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Seit gut drei Jahren investiert SAP verstärkt in die Ausbildung ihrer Führungskräfte. Aber welche Kompetenzen sollen genau gefördert werden?

Um es gleich vorwegzunehmen: Eine gute Führungskraft ist jemand, der andere zum Fliegen bringt. Der ein Umfeld schafft, in dem sie ihr volles Potenzial entfalten können – und sich selbst dabei zurücknimmt. In der Literatur nennt man eine solche Person auch „Multiplier“.

Dieses von der US-amerikanischen Autorin Liz Wiseman geprägte Konzept ist ein zentrales Element des Schulungsprogramms, das rund 5.000 SAP-Führungskräfte bereits durchlaufen haben. Aber was lernen SAP-Führungskräfte dort konkret? Hier ein Überblick über einige der Verhaltensweisen, die Chefs im Idealfall an den Tag legen sollten.

Die Diminisher-Falle vermeiden

„Die Schulungsteilnehmer stimmen uns schnell zu, wenn wir besprechen, dass wir Mitarbeitern Freiräume geben und ihnen nicht durch zu viel Mikromanagement hereinreden wollen“, erklärt Harald Gabriel, Expert Talent & Leadership Strategy und erfahrener Schulungsreferent bei SAP. Dennoch tappt manch einer hinterher in die Diminisher-Falle.

Harald Gabriel, Expert Talent & Leadership Strategy und erfahrener Schulungsreferent bei SAP, erläutert die Auswirkungen von zu viel Mikromanagement durch Führungskräfte
Harald Gabriel, Expert Talent & Leadership Strategy und erfahrener Schulungsreferent bei SAP, erläutert die Diminisher-Falle, in die viele Führungskräfte tappen

Im Gegensatz zum Multiplier ist ein „Accidental Diminisher“ jemand, der zwar in guter Absicht handelt, aber dennoch die Energie, Kreativität und Innovationskraft anderer hemmt. Das passiert häufig dann, wenn die Führungskraft sich selbst für den besten Fachexperten hält – und deswegen Entscheidungen an sich reißt oder andere zu stark kontrolliert.

In den Schulungen, berichtet Gabriel, sei es daher häufig der größte AHA-Moment, wenn jemand für sich erkennt: „Als Manager habe ich eine andere Rolle; meine Aufgabe ist es, andere Experten sein zu lassen.“

Dazu gehört Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen: „Mir ist es wichtig, dass die Mitarbeiter selbst entscheiden und Verantwortung übernehmen“, erklärt Friederike Hertenstein, die ein Solution Go-to-Market-Team im SAP Ariba Center of Excellence leitet und selbst die Leadership-Schulung absolviert hat.  „Man kann nicht immer genau wissen, wie Dinge ausgehen – aber keiner sollte Angst davor haben, Fehler zu machen“, so Hertenstein.

Das große Bild aufzeigen

Als Hertenstein das Team im April 2017 übernahm, traf sie auf sehr heterogene Strukturen und Rollen im Team. „Mir war es ganz wichtig, dass die Mitarbeiter verstehen, was ihre Rolle ist und was der Sinn ihrer Aufgabe im Zusammenhang mit der SAP-Strategie ist“, erklärt Friederike. Zu diesem Zweck entwarf sie als Erstes eine Teamcharta, die darstellt, welche Aufgaben und Zukunftspläne das Team hat und wie es einen Mehrwert erbringen kann.

Friederike Hertenstein, Leiterin eines Solution Go-to-Market-Team im SAP Ariba Center of Excellence
Friederike Hertenstein, Leiterin eines Solution Go-to-Market-Team im SAP Ariba Center of Excellence, plädiert für Freiraum bei Entscheidungen und Eigenverantwortung für Mitarbeiter

Dazu gehörte für sie aber auch, diesen Mehrwert innerhalb ihrer Organisation herauszustellen und die Sichtbarkeit des Teams zu erhöhen. Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen, wie auch Martin Jones, Digital Transformation Expert, aus Hertensteins Team, weiß. Für ihn war es wichtig zu wissen, „dass man unseren Mehrwert erkennt, dass wir als Team sehr geschätzt sind und dass wir uns weiterentwickeln und unseren Beitrag zum SAP-Erfolg weiter ausbauen.“

Immer im Gespräch bleiben

Natürlich geht es letztlich um Umsatz, Kennzahlen, Zielvorgaben, schließlich werden wir daran alle gemessen. „Doch ich will nicht jeden Schritt meiner Mitarbeiter überprüfen, sondern sie dabei unterstützen, dass sie selbst ihren Weg finden und gehen“, erklärt die Managerin.

