Irfan Khan will den Marktanteil von SAP im Bereich Plattformen ausbauen. Dazu soll das Erlebnis für alle Kunden optimiert werden.
Im Februar wurde Irfan Khan zum President von SAP Platform & Technologies ernannt. Er berichtet an Adaire Fox-Martin, die als Vorstandsmitglied für den Bereich Global Customer Operations verantwortlich ist. Zum Verantwortungsbereich seiner neuen Position gehören die weltweiten Vertriebs- und Marktstrategien, mit denen die SAP rund die Hälfte ihrer Softwarelizenzerlöse erwirtschaftet. Hierunter fallen die Produktbereiche SAP HANA, Datenbanken und Datenmanagement, Analyselösungen, mobile Lösungen, Datenintegration und intelligente Technologien wie maschinelles Lernen, Blockchain und das Internet der Dinge.
Marktstrategie Plattformen und intelligente Technologien
Nach seinem Wechsel von Sybase zur SAP im Jahr 2011 war Irfan Khan in verschiedenen Führungspositionen in den Bereichen Vertrieb, Technologie und Strategie tätig und ist daher mit dem gesamten Produkt- und Service-Portfolio der SAP bestens vertraut. Im Interview erläutert er die Strategie, mit der das Unternehmen seinen Marktanteil in den Segmenten Plattformen und intelligente Technologien ausbauen möchte.
Wie groß ist das Umsatzpotenzial im Zielmarkt für Plattformen und Technologien?
Irfan Khan: Das Segment Plattformen bietet riesige Chancen für die SAP, den Umsatz zu steigern. Das Umsatzpotenzial in den Segmenten Datenbanken, Analyselösungen, SAP Leonardo und Cloud-Plattform im Jahr 2019 wird auf 50 Milliarden Euro geschätzt und wächst mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (compound annual growth rate, CAGR) von 14 Prozent.
Die gute Nachricht ist, dass es keinen klaren Marktführer im Bereich der Cloud-Datenbanken und -Plattformen gibt. Der SAP bietet sich daher die ideale Chance, einen differenzierten Ansatz zu präsentieren, der sowohl verteiltes Datenmanagement mit Embedded Analytics als auch einen hybriden Ansatz für den Umgang mit unterschiedlichen Kundenlandschaften kombiniert. Dies ist eine Top-Anforderung, denn 80 Prozent der Daten befinden sich immer noch in traditionellen Rechenzentren vor Ort.
Die SAP hat eine lange Geschichte mit dem Kerngeschäft, das das Rückgrat vieler Unternehmen bildet: Rund um die Peripherie wird eine beträchtliche Menge an Daten gesammelt und in verschiedenen Umgebungen weniger optimal verwaltet. Die SAP hat nun die Fähigkeit, diese Daten vom Kern bis zum Rand zu integrieren und zu erweitern und dabei am schnell wachsenden Plattformmarkt von über 50 Milliarden Euro teilzuhaben.
Wir befinden uns an einem entscheidenden Punkt. Bei unseren Umsätzen mit der Vollversion von SAP HANA ohne SAP S/4HANA verzeichnen wir beispielsweise ein zweistelliges Wachstum, haben aber definitiv noch Raum nach oben. Bei den Analyselösungen sind wir Marktführer, sehen uns aber auch mit der Konkurrenz durch andere Anbieter konfrontiert, die mit uns im Bereich Cloud-Analyselösungen gleichauf liegen. Wir müssen einen strategischen Richtungswechsel vornehmen, der unser Geschäft auf die nächste Stufe bringt.
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Wie soll die neue Strategie umgesetzt werden?
Zunächst einmal möchten wir alle Kunden mitnehmen und auf ihrem Weg zum intelligenten Unternehmen unterstützen. Der Umstieg auf die Cloud vollzieht sich in hohem Tempo, und Kunden können wählen, ob sie Best-of-Breed-Lösungen implementieren oder von den Vorteilen eines grundlegenden Ansatzes für das Datenmanagement profitieren möchten. Erwartungsgemäß spielt unsere Schlüsseltechnologie SAP HANA bei diesem Vorhaben eine zentrale Rolle.
Unsere Vision für die neue Organisation Platform & Technologies fußt auf drei Elementen: Erstens werden wir Kunden abhängig von ihren branchenspezifischen Anforderungen differenzierte Angebote unterbreiten, die Datenmanagement, Analyselösungen, SAP-Leonardo-Technologien und die SAP Cloud Platform miteinander kombinieren. Zweitens verfolgen wir einen integrierten und optimierten Ansatz, um unsere Vertriebsaktivitäten auf unsere Roadmaps für die Entwicklung abzustimmen. Damit greifen wir Änderungsvorschläge zum Portfolio- und Lösungsmanagement auf. Und drittens möchten wir uns möglichst schnell den Cloud-as-a-Service-Markt erschließen und zugleich unsere Präsenz im On-Premise-Markt behaupten.
Wir stimmen die Aktivitäten im Vertrieb wesentlich enger mit den Entwicklungs-Roadmaps für den Vorstandsbereich Technology and Innovation unter der Leitung von Jürgen Müller ab. Jedes einzelne Mitglied im Führungsteam von Jürgen Müller ist für einen Go-to-Market-Plan verantwortlich. Das gab es meines Wissens bei SAP noch nie. Damit können wir unsere Strategie wesentlich genauer umsetzen und uns stärker daran orientieren, was die Kunden wollen und in welche Technologien sie investieren möchten.
