>

Wollen Unternehmen aktiv zum Klimaschutz beitragen, müssen sie ihren CO2-Ausstoß ermitteln. Das ist mitunter kein leichtes Unterfangen – Zusammenarbeit ist gefragt. Das Emissionsdatennetzwerk liefert hierfür die Grundlage für den Datenaustausch.

36,4 Milliarden Tonnen – so hoch war der weltweite CO2-Ausstoß 2021. Es ist eine Zahl, die sich nur schwer fassen lässt. Um die verheerendsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, müssen die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf Null gesenkt werden, so das Fazit der Wissenschaftler. Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das voraussetzt, dass alle Unternehmen eine Bilanz ihrer CO2-Emissionen erstellen und offenlegen. Im Jahr 2022 geht es nicht mehr darum, ob Unternehmen etwas tun müssen, sondern darum, womit sie am besten anfangen. Sie sind nicht länger stille Beobachter, sondern leisten einen aktiven Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.

Lösungen für die CO2-Bilanzierung, mit denen Unternehmen ihren CO2-Ausstoß ermitteln können, sind bereits verfügbar. Es gibt jedoch noch ein anderes Problem, das wesentlich schwieriger zu lösen ist: Wie können Unternehmen überhaupt Daten zu ihren direkten und indirekten Treibhausgasemissionen erheben?

Der ökologische Fußabdruck eines Unternehmens, unter den die Emissionen nach Scope 1, 2 und 3 fallen, ist komplex. Um ihn zu messen, greifen Unternehmen derzeit auf öffentlich zugängliche Kataloge wie ecoinvent oder die LCA Commons zurück. In diesen Datenbanken sind bestimmte Arten von Materialien und Aktivitäten zusammen mit Angaben dazu aufgeführt, welche CO2-Emissionen sie durchschnittlich erzeugen.

„Zwar ermöglichen diese Kataloge eine erste Schätzung des CO2-Ausstoßes eines Unternehmens, jedoch kein genauen Überblick über den individuellen Status quo“, erklärt Marcus Krug, Leiter des SAP Innovation Center Potsdam. „Angesichts immer strengerer behördlicher Vorgaben in den einzelnen Regionen müssen Unternehmen in ihren Finanzberichten präzise und nachweisbare Zahlen zu ihren Emissionen offenlegen.“ Viele Unternehmen evaluieren außerdem auf der Grundlage präziser und zuverlässiger Nachhaltigkeitsdaten neue Geschäftsmodelle.

Große Marken wie McDonald’s und Timberland setzen auf Umweltschutz und integrieren nachhaltige Praktiken in ihre Geschäftsabläufe. Zuverlässige und überprüfbare Zahlen, die diese Initiativen untermauern, sind entscheidend, um Imageschäden und finanzielle Verluste zu vermeiden. Die Lösung dieses Problems erfordert einen standardisierten Ansatz, mit dem sich Emissionen mithilfe einer Vielzahl von Systemen unterschiedlicher Anbieter berechnen lassen. Die Daten können dann mit der gesamten Lieferkette – von den Zulieferern über Versandpartner und Hersteller bis hin zu den Einzelhändlern – ausgetauscht werden. Diese Prozesse sind nicht auf das Unternehmen beschränkt.

„Zusammenarbeit und Datenaustausch sind für Unternehmen das Gebot der Stunde, wenn es um die Messung und Steuerung ihres CO2-Ausstoßes geht“, betont Gunther Rothermel, Senior Vice President und Leiter des Bereichs SAP S/4HANA Sustainability bei SAP. Sein Team untersucht, wie das Produktportfolio der SAP um Lösungen für neue Schwerpunktbereiche wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft oder die ganzheitliche Steuerung und Berichterstattung der Nachhaltigkeitsleistung erweitert werden kann. „Die Umsetzung nachhaltiger Geschäftspraktiken bedeutet, nachhaltige Verfahren durchgängig in allen Prozessen zu verankern“, so Rothermel.