Neben den Gesprächen im Tagesgeschäft bietet sie pro Monat jedem Mitarbeiter eine Stunde Coaching an. Dies bringe viel Motivation und positive Energie, „weil ich den Menschen zuhöre, und weil sie selbst ihre Fragen beantworten“, so Hertenstein.

Nicht sofort nur an Effizienz, Produktivität und Kennzahlen zu denken, empfiehlt auch Gabriel den Schulungsteilnehmern. Es gebe unterschiedliche Kommunikationsstile und -bedürfnisse, dafür müsse manche Führungskraft erst sensibilisiert werden. Gerade am Anfang sei es sehr wichtig, sich viel Zeit zum Kennenlernen zu nehmen und die Landkarte des anderen zu verstehen. Das entspricht auch Hertensteins Erfahrung: „Wir sitzen nicht in einem Büro zusammen, sondern ich habe ein virtuelles Team, das über verschiedene Länder verteilt ist. Umso wichtiger ist es für mich zu verstehen, wie die Mitarbeiter ticken und mich darauf einzustellen.“

Eine offene Gesprächskultur schaffen – und Wertschätzung zeigen

Mit einer unbedachten Bemerkung kann man sehr schnell Vertrauen zerstören. Umgekehrt gibt es konkrete Verhaltensweisen, mit den Führungskräfte Vertrauen aufbauen können. Das bedeutet nicht, mit den Mitarbeitern „auf Kuschelkurs“ zu gehen, sondern beispielsweise eine offene, angstfreie Gesprächskultur zu schaffen.

„Ich finde das gerade wichtig, weil wir als SAP innovativ sein wollen. Zu einem innovativen Umfeld gehört aber auch, dass es Möglichkeiten gibt, kontrovers zu diskutieren, denn dabei entstehen oft neue und kreative Dinge“, so Hertenstein.

Offene, wertschätzende Gespräche vermitteln laut Friederike außerdem die Botschaft: Du bist wichtig, wir hören auf dich, du bist ein wichtiger Bestandteil für den Erfolg des Unternehmens.

Klingt alles prima, aber …

… viele Teamleiter sehen sich in einer unangenehmen Sandwichposition. Sie selbst sind willens, die neu erlernten Führungskompetenzen umzusetzen. Es kommt jedoch vor, dass ihre eigenen Manager Zielvorgaben definieren, die wenig Gestaltungsspielraum zulassen. Diese Situationen, in denen Dinge „von oben“ entschieden werden, werde es immer geben, meint Gabriel.

Dennoch ermutigt er die Schulungsteilnehmer, aktiv zu werden und eine klare Haltung einzunehmen: Das heißt, offen mit dem Team besprechen, was möglich ist und was nicht, und innerhalb der Vorgaben eigene Entscheidungen treffen.

In Stresssituationen kommt es zudem vor, dass Führungskräfte trotz guter Vorsätze in alte Top-Down-Entscheidungsmuster zurückfallen. „Kurzfristig muss es auch mal harte Entscheidungen geben, aber langfristig ist man damit nicht erfolgreich“, ist Gabriel dennoch überzeugt. „Meine Erkenntnis über die Jahre ist, dass ich nicht auf Dauer anderen Menschen sagen kann, was sie zu tun haben.“

Nachhaltiger sei es, Menschen durch Gespräche zu überzeugen und zu erklären, wie bestimmte Arbeiten zum Unternehmenserfolg beitragen.

Gibt es messbare Erfolge im Personalmanagement?

2018 führte die SAP-Personalabteilung eine Analyse unter den 5.000 Führungkräften durch, die bis September 2017 weltweit an einem Trainingsprogramm teilgenommen haben, davon 3.600 Führungskräfte der ersten Ebene. Diese Gruppe erzielte in den Kategorien „Mitarbeiterengagement in den Teams“ und „Vertrauen in die Führungskraft“ höhere Werte, als wenn sie nicht am Training teilgenommen hätten.