Die derzeit zu beobachtende Wechselstimmung bei den Berufstätigen und die damit verbundene Kündigungswelle, auch als „The Great Reshuffle“ bezeichnet, macht es für Unternehmen immer schwieriger, Nachwuchskräfte zu gewinnen und vorhandenes Personal langfristig zu binden. Um die Effizienz zu steigern, führen immer mehr Arbeitgeber intelligente Technologien ein.
Dabei stoßen sie mitunter auf eine bisher unerkannte Spaltung innerhalb der Belegschaft: Manche Mitarbeitende haben kein Problem damit, wenn ihre Lebensläufe und Leistungsdaten von künstlicher Intelligenz (KI) gelesen werden – andere haben dagegen Ängste in Bezug auf den Einsatz von intelligenten Technologien bei stellenbezogenen Entscheidungen. Auf die beiden Lager entfallen jeweils etwa 25 Prozent, die übrigen 50 Prozent haben eine eher neutrale Haltung zu dem Thema, wie eine Untersuchung von SAP SuccessFactors zeigt.
Den Ergebnissen der Studie zufolge wird es lange dauern, bis Arbeitnehmer KI akzeptieren, sodass wohl auf absehbare Zeit weiterhin Menschen im Zentrum der HR stehen werden. Bis KI auf breitere Akzeptanz trifft, sind also die Arbeitgeber gefordert, ihre Verpflichtung zum Einsatz von ethischer, transparenter KI bei der Schaffung eines von Inklusion geprägten Mitarbeitererlebnisses unter Beweis zu stellen.
Zukunft im Personalwesen: Effizienz steigern, ohne Kompromisse bei der Fairness zu machen
„KI ist nicht die alleinige Zukunft des Personalwesens“, mahnte Dr. Caitlynn Sendra, wissenschaftliche Expertin für Experience-Produkte bei SAP SuccessFactors, wo sie den Einfluss von Produkten auf das Mitarbeitererlebnis untersucht. Sendra sprach am 28. April während der Diskussionsrunde „Robot or Not: Is AI the Future of HR?“ auf der Jahreskonferenz des US-amerikanischen Berufsverbands „Society of Industrial and Organizational Psychologists“ (SIOP) in Seatlle. Gemeinsam mit Michelle Brown, Chief Operating Officer von Pinsight, einem Anbieter von Lösungen zur Weiterentwicklung von Führungskräften, versuchte sie, die Einwände der Gegner von mehr KI im Personalwesen zu entkräften. Außerhalb der Debatte sagten Sendra und Brown, dass sie eine positivere Einstellung zu KI befürworten und gerne sehen würden, wie die Technologie in den unterschiedlichsten Anwendungsfällen erfolgreich genutzt werden kann. Allerdings schien in dieser Debatte zwischen dem energisch vorgetragenen Für und Wider kaum Platz für einen Konsens zu sein.
Die Argumente, die sich in dieser Kontroverse für KI aussprachen, bezogen sich auf die Möglichkeiten von KI, die Effizienz im Personalwesen in größerem Maßstab zu steigern. Ein brandaktuelles Thema ist dies beispielsweise bei der Talentanwerbung, wo Recruiter mit riesigen Datenvolumina und immer komplexeren Metriken zu kämpfen haben. Erfahrene HR-Fachleute sind jedoch der Auffassung, dass KI das menschliche Urteilsvermögen nicht ersetzen kann. Dementsprechend empfehlen sie einen ausgewogenen Ansatz, bei dem KI als eines von mehreren Tools in eine ganzheitliche Talentstrategie eingebunden ist.
„Jedes Mal, wenn wir über KI sprechen, wird die Effizienz in den Vordergrund gestellt. Mein Gegenargument dazu ist immer: Wo bleibt dann die Fairness?“, gab Sendra dem Publikum, überwiegend bestehend aus Fachleuten für Arbeits- und Organisationspsychologie, zu bedenken. „Als Psychologen wissen wir ja alle, dass die Wahrnehmung von Fairness ebenfalls eine Rolle spielt.“
Befürworter und Skeptiker: unterschiedliche Wahrnehmungen von KI im Personalwesen
SAP SuccessFactors befragte 1.378 Mitarbeitende in 14 Ländern, um herauszufinden, wie ihre Wahrnehmung von intelligenter Technologie – etwa von KI und maschinellem Lernen – sie an ihrem Arbeitsplatz beeinflusst. Diese Untersuchung offenbarte, dass 44 Prozent der Befragten Bedenken haben, 26 Prozent psychischen Stress und 25 Prozent Angst in Bezug auf solche Technologien empfinden. Beim Test von 22 Anwendungsfällen konnten weniger als 25 Prozent der Mitarbeitenden als „Befürworter“ im Sinne eines traditionellen Net Promoter Score betrachtet werden.
Viele gaben an, dass der Einsatz von physischen, körperbezogenen Datenquellen, wie Gesichtserkennung oder Bewegungsüberwachung, besonders problematisch sei. „Die Mitarbeitenden brachten deutlich zum Ausdruck, dass sie den Einsatz solcher Überwachungstechnologien an ihrem Arbeitsplatz ablehnen“, betonte Sendra.
Künstliche Intelligenz: Wem wollen wir bei HR-Entscheidungen mit großer Tragweite vertrauen?
