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Blockchain könnte zu einem wichtigen Faktor in der Lebensmittelindustrie werden, von dem alle profitieren. Die Technologie wird zwar noch nicht in großem Stil eingesetzt, ist aber auf dem Vormarsch.

Das Analystenhaus Gartner geht davon aus, dass mit Blockchain-Technologie bis 2023 weltweit Warenbewegungen und Dienstleistungen im Wert von 2 Billionen US-Dollar jährlich überwacht und verfolgt werden.

Welch unglaubliches Potenzial Blockchain bietet, veranschaulicht dieses Videointerview auf der Technologiekonferenz SAP TechEd. Die Technologie schafft Vertrauen, da sich mit ihr Lebensmittel in der gesamten Logistikkette verfolgen lassen. Lebensmittelproduzenten, Verbraucher und Behörden profitieren gleichermaßen.

Blockchain – eine wichtige „Zutat“ in der Lebensmittelindustrie

Das Marktforschungsinstitut IDC zählt die Überwachung von Anlagen und das Anlagen-/Warenmanagement zu den zehn wichtigsten Einsatzmöglichkeiten von Blockchain. Der Grund: Blockchain ist ideal für Geschäftstransaktionen mit vielen beteiligten Unternehmen, die zahlreiche Dokumente mit Daten von unterschiedlichen Orten austauschen. Blockchain ist ein unveränderliches, dezentrales Protokoll für Transaktionen und damit geradezu prädestiniert für die Warenverfolgung – beispielsweise zum Nachweis der Herkunft von Waren oder zum Management der Lebensmittelsicherheit.

Auf der Konferenz demonstrierte Benjamin Stöckhert, Business Development Manager für Blockchain bei SAP, am Beispiel eines Schokoladenproduzenten und eines Nusslieferanten den Einsatz des SAP Logistics Business Network. In der Demo nutzen sie das Netzwerk für den Rückruf von Schokoladentafeln, deren Nüsse bei der Verarbeitung mit Metallteilen verunreinigt wurden.

„Die Blockchain sorgt für mehr Transparenz, Effizienz und Nachhaltigkeit, da sie sämtliche Partner entlang der Logistikkette in einer vertrauenswürdigen Transaktionskette miteinander verknüpft“, sagte Stöckhert. “Für jede Zutat bei der Herstellung eines Produkts, wie beispielsweise einer Tafel Schokolade, liegen sämtliche Daten vor, die rückverfolgt werden können. Lebensmittelhersteller können damit Zertifizierungen nachweisen, Allergene erkennen und Rückrufe schneller durchführen.“

Die SAP hat die Lösung gemeinsam mit führenden Lebensmittelproduzenten und Handelsunternehmen entwickelt, darunter auch Mitglieder der Industry Blockchain Consortiums der SAP.

Mit Blockchain zu mehr Lebensmittelsicherheit

Großangelegte Rückrufaktionen für Lebensmittel sorgen für aufsehenerregende Schlagzeilen – und das zu Recht. Laut der US-amerikanischen Verbraucherorganisation Mass PIRG sind die Rückrufe von Lebensmitteln zwischen 2013 und 2018 um 10 Prozent gestiegen. Allein in den USA erkrankt jeder Sechste infolge des Verzehrs von Lebensmitteln, und 3.000 Menschen sterben jährlich an kontaminierten Lebensmitteln. Dennoch ist es immer noch schwierig, in jedem Lebensmittel die Zutaten zu verfolgen. Blockchain-Technologie kann Unternehmen helfen, die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe in einem Produkt zu verfolgen und riesige Datenmengen selbst in hochkomplexen Lieferketten präzise zu analysieren.

In Stöckherts Beispiel verfolgten der Zuständige für Lebensmittelsicherheit des Schokoladenherstellers und der Qualitätsbeauftragte des Nusslieferanten gemeinsam anhand der Blockchain, welche Schokoladentafeln zurückgerufen werden mussten. Die Daten in der Blockchain zeigten ihnen, in welchen Chargen die verunreinigten Nüsse enthalten waren.

„Entscheider können rückverfolgen, wo und wann das Produkt hergestellt wurde, welche Zutaten in welchem Herstellungsschritt zugefügt wurden und wo die Schokoladentafeln versandt, ausgeliefert und verkauft wurden“, sagte Stöckhert. „Der Hersteller und der Lieferant können eine Warnmeldung verschicken, die sich genau auf die Chargen mit den Metallpartikeln bezieht. Damit lösen sie Rückrufe in der gesamten Logistikkette aus – vom Rohstofflieferanten über die Produktionshalle bis zum Versandzentrum, dem Spediteur und den einzelnen Lebensmittelläden. Und all dies nahezu in Echtzeit.“

Die Vorteile der Blockchain beschränken sich jedoch nicht nur darauf, Warnmeldungen an die richtigen Leute zu verschicken. Genauso wichtig ist es zu erfassen, wann die Warnmeldung zur Kenntnis genommen wird und welche Schritte dann unternommen werden.

„Die Daten in der Blockchain erfassen den Status der Warnmeldung, unter anderem wann jedes Unternehmen bestätigt hat, dass es über ein Problem informiert wurde“, sagte Stöckhert. „Unternehmen können nachweisen, dass sie unverzüglich reagiert und die Vorschriften eingehalten haben.“

Mehr Transparenz und Kontrolle bei Lebensmitteln

Trotz dieser neuen Transparenz können Unternehmen weiterhin ihre Geschäftsgeheimnisse oder andere sensible Informationen wie Preise oder Namen von Lieferanten und Spediteuren bewahren. Denn die Blockchain berücksichtigt auch die verständliche Zurückhaltung von Unternehmen, anderen Unternehmen vor oder nach ihnen in der Logistikkette detaillierte Produktdaten zugänglich zu machen.

„Unternehmen können entscheiden, welche Daten sie mit der ganzen Logistikkette teilen möchten. Informationen können zudem verschlüsselt werden, damit sie nicht für alle Partner in der Kette sichtbar sind“, erklärte Stöckhert. „Die Blochchain-Teilnehmer können die anderen Käufer und Verkäufer vor oder nach ihnen nicht sehen, sodass sie keine Angst vor Abwanderung oder dem Verlust geistigen Eigentums haben müssen.“

Blockchain hilft auch Verbrauchern

Die Blockchain-Technologie kommt auch den Forderungen von Verbrauchern nach mehr Transparenz – sei es in ökologischer, gesellschaftlicher oder anderer Hinsicht – entgegen.

„Die Verbraucher haben heute ein viel stärkeres Bewusstsein, was in den Lebensmitteln, die sie essen, enthalten ist und wie diese hergestellt werden“, sagte Stöckhert. „Sie wollen wissen, wo und wie alle Zutaten der Schokolode gekauft und verarbeitet wurden.“

Laut einer Prognose von IDC werden bis 2021 30 Prozent der Lebensmittelhersteller und ­händler Blockchain-Technologie in Logistikketten einsetzen, um Verbrauchern Zugang zur Produkthistorie zu geben und damit Vertrauen aufzubauen. Man kann also davon ausgehen, dass die Blockchain bald eine wichtige „Zutat“ in der weltweiten Lebensmittelbranche werden wird, die für mehr Sicherheit und Vertrauen in Logistikketten sorgt.