Das Fintech-Unternehmen XPAY hat das ERP-System SAP Business One als Cloud-basierte Lösung eingeführt – während des Corona-Lockdowns und ausschließlich aus dem Home-Office. Dirk Jens Herrmann, Head of Finance & Administration bei XPAY, erzählt, wie es gelang, das Projekt zu realisieren und welche Erkenntnisse er daraus gewonnen hat.
Viele Unternehmen haben wegen der Corona-Krise IT-Projekte gestoppt, verschoben oder den Zeitrahmen gestreckt, weil sie befürchten, derartige Projekte ohne Anwesenheit vor Ort, regelmäßige Teambesprechungen und Workshops nicht bewältigen zu können. Aus dem Home-Office, nur mit Telefonkonferenzen und Online-Meetings, sei die Einführung eines ERP-Systems nicht zu machen – so die übliche Einschätzung.
Dass es nicht nur möglich ist, sondern darüber hinaus aus der ungewöhnlichen Situation auch ungeahnte Vorteile entstehen können, zeigt das Münchner Finanz-Tech-Unternehmen XPAY. Schon im Februar hatte XPAY alle Verträge mit SAP über die Einführung des ERP-Systems SAP Business One ausgearbeitet und unterschrieben. Dann kam der Corona-Lockdown. „Das Projekt stand auf der Kippe, wir haben sehr genau überlegt, ob wir trotz Lockdown unter den völlig veränderten Bedingungen mit der Umsetzung beginnen sollten“, blickt XPAY-Finanzleiter Herrmann zurück.
Den Ausschlag gab letztendlich, dass die Unternehmensleitung die Einführung eines ERP-Systems als unabdingbar – und eigentlich auch unaufschiebbar – einschätzte. XPAY wurde zwar schon 2016 gegründet, aber mit dem Einstieg eines Großinvestors hatte der Finanzdienstleister die Weichen auf nachhaltige Expansion gestellt. Bisher hatte das Unternehmen mit einer externen Buchhaltung gearbeitet; die Auswertung, strategische Planung und Steuerung basierten im Wesentlichen auf Excel-Tabellen. Es lag auf der Hand, dass es für die Ausweitung des Geschäfts und die Unterstützung der zentralen Aufgaben zukünftig einer leistungsstarken ERP-Software bedurfte.
XPAY entwickelt und betreibt eine „Card-as-a-Service (CaaS)“ Plattform und vertreibt Kundenkarten mit Prepaid Mastercard® Zahlfunktion. Diese Kartenprodukte werden auf das Design und Branding des Kunden angepasst und individualisiert erstellt. Dabei unterstützt XPAY seine Kunden von der Kartenlogistik bis Vertrieb und Abrechnung. Teil des Produktpakets ist zusätzlich eine im Design des Kunden gestaltete Landing-Page sowie ein Kundenportal mit individuell schaltbarer Werbung.
„Uns ging es zuallererst darum, die Finanzbuchhaltung ins Haus zu holen. Aber insgesamt brauchen wir ein leistungsstarkes ERP-System, das alle unsere Anforderungen von der Buchhaltung, Kartenlogistik und Marketing bis hin zu Controlling und Analysefunktionen erfüllt“, sagt Finanzleiter Herrmann. Er hat sich deshalb auf dem Markt für ERP-Systeme umgesehen und von Nischenprodukten für Finanzdienstleister bis hin zu großen ERP-Systemen für Konzerne eine Vielzahl von Angeboten evaluiert. Die Auswahl fiel nicht leicht, vor allem, weil er nur schwer abschätzen kann, wie sich das Unternehmen mit dem neuen Kurs entwickeln wird: „Mit dem eingeschlagenen Expansionskurs ist es heute kaum absehbar, wo wir in zwei oder fünf Jahren stehen werden.“
Das ERP-System muss auch künftiges Wachstum unterstützen
Deshalb musste das ERP-System nicht nur für die gegenwärtigen Aufgaben geeignet sein, sondern auch Flexibilität und Skalierbarkeit für zukünftige Anforderungen mitbringen. Weil XPAY auch Dependancen in UK und Irland unterhält und eine geografische Expansion in weitere Länder nicht ausgeschlossen ist, musste das ERP-System dahingehend ausbaubar sein und vor allem auch Mechanismen für die In-Corporate-Konsolidierung bereitstellen.
Die Wahl fiel schließlich auf SAP Business One von SAP. Die ERP-Software wurde speziell für die Anforderungen kleiner und mittelständischer Unternehmen entwickelt. Sie verfügt über alle Funktionen, die Unternehmen dieser Größe benötigen und kann auf individuelle Gegebenheiten und Prozesse zugeschnitten werden. Zudem ist das System mit den zusätzlichen Cloud-Angeboten von SAP nahezu beliebig erweiterbar. Der Betrieb von SAP Business One ist sowohl On-Premise als auch in der Cloud möglich.
Wichtiges Kriterium für die Auswahl war, dass ein Implementierungs-Partner bereitstand, der das Projekt kompetent und verlässlich begleitete. Schon in der Angebotsphase und bei Ausarbeitung der Verträge hatte der SAP-Partner Versino AG den Finanzleiter überzeugt. Der IT-Dienstleister ist auf die Einführung, Anpassung, Wartung und den Betrieb von SAP Business One spezialisiert: „Schon unser erster Eindruck war, dass die Versiono AG genau versteht, was wir brauchen und in der Lage ist, uns effektiv zu unterstützen“, blickt Finanzleiter Herrmann zurück. Ein Eindruck, der sich während des gesamten Projektverlaufs bestätigte.
