Die Versorgungsindustrie befindet sich mitten in einem rasanten Wandel. Die Nachfrage nach moderner Technologie, intelligenten Infrastrukturen (Smart Cities) und Elektromobilität steigt stark und damit geht einher, dass auch saubere Energie aus erneuerbaren Quellen zunehmend nachgefragt wird.

Einen Großteil der Verantwortung für diese enormen Veränderungen tragen die Unternehmen der Versorgungswirtschaft. Die Maßnahmen, die sie jetzt ergreifen, werden zu tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft führen und die kommenden Generationen beeinflussen.

Egal, ob es sich um Strom-, Gas-, Wasserversorger oder Abfallentsorger handelt, sie alle müssen daran arbeiten, intelligente Lösungen zu entwickeln und ihre eigene Energieeffizienz zu verbessern. Gleichzeitig müssen sie eine sichere Infrastruktur bereitstellen – für die Gegenwart und für die Zukunft. Die damit verbundene Last ist groß, deshalb müssen sich Versorgungsunternehmen der Herausforderung stellen.

Die größten Herausforderungen für die Versorger

Die Hemmnisse und Chancen, mit denen Versorgungsunternehmen konfrontiert sind, wurden kürzlich in einem SAP-Webinar zum Thema Versorgungswirtschaft erörtert. Zu den wesentlichen Faktoren für den Wandel in der Branche gehören:

  • Zunehmende finanzielle Auswirkungen von Shutdowns und Unwetterereignissen. Die mit der Vorbereitung auf Störungen und extreme Wetterereignisse verbundenen Kosten steigen ständig. Versorgungsunternehmen müssen flexibel sein, denn sie müssen sicherstellen, dass Fernleitungen und Verteilung ordnungsgemäß funktionieren. Störungen im Strom-, Gas-, Wasserversorgungsnetz oder bei der Abfallentsorgung gilt es zu verhindern oder so gering wie möglich zu halten.
  • Schwankungen von Angebot und Nachfrage ausgleichen. Derzeit findet eine deutliche Verschiebung statt: weg von Menschen gesteuerter Stromerzeugung (durch Wasserkraft, Öl, Kohle oder Gas) hin zu wetterabhängiger Stromerzeugung (durch Solar- und Windenergie). Dies führt dazu, dass es in den Angebots- und -Nachfragemodellen für Prognosen mehr Variablen gibt. Energieversorger müssen Absatz und Bedarf mit ihrem globalen Auftrag, die CO2-Emissionen zu senken, und mit der wachsenden Nachfrage nach erneuerbaren Energiequellen in Einklang bringen.
  • Zunehmende Komplexität: Der Übergang von zentraler zu dezentraler Energieerzeugung schreitet rasch voran. Da nun mehr erneuerbare Energiequellen an das Netz eines Stromversorgers angebunden werden, gestaltet sich der Betrieb des Netzes komplexer, denn die Zahl der Stromerzeugungspunkte und -arten beläuft sich auf Hunderte oder Tausende. Dies führt zu Umsatzrückgängen, steigenden Investitionen in Übertragungs- und Verteilungssysteme und zu einem erhöhten Risiko hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Stromnetzes und der Cybersicherheit.
  • Neue Kundenpräferenzen haben Einfluss auf die Prioritäten, Entscheidungen und Strategien der Stakeholder. Wenn Kunden wählen dürfen, welche Art von Strom sie erhalten möchten, achten immer mehr Verbraucher auf die Reduktion von Treibhausgasen und entscheiden sich, keine Energie zu erhalten, die aus fossilen Brennstoffen stammt.
  • Die Digitalisierung und der rasche technologische Wandel zwingen Versorgungsunternehmen dazu, ihre Arbeitsweise, Dienstleistungen und aktuellen Geschäftsmodelle zu überdenken.

Verbraucher werden zu „Prosumenten“ 

In der Versorgungswirtschaft gibt es nun Energie-„Prosumenten“ – Unternehmen oder Personen, die sowohl Produzenten als auch Konsumenten sind.

Sie erzeugen ihre eigene Energie und speisen den gespeicherten Strom wieder ins Netz ein. Dadurch wird der Strom erschwinglicher, aber die betriebliche Komplexität erhöht sich.

Während der virtuellen Utilities-Veranstaltung erklärte Miguel Gaspar Silva, Global Head der IBU Utilities bei SAP, dass Prosumenten bei dem tiefgreifenden Wandel, der derzeit in der Versorgungswirtschaft stattfinde, eine wichtige Rolle spielen würden.

„Dieser Paradigmenwechsel führt uns praktisch von einem verbraucherorientierten Modell zu einem prosumentenorientierten Modell. Die Verbraucher werden beginnen, sich ganz anders mit Energie zu beschäftigen, mit den Energierohstoffen, die sie von den Versorgern erhalten und natürlich auch den Rohstoffen überall auf der Welt. Das hat in vielerlei Hinsicht Auswirkungen auf die Branche. Die Versorgungsunternehmen werden nicht mehr so viel Kontrolle über alles haben wie früher.“

Mit dem Wandel der Branche werden sich auch die Geschäftsmodelle der Versorgungsunternehmen verändern. Anstatt ausschließlich Versorgungsunternehmen zu sein, wird einigen Unternehmen eher eine Koordinationsrolle zukommen – zwischen mehreren Stromerzeugern und Energieverbrauchern.