Austausch mit dem Emissionsdatennetzwerk  

In Zusammenarbeit mit Industrieverbänden wie dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) und Catena-X sowie mit anderen Softwareanbietern entwickelt das SAP Innovation Center Network ein interoperables Emissionsdatennetzwerk, über das Kunden Daten zu ihren CO2-Emissionen austauschen und dabei die Datenhoheit sicherstellen und die Festlegung auf einen Anbieter vermeiden können. Auf der Grundlage von Self-Sovereign Identity (SSI) soll diese Datengrundlage die Berechnung der Treibhausgasemissionen eines Unternehmens ermöglichen, damit das Unternehmen diese Emissionen verringern oder ausgleichen kann.

„Die Verwendung offener Standards war entscheidend, um unterschiedliche Anbieter zur Mitwirkung an diesem Projekt zu motivieren“, erklärt Krug. „Die Rückmeldungen der Kunden waren bisher positiv und lassen darauf schließen, dass dieses offene, interoperable und dezentrale Netzwerk offenbar eine wichtige Lücke schließt. Niemand hat wirklich Interesse daran, kostspielige, nicht standardisierte Punkt-zu-Punkt-Integrationen für die gesamte Lieferkette zu entwickeln.“

Für Unternehmen ist die Messung ihrer indirekten Scope-3-Emissionen – der Treibhausgase, die entlang ihrer Lieferketten und durch die Nutzung ihrer Produkte entstehen – eine besondere Herausforderung. „Wir wissen von unseren Kunden, dass die Steuerung der Scope-3-Emissionen und deren umfassende Verringerung für sie eine gewaltige Herausforderung darstellt“, berichtet Jesper Schleimann, Chief Strategy and Innovation Officer der SAP für die Region EMEA Nord. „Ihre Offenheit im Hinblick auf den Austausch von Informationen und Anforderungen hat entscheidend zur Entwicklung einer offenen Lösung beigetragen, mit der alle Stakeholder in der gesamten Wertschöpfungskette von Vorteilen profitieren, und eine erfolgreiche Einführung auf globaler Ebene ermöglicht.“

Das Emissionsdatennetzwerk baut auf dem SAP Business Network auf und schafft so die Grundlage für die Zusammenarbeit. Es ermöglicht unter anderem die Nachverfolgung des ökologischen Fußabdrucks eines Produkts von der Materialbeschaffung bis zum Endverbraucher. Da an einer Lieferkette eine Vielzahl von Parteien auf der ganzen Welt beteiligt sind, ist sie in der Regel komplex und wenig transparent.

Ein Modehändler bezieht beispielsweise Kleidungsstücke von einem Textilhersteller in Indien, die dann von einer Reederei nach Europa verschifft werden. Der Endverbraucher wünscht sich Informationen zu den gesamten CO2-Emissionen des gekauften Kleidungsstücks. Die Berechnung dieser Emissionen hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von den Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen des Textilherstellers, dem Versand per Seefracht, dem Transport zur Filiale und weiteren potenziellen Zwischenhändlern.

Das Emissionsdatennetzwerk bietet Hilfestellung bei diesem schwierigen Unterfangen, indem es Einblick in die Emissionen aller Teilnehmer des Netzwerks gewährt.

Ein dezentraler Ansatz für eine nachhaltigere Zukunft

Der Markt für Unternehmenssoftware war in den vergangenen Jahrzehnten von proprietären Lösungen geprägt. In einer Zeit, in der die Welt vor einer ihrer bislang größten Herausforderungen steht, haben jedoch viele Unternehmen erkannt, dass sich bestimmte Probleme nur gemeinsam lösen lassen. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, müssen Unternehmen neue Wege bei der Zusammenarbeit beschreiten.

Dezentrale Ansätze wie das Emissionsdatennetzwerk sind von Natur aus offen und schaffen die technische Grundlage für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch. Sie ermöglichen außerdem die Zusammenarbeit innerhalb der Lieferkette oder zur Unterstützung eines nachhaltigen Finanzwesens. Das Netzwerk könnte darüber hinaus genutzt werden, um Nachfrage, Angebot und Verteilung von Wasserressourcen in einem Ökosystem besser zu steuern.

„Wir lenken den Markt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft und gehen dabei gemeinsam vor“, so Marcus Krug. „Der dezentrale Netzwerkansatz spiegelt die natürliche Weiterentwicklung unserer Geschäftsnetzwerke wider.“


Corinna Schmidt arbeitet im Bereich NVT Marketing & Communications bei SAP.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Forbes.com veröffentlicht.

Foto: Silvia Pedroso, SAP