerhinterziehung und einen verbesserten Informationsaustausch im globalen Liefernetzwerk.

Aber seien wir ehrlich: Es handelt sich hier um ein Branchenproblem und nicht um eine Technologiefrage. Die Industrie muss ihren Umgang mit Lieferantendaten ändern. Anstatt sie zu nutzen, um durch Verhandlungen bessere Beschaffungskonditionen zu erreichen, sollten sie sich auf kooperative Prozesse konzentrieren. Viele Branchen beginnen, die Vorteile eines solchen kollaborativen Ansatzes zu erkennen. So kann beispielsweise ein Automobilhersteller, der das offene Netzwerk Catena-X nutzt, fehlerhafte Motorenteile ausfindig machen und die Probleme bis zum Lieferanten des Lieferanten zurückverfolgen. Ein solch gezielter Ansatz minimiert Rückrufaktionen. Catena-X gewährleistet Interoperabilität durch gemeinsame Standards, während die datenanbietenden Netzwerkteilnehmer die Hoheit über ihre Daten behalten. Mit 170 internationalen Mitgliedern, darunter große deutsche Automobilhersteller, ist Catena-X auf dem besten Weg, ein Industriestandard zu werden.

In diesem dynamischen Umfeld wird die Resilienz der Lieferkette zu einem Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die sich proaktiv den gesetzlichen Anforderungen stellen, gewinnen das Vertrauen und die Loyalität von Verbrauchern, Investoren und weiteren Interessengruppen.

Geringeres Risiko: Künstliche Intelligenz (KI) einbinden

Wachsende regulatorische Anforderungen erfordern einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie Unternehmen das Risikomanagement innerhalb ihrer Lieferketten angehen. Hier spielt KI eine zentrale Rolle. SAP Business AI-Lösungen bieten proaktive Einblicke in die hochkomplexen Auswirkungen potenzieller Risiken und ermöglichen es Unternehmen, Herausforderungen zu antizipieren und zu entschärfen, bevor sie eskalieren. Dies verändert den traditionellen Risikobewertungsprozess und bietet ein dynamischeres Verständnis in Echtzeit. Und das ist genau das, was Unternehmen jetzt brauchen, um Risiken zu verringern. Wenn man beispielsweise die Auswirkungen neuer Handelssanktionen (z. B. US-Exportkontrollen für hochentwickelte Computerchips), die Blockade eines Containerhafens oder einen steilen Anstieg der Transportkosten für eine bestimmte Schifffahrtsroute kennt, hat man einen Wettbewerbsvorteil. Das Erkennen von Störungen, ihre Simulation, das Verständnis der Auswirkungen und schließlich die Empfehlung und Ausführung von Maßnahmen sind zentrale Anwendungsfälle, die durch KI und maschinelles Lernen optimiert werden.

Partner setzen mit branchenspezifischen Innovationen zu Höhenflügen an

Mit einer leistungsstarken Technologie wie KI geht jedoch auch eine große Verantwortung einher. Die Sicherstellung einer ethischen KI-Entwicklung und -Einführung erfordert Transparenz, Rechenschaftspflicht und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, staatlichen Stellen, der Zivilgesellschaft und der breiten Öffentlichkeit. Der Entwurf des EU-KI-Gesetzes sieht vor, KI-Systeme auf der Grundlage von Risikostufen zu regulieren, und betont, wie wichtig die Einhaltung ethischer Grundsätze ist, um einen verantwortungsvollen Einsatz von KI sicherzustellen. Das Vertrauen in KI-Lösungen hängt vom verantwortungsvollen Umgang mit KI-Technologien und der Einhaltung der Menschenrechte ab.

SAP hat schon vor der Einführung von KI-Regelungen erkannt, dass die Geschwindigkeit der KI-Einführung den Bedarf an höchsten ethischen Standards gesteigert hat. Als erstes europäisches Technologieunternehmen hat SAP im Jahr 2018 KI-Leitprinzipien eingeführt und eine KI-Ethikrichtlinie entwickelt. Das Unternehmen richtete einen KI-Ethik-Lenkungsausschuss und ein KI-Ethik-Beratungsgremium ein, die bei der Operationalisierung der Leitprinzipien helfen, Leitlinien für risikoreiche Anwendungsfälle bereitstellen und mit dem bevorstehenden EU-KI-Gesetz in Einklang stehen.

Fortschrittliche Technologien: Regulatorische Last in die Grundlage für Widerstandsfähigkeit verwandeln

Notwendigkeiten treiben Innovationen oft voran und veranlassen Unternehmen dazu, in fortschrittliche Technologien zu investieren, wie z. B. Kontrollzentren für die Lieferkette, Tier-n-Visibility, digitale Zwillinge, Cloud-Lösungen und künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen. SAP-Lösungen wie SAP Business Network for Supply Chain Collaboration und SAP Integrated Business Planning for Supply Chain erleichtern nicht nur die Einhaltung von Vorschriften, sondern verbessern auch die Transparenz und das Management der gesamten Lieferkette.

Die besten Beispiele für den dynamischen Einsatz von Lieferkettentechnologie finden sich häufig im Lebensmittel- und Getränkesektor, wo strenge Qualitätskontrollen sowie Rückverfolgbarkeits- und Sicherheitsvorschriften seit langem agile, transparente und nachhaltige Lieferketten erfordern. Das Engagement von Unilever zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit und Transparenz in seiner globalen Palmöl-Lieferkette zeigt, wie die Einhaltung von Vorschriften als transformative Kraft wirkt. Der Einsatz von Technologie bei Nestlé veranschaulicht, wie Unternehmen die Transparenz und Widerstandsfähigkeit verbessern und gleichzeitig die Einhaltung sich entwickelnder Standards sicherstellen können. Und die Umstellung der Beschaffung bei Grupo Nutresa zeigt, wie man Effizienz und Wertschöpfung steigern und gleichzeitig die Nachhaltigkeit bei den Handelspartnern verdoppeln kann.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Einhaltung von Vorschriften (Compliance) und Innovation sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern integriert werden sollten, wobei Nachhaltigkeit die Grundlage für resiliente Lieferketten bildet.

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