Komplette Abwicklung des Projekts online aus dem Home-Office
Der Kick-Off Workshop fand dann – schon im Corona-Lockdown – ab dem 7. April in zwei 4-Stunden-Sessions via MS Teams statt. Schon wenige Tage später stand ein Zugang zu einem Cloud-basierten Testsystem bereit und es begann die Schulung der Key-User – wiederum in 4-Stunden MS Teams Online-Konferenzen. Jeweils drei bis fünf Teilnehmer wurden so auf die Fragestellungen im Pflichtenheft und die Arbeit mit SAP Business One vorbereitet.
„Wir haben das so eingerichtet, dass pro Tag maximal vier Stunden dauernde Remote-Meetings stattfinden. Ein Aufwandstag entspricht also mindestens zwei Kalendertagen“, erläutert Manuel Egginger, Projektleiter auf Seiten von Versino. Die Projektleitung auf Seiten des SAP-Goldpartners übernahmen Walter Roth und Eva Taubeneder. Insgesamt fanden vier solcher Workshops statt. Schon vorher war sichergestellt worden, dass alle Mitarbeiter, die aus dem Home-Office an den Online-Meetings teilnahmen, mit der entsprechenden Ausrüstung wie guten Mikrofonen und Kameras sowie mit einem MS Teams-Zugang ausgestattet waren.
Aber bei der Größe und den äußeren Rahmenbedingungen war es klar, dass einige Online-Workshops nicht ausreichen würden, um das Projekt voranzutreiben. Im Gegenteil: „Wir haben uns fast täglich ausgetauscht, um den weiteren Projektverlauf zu besprechen und neu aufgekommene Fragen zu klären – natürlich alles online aus dem Home-Office“, sagt Marion Schattauer, Senior Controllerin und Leiterin dieses Projekts. Nur dank dieser engen und engagierten Zusammenarbeit war es möglich, das Projekt trotz Corona-Einschränkungen im geplanten Zeitrahmen zu realisieren.
„Es ist schon ein merklich anderes Arbeiten als sonst bei typischen IT-Projekten“, blickt Projektleiterin Schattauer zurück. „Tatsächlich ist bei der engen Online-Kooperation, bei der man auch Einblicke in die private Umgebung erhält, ein so vertrauensvolles Verhältnis entstanden, wie es sonst bei IT-Projekten eher selten ist.“ Bis zum Projektende haben sich die Projektbeteiligten noch nicht persönlich getroffen.
Für Projektleiterin Schattauer und ihre Kollegen und Kolleginnen galt es dabei aber als größte Hürde die eigene interne Koordination stetig weiter zu optimieren. Die gesamte Struktur der Zusammenarbeit musste Home Office bedingt in allen Aspekten neu gedacht werden, angefangen bei der Aufgabenverteilung über die Organisation der ToDos bis hin zum Festsetzen der einzuhaltenden Timelines.
Das hatte einen großen Lerneffekt zur Folge: Die veränderten Bedingungen gaben den Teammittgliedern die Möglichkeit, ihre Arbeitsweisen flexibler zu gestalten und ihre individuellen Qualitäten neu einzubringen. „Unser Umgang miteinander hat im Verlauf des Projektes ganz neue Charakterfacetten bei den Kollegen und Kolleginnen zum Vorschein gebracht“, erinnert sich Schattauer. „Die gewonnenen Räume konnte jeder von uns nutzen, um unsere Leistungsfähigkeit individuell einzubringen und auch neu zu definieren. Das hatte einen großartigen Effekt auf unsere Motivation als Team.“
Enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist auch ohne persönliche Treffen möglich
Und auch Finanzleiter Herrmann zieht ein durchweg positives Resümee. „Wir sind ja mit großen Zweifeln in das Projekt gestartet, aber rückblickend ist es sehr viel besser gelaufen, als wir vermutet hatten.“ Das Hauptziel, die wichtigsten Prozesse und die Finanzbuchhaltung im neuen ERP-System zum Laufen zu bringen, wurde fristgerecht erreicht. Zwar sind noch einzelne Aufgaben offen, wie etwa die Anpassung von Schnittstellen sowie einige neue Anforderungen, die sich erst im Projektverlauf ergeben haben. Diese werden jetzt in kleineren Folgeprojekten abgearbeitet.
Seinen Mitarbeiter und den Projektbeteiligten von Versino macht er ein riesiges Kompliment: „Ohne die engagierte Arbeit wäre das nicht zu machen gewesen“, sagt Herrmann. „Es scheint fast so, als ob die Corona-bedingte Online-Arbeit aus dem Home-Office sich nicht als Nachteil ausgewirkt, sondern im Gegenteil zu einer intensiveren Kooperation geführt hat.“ Zwei Schlüsse hat er vorläufig aus dem gelungenen Projekt gezogen. Zum einen denkt er neu darüber nach, wie sich Home-Arbeit, die bisher bei XPAY nur in Ausnahmefällen stattfand, sinnvoll und systematisch in den Arbeitsalltag integrieren lässt. Zum anderen ist er vollkommen sicher, dass er zukünftig die Zusammenarbeit mit dem SAP-Partner Versino weiterführen will: „Wir haben mit Versino einen kompetenten, engagierten und verlässlichen IT-Dienstleister gefunden, der perfekt zu uns passt und der uns auch bei der geplanten Expansion begleiten wird.“