Neue ERP-Landschaft unterstützt Wachstumsstrategie der Schweizer Sika Gruppe

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Der Integrationsaufwand für die zahlreichen Akquisitionen blockierte in der Schweizer Sika Gruppe wertvolle IT-Ressourcen. Mit dem Umbau der ERP-Landschaft und der Einführung von SAP S/4HANA schafft der Bauchemie-Konzern neue Freiräume für Innovationen.

An den großen internationalen Flughäfen erfolgen Starts und Landungen im Fünf-Minuten-Takt, das Nachtflugverbot gilt meist nur für wenige Stunden. Ist es bei dieser hohen Auslastung erforderlich, eine der Flugpisten zu erneuern, zählt jede Minute. Bei den Bauarbeiten kommt es daher nicht nur auf ein effizientes Zeitmanagement an. Auch die eingesetzten Baustoffe wie Beton und Mörtel spielen eine entscheidende Rolle, etwa indem Zusatzstoffe zum Einsatz kommen, die diese Materialien extrem schnell aushärten lassen.

Bauchemische Produktsysteme für diese und andere hochbeanspruchte Bauwerke sind nur einer der Schwerpunktbereiche der Schweizer Sika AG. Das weltweit tätige Unternehmen mit Sitz in Zürich hat sich auf die Zielmärkte rund ums Dichten, Kleben, Dämpfen, Verstärken und Schützen von Tragstrukturen spezialisiert. Die führenden Produktsysteme der Sika finden sowohl im Bausektor als auch in der industriellen Fertigung zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Das Sortiment reicht von Betonzusatzmitteln über Bodenbeschichtungen bis hin zu Lösungen zur Verklebung und der Optimierung von Akustik in der Automobil-Industrie.

Herausfordernde, heterogene ERP-Landschaft aufgrund dezentraler Unternehmensstruktur

Zwei Grundmerkmale prägen die Sika Gruppe wesentlich: Zum einen verfügt das Unternehmen über eine regionale Organisationsstruktur mit starken lokalen Marktorganisationen – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die ERP-Systeme. Zum anderen gehören Akquisitionen zum Alltag des Konzerns: „Wir bewegen uns im Bereich der Bauchemie in einem sehr fragmentierten Markt, der von umfangreichen Konsolidierungen gekennzeichnet ist“, erklärt Andreas Kissling, CIO der Sika Gruppe. „Akquisitionen sind deshalb für die Sika als Marktführer ein elementarer Pfeiler der Unternehmensstrategie.“ Die Folge: Alleine in den vergangenen zehn Jahren tätigte der Schweizer Konzern nahezu 50 Akquisitionen.

Vereinheitlichung der ERP-Landschaft unterstützt Innovationsprojekte

Zugunsten einer höheren Transparenz und einheitlicher Prozesse unternahm die Sika bereits 2007 einen ersten Schritt zur Vereinheitlichung ihrer ERP-Landschaft: Die Konzernleitung beschloss, SAP ECC in Europa, Nordamerika und im Automotive-Geschäft flächendeckend auszurollen. Gemeinsam definierten Spezialisten aus dem Business und der IT der Sika Gruppe standardisierte Geschäftsprozesse und errichteten das Template „Sika Alliance“, welches 2009 in den USA und Österreich pilotiert und danach in 55 Gesellschaften implementiert wurde. Auf der Plattform entwickelt das Unternehmen Funktionalitäten mit dem Ziel, die Effizienz der Geschäftsprozesse zu steigern sowie die Transparenz als Basis für eine optimierte Entscheidungsfindung zu erhöhen. „Die Sika Alliance Plattform samt den dazugehörigen Umsystemen ist für uns heute einer der zentralen Pfeiler unserer Digitalisierungsstrategie“, betont Kissling.