Kritikern zufolge fehlen KI-gestützten Lösungen im Personalwesen zwei überragende Fähigkeiten des Menschen: das Empfinden für Nuancen und die emotionale Intelligenz. Aber ist das so schlimm? „KI ist ideal geeignet, um Mitarbeitende der Personalabteilung bei alltäglichen Routinevorgängen zu entlasten“, meinte Brown, die darauf pocht, dass im HR-Organismus ein menschliches Herz schlagen muss. „Doch oft sitzt auf der anderen Seite dieses alltäglichen Routinevorgangs ein Mensch – ein Mensch in einer Interaktion, in der Entscheidungen mit Tragweite getroffen werden, etwa darüber, ob eine Person ihren Traumjob bekommt oder ob ein kranker Familienangehöriger Gesundheitsleistungen erhält.“
Das Gegenargument zu diesem wichtigen Punkt ist, dass manche Menschen in solchen entscheidenden Interaktionen leider Vorurteile und Diskriminierung erleben. 2021 gingen bei der U.S. Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) über 61.000 Meldungen über Diskriminierung am Arbeitsplatz ein – die schiere Anzahl zeigt uns, dass nicht alle Arbeitsplätze ein sicheres Umfeld sind, in dem Beschäftigte auf vorurteilsfreie Entscheidungen vertrauen können.
Befürworter von integrativen Einstellungsverfahren verweisen auf Belege dafür, dass KI unbewusste menschliche Vorurteile im Einstellungsprozess herausfiltern kann. Bewerber aus unterrepräsentierten Gruppen haben dadurch bessere Chancen. Eine Vielzahl von neuen KI-gestützten Lösungen ist auf den Markt gekommen, und jede verspricht Arbeitgebern, die in einem hart umkämpften Arbeitsmarkt um besser qualifizierte Mitarbeitende aus vielfältigeren Bevölkerungsgruppen konkurrieren, mehr Effizienz und eine bessere DEI-Leistung (Diversity, Equity, Inclusion).
Fragwürdig wird KI oft, wenn man einmal die Algorithmen, die hinter den Entscheidungsprozessen stehen, einer genaueren Prüfung unterzieht – diese können voll von Vorurteilen sein, und zwar aufgrund der historischen Trainingsdaten, die in das System eingespeist wurden. „Dies wirft das zentrale ethische Dilemma von KI und automatisierten Entscheidungen auf, nämlich das Vorhandensein von Vorurteilen in den Algorithmen, weil diese von menschlichen Entwicklern auf der Grundlage von menschlichen Entscheidungen aus der Vergangenheit, häufig mit unvollständigen Datensätzen, programmiert wurden“, machte Brown geltend, ganz im Sinne des berühmten Ausspruchs der Mathematikerin Cathy O’Neil, „Algorithms are opinions embedded in code.“
Hinzu kommt, dass das rechtliche und ethische Umfeld für KI sich in vielen wichtigen Arbeitsmärkten rasch verändert. So hat beispielsweise die EEOC kürzlich eine Initiative mit dem Ziel ins Leben gerufen, Fairness in Algorithmen sicherzustellen, damit diese neuen Technologien nicht zum „Hightech-Weg in die Diskriminierung“ werden. Eine Aufgabe der EEOC-Initiative – und ein Hinweis auf die Komplexität der Debatte über das Thema KI – wird es auch sein, „erfolgversprechende Praktiken“ für KI zu untersuchen.
Der gemeinsame Nenner: Wir brauchen mehr Transparenz in KI-Technologie
Gegen Ende der Debatte auf der SIOP-Konferenz erreichten die beiden Gruppen beim Thema KI im Personalwesen der Zukunft zumindest eine Annäherung. „KI ist in bestimmten Fällen eine geeignete Lösung“, resümierte das Team der Gegner. „Was wir tun müssen, ist die Blackbox öffnen und die Daten und die Erklärbarkeit liefern.“
„Was das Öffnen der Blackbox betrifft, sind wir mit Ihnen einer Meinung“, erklärte das Befürworterteam in einem Augenblick, der sich fast wie ein Konsens anfühlte.
Darüber hinaus können Arbeitgeber noch mehr tun, damit ihre Mitarbeitenden bessere Erfahrungen mit intelligenter Technologie machen, wie die Untersuchung von SAP SuccessFactors ergab: den Nachweis erbringen, dass Algorithmen frei von Vorurteilen sind, Aufsichtsorgane wie etwa einen KI-Ethikrat einrichten, die Vorteile der Technologie erklären und Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, von Algorithmen generierte Informationen zu korrigieren.
Die wichtigste Erkenntnis für Arbeitgeber ist, dass Transparenz und Betreuung eine entscheidende Rolle dabei spielen, eine durch Inklusion geprägte, ethische KI in das Mitarbeitererlebnis zu integrieren. KI wird in der Arbeitswelt in einem anderen Tempo eingebunden und akzeptiert als andere Technologien. Nicht alle Beschäftigten werden zur gleichen Zeit bereit dazu sein. In der Zwischenzeit müssen wir vielleicht betrachten, was wir aufgeben und was wir gewinnen, wenn KI im Personalwesen Einzug hält.
Die in dieser Präsentation erwähnte Untersuchung von SAP SuccessFactors wird in den kommenden Monaten auf der Website für öffentliche Studien von SAP SuccessFactors verfügbar sein.
Dieser Blog-Artikel wurde ursprünglich auf Forbes.com in der Rubrik SAP BrandVoice veröffentlicht.