Welche organisatorischen Veränderungen haben Sie in ihren Teams vorgenommen?
Wir haben die drei Bereiche Datenbanken und Datenmanagement, Analyselösungen und SAP Cloud Platform in einer Organisation zusammengeführt. Damit können wir den Wunsch der Kunden nach durchgängigen Lösungen anstelle eines Flickwerks aus unterschiedlichen Best-of-Breed-Lösungen wesentlich besser erfüllen. Und wir sind in einer besseren Position, neue Kunden zu gewinnen, die bislang noch keine SAP-Lösungen einsetzen.
Im Mittelpunkt dieser Maßnahmen stehen die Mitarbeiter in meinem Bereich. Durch gezielte Schulungen helfen wir Kollegen im Vertrieb, ihre Kenntnisse zum Markt und zu unserem umfassenden Portfolio zu vertiefen. Damit wir uns gegen andere Anbieter am Markt durchsetzen können, müssen unsere Vertriebsmitarbeiter vor allem Begeisterung für den Kunden und Kenntnisse im Bereich Plattform und Technologien mitbringen.
In welchen Branchen gibt es die größten Marktchancen?
Im Finanzdienstleistungssektor und im Versicherungswesen bieten sich riesige Marktchancen für SAP, da Daten und Analysen für das Geschäft der Unternehmen in diesen Branchen entscheidend sind. Durch die Übernahme von Sybase verfügen wir in diesem Segment bereits über zahlreiche Datenbankkunden, doch es gibt noch großes Potenzial, was die Unterstützung des Risikomanagements und der Wachstumspläne dieser Unternehmen betrifft.
Die Finanzdienstleistungsbranche ist jedoch nur einer unserer Zielmärkte. Unsere Angebote richten sich an Kunden aus wichtigen Branchen wie dem Einzelhandel oder der Versorgungswirtschaft, die bereits mit unserer Business Suite arbeiten. Wir möchten sie beim Management der Daten unterstützen, die sie in isolierten Anwendungen um die Suite herum erzeugen.
Was hören Sie von Kunden?
Ich habe mich vor Kurzem mit Vertretern der McLaren Technology Group getroffen, die Technologiepartner von SAP ist. Dabei habe ich sie auch gefragt, ob es in Anbetracht der physikalischen Gesetze überhaupt noch möglich ist, die Leistung von Formel-1-Rennwagen weiter zu steigern.
Ihre Antworten haben mir die Augen geöffnet, was die enormen Möglichkeiten selbst in ausgereiften Branchen wie dem Formel-1-Rennsport betrifft. Ich habe beispielsweise erfahren, dass sich der Kraftstoffverbrauch in den letzten zehn Jahren fast halbiert hat, und auch der Motor wurde mit zunehmender PS-Zahl kleiner. Durch die Erstellung digitaler Zwillinge für jede einzelne Fahrzeugkomponente ist es nun möglich, Rennwagen mithilfe von maschinellem Lernen auf Herz und Nieren zu testen und ihre Leistung weiter zu verbessern. Das ist keine Science Fiction. Beispiele wie dieses finden sich überall.
Für mich macht es deutlich, dass es nahezu keine Grenzen gibt, wie wir unsere Kunden – selbst etablierte Unternehmen in ausgereiften Branchen – bei der Optimierung ihrer Abläufe unterstützen können, damit sie in ihrer Branche den Wandel vorantreiben können.
Welche Neuerungen für SAP HANA haben Sie auf der SAPPHIRE NOW angekündigt?
Unsere Botschaft auf der SAPPHIRE NOW lautete: SAP HANA bleibt die Schlüsseltechnologie des Unternehmens. Unsere führende Plattform für das Datenmanagement ist seit fast zehn Jahren auf dem Markt und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Sie ist eine feste Größe im Markt und hat noch lange nicht ausgedient.
Neue Cloud-Services für SAP HANA
Letzte Woche haben wir unser neues Angebot SAP HANA Cloud Services vorgestellt. Mit diesen Services steht eine zentrale Datenquelle für Transaktions- und Analysedaten sowie strukturierte und unstrukturierte Daten in allen On-Premise- und Cloud-Anwendungen zur Verfügung. Diese Daten sind für Personen, Algorithmen und datengestützte Anwendungen mit einer Internetverbindung zugänglich. Die Vorteile sind niedrige Gesamtbetriebskosten, Flexibilität, verbrauchsorientierte Dienstleistungen, eine hohe Verfügbarkeit, Ausfallsicherheit und autonomes Verhalten auf Basis von künstlicher Intelligenz.
Worin sind die größten Herausforderungen? Was beschert schlaflose Nächte, und was motiviert jeden Tag aufs Neue?
Als erfolgsverwöhntes Unternehmen besteht unsere größte Herausforderung wohl in der Angst vor Veränderungen. Es ist absolut wichtig, dass die Mitarbeiter nach der Neuausrichtung der Vertriebs- und Entwicklungsorganisation nicht wieder in ihre Komfortzone zurückkehren. Für mich wäre es die größte Enttäuschung, wenn wir das Potenzial der gemeinsamen Marktchancen nicht voll ausschöpfen würden.
Was mich am meisten motiviert, ist die Möglichkeit, durch die enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Außendienst und Entwicklung beispiellosen Mehrwert schaffen zu können. So können wir eine hochgradig differenzierte Go-to-Market-Strategie entwickeln, die für unsere Kunden attraktiv ist.