Doch die hohe Anzahl an Akquisitionen machte den Rollout-Prozess der Plattform bald zur Sisyphusarbeit: Der Druck, hinzugekaufte Unternehmen zeitnah zu integrieren, stieg. Die Anforderungen im Zusammenhang mit der Integration nahmen überhand, geplante Rollouts in neue Länder wurden teilweise zeitlich etwas verzögert. Und mehr noch: Auch strategisch wichtige Digitalisierungsprojekte wurden ausgebremst: „Ein Beispiel dafür ist unser eShop, der über SAP Hybris läuft“, erläutert Kissling. „Diesen Shop können wir relativ einfach in Länder ausrollen, in denen ein SAP ERP-System im Einsatz ist. Aber sobald ein anderes ERP-System vorhanden ist, haben wir komplexe Integrationen zu leisten – und das braucht einfach mehr Zeit.“

Einführung von SAP S/4HANA erhält Priorität

Um die Integrationen zu beschleunigen, aber auch die Transparenz über den Akquisitionsprozess zu erhöhen und mehr Raum für Innovation zu schaffen, entschied die Sika Konzernleitung 2019, ihre ERP-Landschaft mit Hochdruck zu vereinheitlichen. Alle Länderorganisationen sollten schnellstmöglich mit SAP-ERP-System arbeiten – und zwar im Rahmen einer 2-Tier-Strategie, um weitere Komplexitäten zu vermeiden: Länder mit großen Umsätzen, wie zum Beispiel Japan, sollten auf die Sika Alliance Plattform gehievt werden. Länder mit kleineren Umsätzen sollten hingegen künftig mit SAP Business ByDesign arbeiten.

Nun sollte auch der Wechsel von SAP ECC auf SAP S/4HANA stattfinden – ein weiterer Schritt in die digitale Zukunft für Sika. Doch der Reihe nach. Es sei wenig sinnvoll gewesen, die Länder erst im großen Stil auf die Sika Alliance Plattform zu wuchten, um danach wieder alle Gesellschaften auf SAP S/4HANA zu migrieren, sagt Kissling. Deshalb sei das SAP S/4HANA-Projekt schließlich vorgezogen worden. „Auf diese Weise konnten wir nicht nur den Zwischenschritt über SAP ECC vermeiden“, ergänzt der Sika CIO. „Die Gesellschaften, die bereits auf Sika Alliance sind, können überdies sofort von den Vorteilen von SAP S/4HANA und dem umfassenden Ökosystem profitieren.“

Die Einführung des neuen ERP-Systems erfolgte zusammen mit dem Partner SAP Schweiz mittels des System-Conversion Ansatzes auf SAP S/4HANA. Dabei wurden die Applikation und die Daten vom bestehenden SAP ECC auf SAP S/4HANA migriert, das Sika Alliance Prozess-Template blieb im Wesentlichen aber erhalten. Zunächst wurden nur notwendige Änderungen durchgeführt, die Implementierung neuer Funktionalitäten (wie zum Beispiel Embedded EWM) ist für die Phase nach der Migration geplant. „Eine komplette Neuimplementierung der Lösung – also der Greenfield Approach – wäre zu langwierig gewesen und hätte aufgrund der hohen Anzahl von 55 Gesellschaften auf dem bestehenden System ein zu großes Risiko bedeutet“, erläutert Kissling. „Eine möglichst rasche Conversion hat auch den Anspruch am besten unterstützt, zügig die noch auf Drittsystemen arbeitenden Gesellschaften auf SAP S/4HANA zu migrieren. Auch das bereits auf SAP ECC eingeführte Einmandantensystem sowie das Prozess Template „Alliance“ kompensierten mögliche Vorteile eines Greenfield Approaches.