„Versorgungsunternehmen müssen sich weiterentwickeln. Sie müssen viel agiler werden. Sie sollten die Geschäftsprozesse, um die sie sich kümmern, so schlank wie möglich machen und agiler werden, um neue Geschäftschancen zu erschließen“, sagte Gaspar Silva. „Technologie spielt dabei eine Rolle. Für Versorgungsunternehmen, die diese neuen Geschäftsmodelle umsetzen wollen, sind neue Technologien von entscheidender Bedeutung.“

Mateu Munar, Senior Director bei SAP, erläuterte, dass Versorgungsunternehmen sich bereits weiterentwickeln und nicht mehr nur ausschließlich Produktions- und Bereitstellungsmodelle anbieten. „Versorgungsunternehmen beginnen damit, im Bereich der Nicht-Standardprodukte tätig zu werden. Sie bieten Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sonnenkollektoren, Elektrofahrzeugen, Hausratversicherungen und Instandhaltung an sowie Produkte aller Art, die nichts mit den klassischen Angeboten von Versorgern zu tun haben.“

Die Weichen für neue Betriebsmodelle in der Versorgungswirtschaft stellen

Führende Versorgungsunternehmen entwickeln neue Wege, um Kunden, Communitys, die Gesellschaft und ihre Stakeholder zu unterstützen und die Umwelt zu schonen.

Dies erfordert, dass sie ihre Betriebsabläufe überdenken und intelligente Lösungen entwickeln und dabei folgende Überlegungen berücksichtigen:

  • Neue Geschäftsmodelle sind für Nicht-Standardprodukte und -services erforderlich, um herkömmliche Cost-to-Serve-Modelle zu ersetzen.
  • In jüngster Zeit haben die Investitionen in die Stromversorgung und saubere Energien die Investitionen in Öl und Gas übertroffen. Und diese Spanne dürfte in den kommenden Jahren immer größer werden.
  • Es wird erwartet, dass eine steigende Zahl von Marktteilnehmern Umsätze aus Serviceleistungen und Energiedaten erzielen wird. Durch die verstärkte Nutzung intelligenter Zähler und vernetzter Anlagen werden mehr Daten gesammelt. Versorgungsunternehmen müssen daher besonders auf Datenschutz und Cybersicherheit achten.
  • Energieversorger müssen angesichts von Angebots- und Nachfragespitzen, die durch Faktoren wie kleinformatige Anlagen und digitale Mobilität entstehen, Netzstabilität gewährleisten und gleichzeitig neue gesetzliche Vorschriften und Meldepflichten erfüllen.

Strategische Prioritäten für Versorgungsunternehmen

Es ist wichtig, nach vorne zu blicken. Versorgungsunternehmen müssen widerstandsfähig und agil sein. Zugleich müssen sie aktuelle Prozesse optimieren und Innovationen entwickeln. Versorger, die ihre Digitalisierung fortsetzen, sollten bestimmte strategische Prioritäten festlegen. Dazu zählen:

Neue Einnahmequellen eröffnen 

Energieversorger sollten sich nicht mehr ausschließlich auf die Stromerzeugung im großen Maßstab verlassen, sondern neue Erzeugungsquellen mit geringeren Grenzkosten für erneuerbare Energiequellen in Erwägung ziehen.

Traditionelle Versorgungsunternehmen sollten neue Geschäftsmodelle, Märkte, Installationsservices und andere Serviceangebote in Betracht ziehen und über energieverbrauchsrelevante Produkte wie intelligente Thermostate, Ladegeräte für Elektrofahrzeuge und Solarmodule nachdenken.

Kundenbeziehungen aufbauen 

Da Prosumenten sich bewusster mit Energiefragen auseinandersetzen und mehr mitreden möchten, sollten Versorgungsunternehmen die Chance nutzen und für mehr Interaktionen mit ihren Kunden sorgen. Über digitale Kanäle und personalisiertes Marketing können sie direkt mit den Verbrauchern interagieren und schnell auf Kundenanforderungen reagieren.

Operative Verbesserungen vorantreiben 

Mit dem digitalen Betrieb von Anlagen und durch Bedarfssteuerung lassen sich Verschwendung minimieren und Kosten senken. Datenanalysen helfen, die Logistikketten transparenter zu machen. Optimierte Self-Service-Funktionen und die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) tragen dazu bei, die Servicekosten zu senken.

Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und Sicherheit 

Durchgängige Geschäftsprozesse und die Berichterstellung sollten auf die Prioritäten und Vorschriften der lokalen Aufsichtsbehörden und die Datenschutzbestimmungen abgestimmt sein werden. Es gilt, die Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden zu optimieren und strenge Datenschutzmaßnahmen durchzuführen, um Cyber-Bedrohungen abzuwehren.

Innovationen sind für Versorgungsunternehmen von entscheidender Bedeutung 

Innovationen werden Versorgungsunternehmen helfen, Stabilität zu wahren, trotz der schwerwiegenden Umwälzungen in der Branche. Um agiler und effizienter zu werden, müssen Versorgungsunternehmen sich mit verschiedenen Bereitstellungsmethoden und Geschäftsmodellen beschäftigen und moderne Technologien einsetzen, um den Übergang ihrer Abläufe in die nächste Phase zu gewährleisten.

Wie sich die Versorgungswirtschaft in den nächsten zehn Jahren weiterentwickelt und ihre Herausforderungen stellt, wird einen entscheidenden Einfluss auf künftige Generationen haben.

Sehen Sie sich das vollständige SAP Industries Live Webinar an.


Dieser Beitrag erschien im Original auf Forbes.