Vorarbeiten tragen wesentlich zur geräuschlosen Migration bei

Nach rund 18 Monaten intensiver Projektarbeit konnte das Sika SAP Team, mit tatkräftiger Unterstützung der Consultants von SAP Schweiz, am 18. April 2021 55 Buchungskreise mit einem Gesamtjahresumsatz mit Dritten von CHF 4,1 Milliarden innerhalb von 46 Stunden auf SAP S/4HANA migrieren. Dafür waren zu Beginn des Projektes in einem Proof of Concept System-Kopien erstellt und auf eine SAP S/4HANA-Umgebung migriert worden, wobei die technische Kompatibilität sowie die Abläufe der Migration optimiert wurden. Mitte 2020 erfolgte auch die Migration auf eine Entwicklungsumgebung und auf ein Qualitätssystem, die auch mit nahezu allen ERP-Subsystemen verknüpft waren. Diese Landschaft wurde in intensiven Business-Tests mit bis zu 1.200 lokalen Prozess-Verantwortlichen durch die Umsetzung von rund 17.000 Test-Cases auf Herz und Nieren geprüft. Seit der Migration im April läuft der Betrieb des neuen ERP-Systems – bis auf kleinere, rasch zu beseitigende Beeinträchtigungen – stabil. Die größten Kopfschmerzen bereitete Kissling übrigens eine Eigenentwicklung, die aufgrund einer fehlenden Funtionalität im SAP Migrations-Cockpit nötig war und die nach dem Go-live zu Datenbank-Fehlern führte.

Und welche Erfolgsfaktoren sind für ein solch umfangreiches Projekt noch zu nennen? Da ist einerseits die fachliche Kompetenz der involvierten Projektleitung und -mitarbeiter, andererseits die umfassende technische Vorbereitung hervorzuheben. Die SAP S/4HANA-Journey der Sika begann nämlich bereits 2018 mit dem Wechsel auf die SAP HANA-Datenbank. Aus den Erfahrungen dieses Projektes erwuchs unter anderem die Entscheidung, SAP S/4HANA schrittweise einzuführen. Nach 2019 wurden überdies bestimmte Satelliten-Systeme bereits für die Umstellung auf das neue ERP-System vorbereitet. So wurde zum Beispiel in der Lieferkettenplanung früh SAP APO (Advanced Planning and Optimization) durch SAP IBP (Integrated Business Planning) ersetzt. „Diese Vorarbeiten waren entscheidend für die erfolgreiche Migration auf SAP S/4HANA“, betont Kissling.

Praxistipp: Was Sie bei einer Migration auf SAP S/4HANA beachten sollten

Aus eher strategischer Sicht zieht Kissling das folgende Fazit:

Erstens: Ein verbindliches Commitment des Managements ist unabdingbar. Nur so lassen sich Umbrüche oder Rückschläge wie durch die Corona-Krise durchstehen.

Zweitens: Nur eine starke Organisation, die das Vertrauen des Managements genießt, ist in der Lage, die Herausforderungen eines solchen Projektes erfolgreich zu meistern. Dazu Kissling: „Die Sika hat ein sehr starkes Team – sei es in der IT oder im Business, das enorme Erfahrungen im Umgang mit SAP und SAP-Projekten einbringen kann. Darauf konnten wir bauen“.

Und schließlich drittens: Ein so komplexes Projekt lässt sich nicht alleine stemmen. Ein starker Partner ist deswegen entscheidend. „Unsere Partnerschaft mit der SAP Schweiz hat Höhen und Tiefen gesehen, die es in einem solchen Projekt natürlich gibt. Schlussendlich kommt es aber darauf an, dass wir gemeinsam immer eine gute Lösung gefunden haben.“

SAP Customer Talk mit Sika

Sie wollen mehr über die Migration auf SAP S/4HANA bei der Sika erfahren? Dann schauen Sie sich die Aufnahmen der Live-Übertragung zum Conversion-Projekt von SAP ECC auf SAP S/4HANA 1909 an: SAP Customer Talk mit Heike Siller-Morawski, Global Head of SAP, SIKA AG vom Montag, 15. Nov. 2021. Sie erhalten exklusive Einblicke in die SAP-S/4HANA-Transformation-Journey – vom Startpunkt der Transition bis zum Go Live im April 2021.